Eren Gültekin
Der Dokumentarfilm 48 Tage beleuchtet den jüngsten Streik der Berliner CFM-Angestellten im Charité-Krankenhaus und die Perspektiven der beteiligten Arbeiterinnen.
Die neoliberale Politik der 2000er Jahre – mit Folgen bis heute
Es ist ein warmer Spätsommerabend in Kreuzberg, als sich die Türen des Moviemento-Kinos am 15. September für die Gala-Premiere von 48 Tage öffnen. Schon vor Beginn ist klar: Der Saal reicht nicht aus. So viele Menschen sind gekommen, dass sich die Filmcrew freiwillig nach hinten und auf die Gänge zurückzieht, manche stehen sogar. Der Andrang allein zeigt die Bedeutung des Themas: den 48-tägigen Streik der Beschäftigten der Charité Facility Management (CFM), einer Tochtergesellschaft der Berliner Universitätsklinik.
Eröffnet wird der Abend von Betül, die beim Entstehen des Films mitgewirkt hat, und die Bedeutung des Streiks in den gesellschaftlichen Kontext stellt: Es sei wichtig, den Kampf aus der Perspektive der Arbeiterinnen zu betrachten – vor allem jener Frauen, die aus der Türkei nach Berlin kamen und heute das Rückgrat der Krankenhausarbeit bilden. Ihnen eine Stimme zu geben, sei Ziel des Films. Tatsächlich ist der 40-minütige Film größtenteils aus ihrer Sicht erzählt – der Ton lief größtenteils in ihrer Muttersprache Türkisch und wurde mit deutschen sowie englischen Untertiteln an die Leinwand gebracht.
Betül lenkt in ihrem Eröffnungswort in die 2000er-Jahre: Jahre der Privatisierungen, neoliberale Reformen und des DRG-Systems. Krankenhäuser wurden zu Betrieben, die nach Profitlogik funktionieren. Tochtergesellschaften entstanden, in denen Beschäftigte oft mehrere Hundert Euro weniger verdienen als die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Tarifvertrag. Wahlversprechen – ob von SPD oder CDU, von Michael Müller bis Kai Wegner, dem aktuellen Bürgermeister Berlins – blieben unerfüllt. „Solidarität ist unsere stärkste Waffe gegen Ungerechtigkeit“, betont Betül.
Noch bevor der Film startet, wird auch Magda nach vorne gebeten. Magda ist OP-Reinigungskraft bei der Vivantes-Tochter „Viva Clean“. Sie schildert eindringlich, wie sie 560 Euro brutto weniger im Monat verdient, nur weil sie in einer Tochtergesellschaft arbeitet. „Alles wird teurer – Lebensmittel, Mieten“, sagt sie, „und neben meinem Vollzeitjob bei Vivantes gehe ich noch einem Minijob nach.“ Der CFM-Streik habe ihr Hoffnung gegeben, auch für ihre kommende Auseinandersetzung, deshalb ihr Motto: „TVöD 100 Prozent – das ist ein Muss!“ Schon bevor der Film begonnen hat, ist allen klar, dass hier ein weiterer erfolgreicher Arbeitskampf folgen wird.
Mehr als Trillerpfeifen – 48 Tage Kampf um Würde
Dann beginnt der Film. Er öffnet mit einer Szene, in der Sükran nach ihrer Schicht ausstempelt und auf dem Heimweg von der Kamera begleitet wird. Sie erzählt ihre Lebensgeschichte: geboren in Adana, aufgewachsen in Izmir, Studium auf Lehramt und mit der Heirat der Schritt nach Karlsruhe. Damit beginnt zwar das gemeinsame Leben, doch kurz darauf folgt die Scheidung und damit erneut der Umzug, diesmal nach Berlin – und mit ihm der harte Bruch, als alleinerziehende Mutter durchs Leben zu kommen. „500 Euro weniger, nur weil ich bei einer Tochterfirma bin. Das ist Diebstahl!“, sagt sie im Film.
Es folgen Szenen von Streiks und Demonstrationen, von kämpferischen Momenten und müden, aber hoffnungsvollen Gesichtern. Besonders eindrucksvoll ist eine Szene, in der die Streikenden am Hotel Adlon vorbeilaufen und sich dem Eingang nähern. Dabei rufen sie Slogans, dass der Bürgermeister Kai Wegner herauskommen solle, der zu diesem Zeitpunkt drinnen war. Sie nähern sich so nah, dass die Polizei eingreifen muss und mehrere Beamte sich vor die Tür stellen. Hier wird deutlich: Sie wollen nicht nur Trillerpfeifen schwingen oder einen Spaziergang durch die Stadt machen, sondern ernsthaft erreichen, dass die Politik ihnen zuhört und dass ihre Forderungen nicht nur ein wenig mehr Gehalt für Urlaub sind, sondern ein Einkommen, mit dem sie den steigenden Lebenshaltungskosten in Berlin standhalten können. Nach dieser Szene mussten viele im Kinosaal schmunzeln, als in der nächsten Szene der deutschlandweit bekannte Slogan ertönte. Als auf der Leinwand der Slogan „Rücken krumm, Tasche leer – CFM, danke sehr!“ ertönt, geht ein leises Lachen durch den Saal – viele kennen den Spruch aus den sozialen Medien.
Besonders eindrücklich sind die Gespräche am Esstisch nach Ende der Streikphase. Diesmal steht Gülüzer im Vordergrund und berichtet von einer brennenden Situation: Sie wollte etwas mit ihrer Vorgesetzten teilen, hätte es in wenigen Sekunden ausgesprochen, wurde jedoch darauf hingewiesen, auf Deutsch zu kommunizieren, obwohl der einfachere Weg für beide Türkisch gewesen wäre. Diese Situation verärgerte sie, da es ihr leichter gefallen wäre, auf Türkisch zu beschreiben, was sie meinte. „Manchmal werde ich verrückt, weil ich mich nicht so ausdrücken kann“, betonte sie. Auch wenn sie sich im Pausenraum auf Türkisch mit ihren Kolleginnen unterhält, erntet sie Blicke. Es sind kleine, alltägliche Diskriminierungen, die der Film aufgreift.
Zwischen Erzählungen über hohe Mieten, Sorgen um Alleinerziehende und die Notwendigkeit von Nebenjobs wird auch über Politik gesprochen: „Lehrern wird gesagt, es gibt kein Geld. Uns im Krankenhaus auch. Aber für Waffen sind plötzlich 500 Milliarden Euro da“, sagt Sükran. „Fürs Leben gibt es kein Geld – aber fürs Töten schon!“
Auch die Gewerkschaft spielt eine Rolle. Gülüzer spricht offen über ihr Misstrauen, geprägt von Erfahrungen aus der Türkei. Doch der Streik verändert sie: „Ohne uns ist die Gewerkschaft nichts, aber ohne die Gewerkschaft sind auch wir nichts.“ Die Solidarität anderer Branchen habe ihr Mut gegeben. Sie fühlt sich nicht mehr allein.
Es ist definitiv lohnenswert, bei Gelegenheit den Film anzuschauen. Auch wenn die beiden Protagonistinnen eine große Dominanz im Film haben, wird am Ende klar: Gemeinsam, wenn wir wirklich unsere Kolleginnen überzeugen und konsequent bleiben, gibt es nichts, was wir nicht durchsetzen können. Daher drehte sich im Anschluss des Films unter anderem auch darum, wie man Magda und ihren Kolleginnen bei Vivantes einen erfolgreichen Arbeitskampf ermöglichen kann.

Gesprächsrunde – Entschlossenheit für weitere Kämpfe
Nach dem Abspann betreten die Hauptprotagonistinnen Sükran und Gülüzer sowie Sezen von der Filmcrew und Ongoo vom Organizer-Team die Bühne. Ongoo berichtet von den Schwierigkeiten der Tarifverhandlungen, die nur unter massivem Druck möglich wurden. Aktuell versuche die Arbeitgeberseite, die Finalisierung des Abschlusses zu verzögern. Daraufhin kommt aus dem Publikum die Frage, ob es wieder zu einem Streik kommen könnte, falls der Vertrag nicht zustande kommt. „Ja“, antworten sie ohne Zögern.
Sükran schildert, wie wichtig auch die Zeit vor dem Streik war, um das Vertrauen unter den Kolleginnen aufzubauen. Nur so habe sie am Verhandlungstisch sitzen und mitreden können. Der Streik selbst habe die Bande noch enger geknüpft. „Wir haben uns Geschichten erzählt, sind nach den Aktionen noch ins Café gegangen – das hat uns stark gemacht.“ An Magda richtet sie einen Appell: „Seid laut, bei jeder Aktion. Ich komme zu euch!“
Sezen aus dem Filmteam, das ausschließlich aus Frauen bestand, ergänzt: Der Film sei in Kollektivarbeit entstanden. „Wir haben uns in Gruppen eingeteilt und alle konnten ihre Erfahrungen einbringen – die einen kümmerten sich um den Dreh, andere etwa um die Regie. Es gab nicht die eine Regisseurin, und es war wie eine Guerilla-Produktion, da nicht immer Genehmigungen vorhanden waren“, erläutert sie. „Dass das Interesse jetzt so groß ist, macht uns glücklich“, betont sie zum Schluss begeistert.
Nach zwei Stunden endet die Premiere. Doch das Gefühl, das bleibt, ist größer als Kino. Viele Gesichter strahlen, und alle scheinen entschlossen. 48 Tage ist mehr als ein Film: Es ist ein lebendiges Plädoyer für Solidarität – und vielleicht ein Auftakt für kommende Kämpfe in Berlin, unabhängig von der Branche.

