Yücel Özdemir
Seit dem Amtsantritt von Donald Trump als US-Präsident am Montag ist die wichtigste Frage in den europäischen Hauptstädten, wie die transatlantischen Beziehungen in den nächsten vier Jahren aussehen werden. Doch nicht alle Länder suchen die gleiche Antwort auf diese Frage. In Ungarn und Italien zum Beispiel, wo rechte und faschistische Kräfte an der Macht sind, gibt es mehr Beifall und Lob als Besorgnis und Vorbehalte. Sie wollen ihre Macht stärken und die Politik in Brüssel beeinflussen, indem sie den reaktionären Wind, der in den USA weht, für sich nutzen.
In seiner Glückwunschbotschaft an Trump kündigte der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban auf X an, er werde eine „patriotische“ Revolution in der EU starten und „Brüssel besetzen“. Die italienische Ministerpräsidentin Meloni war die einzige europäische Premierministerin, die an der Übergabezeremonie teilnahm.
Nationalistischer Rückenwind: Trumps Einfluss auf Europas politische Landschaft
Wegen der Unterstützung von Trump und seinem Berater Elon Musk könnten in der kommenden Zeit nationalistische, faschistische und rassistische Parteien in ganz Europa noch mehr an Macht gewinnen. Dies könnte unmittelbar dazu führen, dass die EU sich innerlich zersetzt und eine schwächere Union wird als zuvor. Diese Strategie verfolgen Trump und Co. nicht nur aus ideologischen Gründen, sondern auch wegen der Interessen der USA. Unabhängig davon, wer an der Macht ist, eine zersplitterte, schwache EU ist die grundlegende Strategie der US-Außenpolitik. Man geht davon aus, dass eine wirtschaftlich, militärisch und politisch harmonische EU ein starker Konkurrent für die USA sein könnte. Aus diesem Grund haben die USA dem Umgang mit einzelnen Ländern stets Vorrang vor der EU als Institution eingeräumt.
Es scheint, dass Trump, mit seiner nationalistischen „America First“-Strategie, Schritte unternehmen wird, die in den nächsten vier Jahren für Zwietracht innerhalb der EU sorgen werden.
Deutschland und Frankreich, die „Motoren“ der EU, und die Staats- und Regierungschefs der EU sind sich dessen ebenfalls bewusst. Deshalb haben sie bei Trumps Amtsantritt stets die Bedeutung der transatlantischen Beziehungen und die 400 Millionen Einwohner, den Markt und die gesamte Wirtschaftskraft der EU betont. Sie forderten Trump auf, dieser Macht Rechnung zu tragen.
Scholz und Macron: Ein geeintes Europa gegen Trumps „America First“-Politik?
Zwei Tage nach Trumps Amtsantritt stattete der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz Paris einen Kurzbesuch ab und traf sich mit Emanuel Macron. Scholz und Macron, die anlässlich des 62. Jahrestags des Vertrags von Elise zusammenkamen, der 1963 unterzeichnet wurde, um die Kriege zwischen Deutschland und Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg zu beenden und die Einheit der Interessen im Laufe der Geschichte zu gewährleisten, verkündeten die Botschaft eines „geeinten, starken und souveränen Europas“.
Es ist fraglich, ob die beiden Länder, die glauben, dass sie auf eine Reihe von Sanktionen, die Trump verhängt hat und die mit Zöllen beginnen, nur gemeinsam reagieren können. Denn beide Länder haben unterschiedliche Interessen, Abhängigkeiten und Konflikte mit den USA. Daher scheint es ihnen nicht möglich zu sein, in jeder Frage die gleiche entschlossene Haltung einzunehmen.
Wenn man dann noch bedenkt, dass die beiden Staats- und Regierungschefs, die in Paris eine Botschaft der europäischen Führung verkündet haben, beide „lahmende Enten“, die innenpolitisch im Sinkflug sind, wird die Situation noch komplizierter. Scholz wird sich nach dem 23. Februar von der Kanzlerschaft verabschieden und Macron hingegen hat seine parlamentarische Mehrheit verloren und hat keinen Rückhalt in der Bevölkerung.
Dennoch ist dem deutschen und französischen Kapital klar, dass sie gemeinsam gegen die USA vorgehen müssen. Deshalb wird der Prozess unabhängig von den Politikern weitergehen. Für den Fall, dass die Rechtsextremen beider Länder an die Macht kommen und mit dem Rückenwind von Trump an die Macht kommen, könnte sich das Bild teilweise aber ändern. Das Trump-Musk-Duo ist sich dessen bewusst und unterstützt im Interesse des Plans zur Destabilisierung und der Schwächung der EU offen die extreme Rechte in beiden Ländern.
Europas Herausforderung: Rechtsextreme Strömungen und die Schwächung der Union
Der Ausgang der vorgezogenen Wahlen am 23. Februar ist wichtig für die deutsche Politik. Friedrich Merz, der Parteivorsitzende der Christlich-Demokratischen Union (CDU), der voraussichtlich Bundeskanzler werden wird, verkündet ebenfalls Botschaften im Sinne von Scholz. Merz, der sich in Sachen Migration, Flüchtlinge und neoliberaler Politik nicht sonderlich von Trump unterscheidet, war viele Jahre Mitglied des Aufsichtsrates von Blackrock, einem der wichtigsten Investmentmonopole in den USA.
Trump, der in der europäischen Presse oft als „unberechenbar“ bezeichnet wird, ist für Merz völlig „berechenbar“. „Er tut, was er sagt“, sagte er einer Zeitung. Es ist also möglich, dass Merz’ Abkommen mit Trump harmonisch ausfallen wird. Am Weltwirtschaftsforum in Davos sagte derselbe Merz, dass er auch die Beziehungen mit der faschistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vertiefen werde.
Dies zeigt, dass er die extreme Rechte und Rassisten nicht einschränken wird. Dieser politische Ansatz bedeutet jedoch nicht, dass Merz die Interessen des deutschen Kapitals aufgeben und sich der Trump-Linie beugen wird. Im Gegenteil, er wird bei jedem Schritt, den er plant, die Interessen des deutschen Kapitals im Kampf um die imperialistische Neuaufteilung in den Vordergrund stellen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass Europa schwierige vier Jahre bevorstehen. Trump, der entschlossen zu sein scheint, die Interessen der USA in der Welt rücksichtslos durchzusetzen, wird einen Ansatz verfolgen, der auf seine Verbündeten herabschaut und sich auf seine eigenen Interessen stützt. Die harte Politik, die er gegenüber Europa verfolgen wird, indem er die europäischen Rechtsextremen unter seine Fittiche nimmt, schafft durch eine Anti-Trump-Stimmung auch die Voraussetzungen für eine neue antiimperialistische Welle.