Sedat Kaya
2025 war kein einfaches, aber ein bewegtes Jahr für die Jugend in Deutschland. Der Druck wuchs: Ständig bekam man zu hören, die Jugend sei „faul“, habe „zu hohe Ansprüche“ oder würde sich der „Verantwortung“ entziehen. Mit der sogenannten Zeitenwende solle sich auch die Jugend auf eine harte Zukunft einstellen: „Mit Vier-Tage-Woche und Work-Life-Balance werden wir den Wohlstand dieses Landes nicht erhalten können.“ (Friedrich Merz, Bundeskanzler, CDU). Arbeit sei eben kein „Ponyhof“ (Andrea Nahles, Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, SPD) und Deutschland kein „Freizeitpark“ (Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender, CDU). Bei Markus Lanz hieß es, die Jugend sei verweichlicht und habe keine Ausdauer und Disziplin, und in nicht wenigen Facebook-Kommentaren wird sich darüber gefreut, dass mit einer baldigen Wehrpflicht der Jugend endlich einmal ordentlich Gehorsam beigebracht werde. Begleitet wird all das von einer öffentlichen Debatte, in der junge und alte Menschen wegen der Ansprüche an die Rente gegeneinander in Stellung gebracht werden. Druck, Konkurrenz und Sorge vor der Zukunft prägen das Leben vieler Jugendlicher – aber auch die Hoffnung darauf, dass es besser werden kann.
Wie steht es um die Jugend wirklich?
Nicht nur wird in Deutschland so viel gearbeitet, wie schon lange nicht mehr (bei gleichzeitig zunehmender Produktivität), auch die Erwerbsbeteiligung junger Menschen wächst seit 2015 kontinuierlich an und erreichte neue Höchststände. Inzwischen gehen fast 76 % der jungen Menschen einer Beschäftigung nach; bei Studierenden ist es mehr als jeder Zweite, bei Nichtstudierenden fast 86 % (Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung). Die Vollzeitquote bei jungen Erwerbstätigen liegt mit 81 % sogar höher als bei der älteren Generation (Trendstudie „Jugend in Deutschland“).
Sie haben oft keine andere Wahl: Die Mieten steigen, fast alle Studierenden und Auszubildenden müssen mehr als die Hälfte ihres Einkommens für Miete ausgeben, der Führerschein kann inzwischen bis zu 5.000 Euro kosten und mit der Streichung von Maßnahmen wie dem Kulturpass für 18-Jährige werden sportliche und kulturelle Angebote immer weniger bezahlbar. Über drei Millionen Kinder und Jugendliche sind von Armut gefährdet, insbesondere Jugendliche aus Arbeiterfamilien und/oder mit Migrationshintergrund. Wer sich und/oder seine Familie über Wasser halten möchte, kann gar nicht anders, als zu arbeiten – oft unter harten Bedingungen und für zu wenig Geld.
Laut der Trendstudie fühlt sich etwa die Hälfte der jungen Menschen psychisch belastet. Viele resignieren jedoch nicht: Der Glaube an eine bessere Zukunft ist da – trotz wachsender Angst vor Krieg, steigenden Preisen, Umweltzerstörung und gesellschaftlicher Polarisierung. Dass die Bundesregierung das Richtige tue, glaubt allerdings nur noch eine Minderheit von 12 %. Es zeigt sich: Dass die Jugend faul sei und nicht arbeiten wolle, stimmt also nicht. Dass sie berechtigte Sorgen hat und die Bundesregierung kaum etwas dagegen unternimmt, hingegen schon. Und dass viele junge Menschen das nicht akzeptieren wollen, zeigen sie immer wieder – auch auf der Straße.
Jugend in Bewegung …
Zu Beginn des Jahres kamen mehrere Tausend Jugendliche in Berlin zu einer Demonstration im Gedenken an Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zusammen. Zehntausende beteiligten sich an Kundgebungen und Demonstrationen gegen Nationalismus und Rassismus im Vorfeld der Bundestagswahlen, später im Herbst auch als Reaktion auf die „Stadtbild“-Aussagen von Merz oder gegen die Gründung der AfD-Jugendorganisation „Generation Deutschland“. Die Klimastreiks gegen die Zerstörung der Umwelt wurden trotz der Überschattung durch andere Themen fortgeführt. Ebenso gingen viele junge Frauen am Internationalen Frauentag am 8. März und am Tag gegen Gewalt an Frauen am 25. November auf die Straße oder beteiligten sich im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen im öffentlichen Dienst an Aktionen der Gewerkschaften.
Besonders prägend war die Bewegung der Solidarität mit dem palästinensischen Volk, die viele Jugendliche – insbesondere mit Migrationshintergrund – zum ersten Mal politisiert und mobilisiert hat. Bei lokalen Kundgebungen sowie der zentralen Demonstration unter dem Motto „All eyes on Gaza“ am 27. September kamen über 100.000 Menschen zusammen, und es waren vor allem junge Menschen, die diese Aktionen getragen haben. Viele von ihnen waren auch bei den Ostermärschen und am Antikriegstag am 1. September wieder zu sehen, was Hoffnung auf eine zunehmende Verjüngung der sogenannten „traditionellen“ Friedensbewegung macht.
Am meisten Eindruck hinterließ jedoch der Schülerstreik am 5. Dezember. Über 55.000 Schüler in mehr als 90 Städten boykottierten ihren Unterricht und protestierten gegen die schrittweise Wiedereinführung der Wehrpflicht. Ganze Schulen und Klassen bereiteten sich trotz Versuchen der Schulleitungen, die Teilnahme zu verhindern, mit Schildern und Transparenten vor und beteiligten sich kollektiv an den Aktionen. Schüler gaben einander das Gefühl: Wenn wir zusammenstehen, können sie uns nicht einzeln bestrafen. Genau dieser Geist der Solidarität ist notwendig, um einen so massiven Angriff auf die Zukunft der Jugend – den Versuch, sie als Kanonenfutter für den Krieg zu gewinnen – abzuwehren.
Zahlreiche Gewerkschaftsjugenden haben bereits Stellung gegen die Wehrpflicht bezogen, und auch an den Universitäten gibt es inzwischen landesweite Bündnisse und Protestaktionen gegen Kürzungen im Hochschulbereich infolge von Aufrüstung sowie gegen die Militarisierung von Lehre und Forschung durch Angriffe auf die Zivilklauseln.
Die Jugend will eine Zukunft!
Für den weiteren Verlauf dieser Bewegung wird entscheidend sein, ob sie noch breitere Teile der Jugend erfasst und weiter zu einer Dynamik anwächst, die – wie bei den Schulstreiks – nicht nur die Straßen in Form von Kundgebungen und Demonstrationen füllt, sondern darüber hinaus auch das alltägliche Leben junger Menschen in Schule, Betrieb und Universität immer stärker zu Orten des Widerstands macht.
Sowohl bei den Bundestagswahlen als auch danach zeigte und zeigt sich deutlich eine steigende Orientierung an fortschrittlichen Ideen, und immer mehr Jugendliche machen den Schritt, sich politisch zu organisieren – in Konkurrenz allerdings zu einem wachsenden Einfluss nationalistischer und rassistischer Propaganda innerhalb der Jugend, z. B. durch Organisationen wie „Generation Deutschland“. Es ist die Aufgabe von allen – insbesondere von fortschrittlichen Jugendorganisationen und -gruppen –, alles daranzusetzen, diesen Prozess voranzubringen und die verschiedenen gesellschaftlichen Probleme in einen allgemeinen politischen Zusammenhang sowie in Bezug zu den alltäglichen Problemen der Jugend einzuordnen.
Vor allem gilt es, die Frage zu beantworten: Wie soll die Zukunft der Jugend in Deutschland aussehen? Soll sie in Richtung einer nationalistischen und militaristischen Politik der Bundesregierung gehen, die die Zukunft der Jugend angeblichen nationalen „Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen“ unterordnet und sie zu Kanonenfutter sowie billigen Arbeitskräften ohne eigenen Willen machen will? Oder wollen wir wirkliche Sicherheit für unsere Zukunft, indem wir für gute Arbeit, gute Bildung und eine lebenswerte Zukunft ohne Krieg, Umweltzerstörung, Ausbeutung und Diskriminierung kämpfen?
Das Jahr 2026 wird zahlreiche Möglichkeiten bieten, weiterzumachen, diese Fragen praktisch zu beantworten und dabei auch diejenigen zu entlarven, die die Jugend spalten und sie damit schwächen möchten. Denn das Jahr 2025 zeigt bereits: Der Druck auf die Jugend wächst – aber damit auch der Wille, den Widerstand zu organisieren!

