Suphi Sert
In den Medien wird von einer „repräsentativen Studie“ gesprochen – der Sinus-Studie, die Jugendliche Lebenswelten und –einstellungen kategorisiert und „Jugendtypen“ definiert. Hierfür wurden 72 Interviews im ganzen Bundesgebiet geführt, also statistisch repräsentativ ist die Studie sicherlich nicht. Daher sollten vor allem die Schlussfolgerungen der Verfasser mit Vorsicht genossen werden. Einige Ergebnisse können aber durch andere Studien gestützt werden und verlangen unsere Beachtung.
Laut der Jugendstudie sieht sich die Generation der 14 bis 17 Jährigen konfrontiert mit Leistungsdruck und Unsicherheit, zudem orientieren sie sich nicht an den Lebensentwürfen ihrer Eltern. Sie scheinen laut den Forschern immer auf Distanz zu ihren Eltern zu gehen und suchen eher die Anerkennung und den Rat ihrer Freunde. So werden Online-Netzwerke als „elternfreie Zone“ genutzt. Interessant ist die Schlussfolgerung der Studie, dass Jugendliche auf diese Unsicherheiten „weder mit Protest noch Pessimismus“ reagieren, sondern mit „Bewältigungsoptimismus“, zudem sei „Rebellion“ wohl kein Thema für die Jugend.
Die „Lebenswelten“
Die Verfasser der Studie kommen zum Ergebnis, dass es eine starke „Individualisierung der Lebenswelten“ gebe. Man könne sieben verschiedene Lebenswelten definieren. Doch: Wenn sich Lebenswelten unterscheiden, dann doch eher nur in zwei: reich und arm! Es sollte hierbei niemanden verwundern, dass sich die Schnittmengen zwischen arm und reich immer mehr verringern. Denn es ist eine allgemeine Entwicklung, welche die Gesellschaft durchmacht. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer größer und somit auch ihre Einstellungen. Erschreckend ist der Befund, dass Jugendliche vor allem aus der gehobenen und Mittelschicht eine Überfremdung befürchten, sich wie ihre Eltern, auch nach anderen Studien, abfällig über Hartz-IV-Empfänger und Jugendliche mit ausländischen Wurzeln äußern.
Dass Jugendliche sich sehr unsicher innerhalb der Gesellschaft fühlen, ein „Bedürfnis nach Sicherheit“ haben und einen guten Job wollen, sind demnach Schussfolgerungen, welche wohl nicht verneint werden können. Nur wäre es nicht richtig, wenn wir sagen: Jugendliche „sehen die hohen Anforderungen gleichzeitig als Herausforderung“ und dass sie daher früh ihr Leben planen, flexibel sind und sich nicht festlegen in ihrer Planung. Nein, die hohen Anforderungen, der Leistungsdruck und die heutige Bildungspolitik zwingt Jugendliche dazu, früh zu planen, ihre Jugend nicht auszuleben und flexibel zu sein und Statistiken zeigen, dass viele nicht mal die Möglichkeit bekommen, überhaupt an so was zu denken!
Die Jugend ist politisch
„Politikverdrossenheit nur auf dem ersten Blick“ ist eine treffende Aussage der Sinus-Studie, dies sehen wir auch auf vielen Demonstrationen gegen die herrschende Politik. Umwelt, Frieden oder Antifaschismus: Hier bildet die Jugend zumeist einen Großteil. Daher kann nicht behauptet werden, dass eine Rebellion keine Option für die Jugend von heute sei, sondern eher, dass sie es noch nicht genug tut.
Das Interesse und Vertrauen an institutionalisierter Politik, Parteien und Verbände ist verständlicherweise gesunken. Aber wem soll dies auch übel genommen werden. Es muss nur klar sein, wenn man etwas verändern will, muss man sich organisieren. Die kritische Haltung gegenüber Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft, sich einsetzen wollen und engagieren gegen soziale Probleme ist bei der Jugend, auch nach der Studie schon vorhanden.
