Die Konflikte auf der Welt spitzen sich von Tag zu Tag zu und viele Länder bewaffnen sich bis an die Zähne. Im Jahr 2024 stiegen die weltweiten Rüstungsausgaben im Vergleich zu 2023 um 9,4 Prozent und erreichten fast 3 Billionen Dollar (2,718 Billionen Euro). Mehr als ein Drittel davon entfällt allein auf die USA, die mit rund 1 Billion Dollar die Ausgaben Chinas (314 Milliarden) verdreifachen. Zwischen 2015 und 2024 sind die weltweiten Rüstungsausgaben um 37 Prozent gestiegen. Einer der größten Anstiege kommt aus dem sich „demokratisch“ schimpfenden Europa, das mit einem Anstieg von 83 Prozent einen neuen Rekord aufstellte.
Yekta Doğan
Eigentlich ist es kein Geheimnis, warum aufgerüstet wird. Ein Blick auf die Konkurrenz der Konzerne, ein Blick auf die Gespräche der Vertreter und Sprecher der imperialistischen Staaten genügt – der Grund für ihre Konflikte ist offensichtlich: die Märkte und Rohstoffquellen, die sie nur für sich beanspruchen wollen.
Man spricht von Donbass, Krim, Cherson, doch in Wahrheit drehen sich die „Friedensverhandlungen“ in der Ukraine darum, wie die seltenen Erden aufgeteilt werden sollen. Das Erste, was Trump Selenskyj aufzwang, war ein Rohstoffabkommen.Die europäischen imperialistischen Staaten, mit Deutschland, Frankreich und Großbritannien an der Spitze, haben erkannt, dass sie sich gemeinsam gegen die USA stellen müssen, um selber an die Rohstoffe zu kommen.Die europäischen Länder, die sich vor dem Treffen zwischen Trump und Putin zusammengeschlossen und eine fünf Punkte umfassende Liste mit Forderungen veröffentlicht hatten, konnten Trump dazu bewegen, mit dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj ein gemeinsames Gipfeltreffen in Washington zu organisieren. Dies muss als Erfolg Europas gegenüber den USA verbucht werden. Die „Ukraine-Diplomatie“ lässt einmal mehr die unterschiedlichen Interessen der „Westmächte“ zutage treten.
Der Nahe Osten wiederum ist als Machtarena mit sich wandelnden Regimen und Grenzen längst bekannt – ein Energiespeicher. Ein erheblicher Teil des weltweiten Erdöls und Erdgases wird hier gefördert. Nimmt man Russland hinzu, macht das die überwältigende Mehrheit der Weltproduktion aus. Da wird jedes Land – und vor allem dessen Konzerne – gierig, ganz gleich, ob es von seiner Größe her eigentlich mitspielen kann oder nicht.Und auch Deutschland mischt mit.Sowohl in der Ukraine als auch in Gaza nimmt Deutschland als Waffenlieferant eine entscheidende Rolle bei der Weiterführung dieser Kriege ein. Und verdient dabei am Tod hunderttausender Menschen, an Leid, Elend und Zerstörung.
Waffenindustrie und Staat Hand in Hand
Deutsche Rüstungsexporte befanden sich bereits letztes Jahr auf einem Rekordhoch. Dem vergangene Woche von der Bundesregierung abgesegneten Rüstungsexportbericht 2024 ist zu entnehmen, dass Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von rund 12,83 Milliarden Euro erteilt wurden. Hauptempfänger deutscher Waffen war die Ukraine. Waffen, Munition und Ausrüstung im Wert von über acht Milliarden Euro erhielt Kiew allein 2024. Im ersten Halbjahr 2025 ist der Umsatz von Rheinmetall um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen. Seit 2020 ist der Wert der Rheinmetall-Aktie um mehr als das 15-fache gestiegen. Nach dem Höhenflug, zunächst durch den Ukraine-Krieg ausgelöst, machte im März der Aktienwert einen noch größeren Sprung, als der abgewählte Bundestag das größte Aufrüstungsprogramm der BRD-Geschichte in Gang setzte.
Letzte Woche hat Rheinmetall in Unterlüß in der Südheide seine neueste Produktionsstätte eröffnet, um die dortige Waffenproduktion erheblich auszuweiten. Anwesend waren unter anderem Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD), Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Rund 350.000 155-Millimeter-Geschosse sollen hier künftig jährlich Europas größte Munitionsfabrik verlassen. Auch in Bulgarien soll ein Werk gebaut werden.
In Unterlüß stellte Rheinmetall bereits in der Nazizeit Munition her. Hier befand sich ein Außenlager des KZ Bergen-Belsen, in dem Tausende Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter eingesperrt wurden, die größtenteils für die Munitionsfabrik Zwangsarbeit verrichten mussten.
Zeitenwende und Kriegstüchtigkeit
Die Lieferung von Waffen ist nicht nur wegen der enormen Profite der Rüstungskonzerne von Bedeutung. Sie spielt auch für die strategischen Ziele des deutschen Staates eine Schlüsselrolle. Durch Exporte können Regierungen, Bewegungen und Gruppierungen in anderen Ländern gefördert werden, die die Interessen des deutschen Kapitals am meisten begünstigen. Gleichzeitig schafft es Abhängigkeiten, die es ermöglichen, diese Kräfte gezielt im eigenen Sinne einzusetzen. Hinzu kommt ein weiterer Effekt, der im Zuge der „Kriegstüchtigkeit“ besondere Wichtigkeit erlangt hat: Der umfangreiche Export von Rüstungsgütern garantiert nicht nur den Erhalt und die Weiterentwicklung modernster militärischer Technologien in Deutschland, sondern auch den Fortbestand beträchtlicher Produktionskapazitäten. Damit wird die Grundlage für eine schnelle Aufrüstung im eigenen Land gelegt.
Kanzler Merz hat die Interessen des deutschen Staates, dass die Bundesregierung „zukünftig alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellen wird, die die Bundeswehr braucht, um konventionell zur stärksten Armee Europas zu werden“, sehr klar formuliert. Das bedeutet bereits jetzt: 500 Milliarden Sondervermögen für kriegstüchtige Infrastruktur, Aufhebung der Schuldenbremse für das Militärbudget und 215 Milliarden im Jahr für Aufrüstung, was 5% des BIP entspricht und beinahe dem halben Bundeshaushalt gleichkommt.
Verteidigungsminister Boris Pistorius plant, die Zahl der Zeit- und Berufssoldaten bis 2035 auf 260.000 zu erhöhen. Außerdem soll eine Reservearmee von 100.000 „Mann“ bereitgehalten werden. An Schulen, auf Berufsmessen, durch Social-Media-Kampagnen und mit einer „neuen“ Wehrpflicht wird versucht, die Jugend für eine baldige deutsche Kriegsbeteiligung zu gewinnen bzw. sie dafür einzuziehen.
Deutschland an der Spitze Europas, nicht nur wirtschaftlich, nicht nur politisch, sondern nun auch ausdrücklich militärisch. Das ist es, was der deutsche Staat in der EU sieht: ein Mittel für seinen Aufschwung auf die Weltbühne. Als drittstärkste Wirtschaftsmacht der Welt und Führungskraft Europas möchte das deutsche Kapital nun endlich mit den ganz Großen um die Aufteilung der Welt konkurrieren.
Die Aufrüstung der Armee hat nichts, aber auch gar nichts mit der Sicherheit der Bevölkerung, der Arbeiter oder der Jugend zu tun. Im Gegenteil – die Rechnung dafür wird in jeder Hinsicht sehr schwer auf deren Schultern wiegen.

