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Red Storm Bravo – Hamburg probt den Kriegsfall

Paul Otto

Hamburg soll kriegstüchtig werden. Ab dem 25. September wird die Hansestadt zum Schauplatz der Bundeswehrübung Red Storm Bravo. Laut Manöverbeschreibung wird die Verlegung von hunderttausenden NATO-Soldaten und Militärfahrzeugen über Hamburg an die Ostfront simuliert. Hubschrauber werden über der Stadt kreisen und Militärkonvois durch die Innenstadt rollen. Hamburg wird für einige Tage zum Truppenübungsplatz, inklusive der zivilen Infrastruktur und der städtischen Behörden.

Die Hamburger Agentur für Arbeit nimmt an dem Kriegsmanöver teil. Deren Angestellte proben den Ernstfall und erfassen den Personalbedarf kriegswichtiger Betriebe. Geübt wird die Verpflichtung von Hamburger Bürgern zum Arbeitsdienst. Frauen können zum Dienst in einem Militärlazarett gezwungen werden. Arbeitsplatzwechsel, beziehungsweise Kündigungen durch Mitarbeiter sind nach dem Arbeitssicherstellungsgesetz ohne Genehmigung durch die Arbeitsagentur nicht mehr möglich. Das trifft Beschäftigte von kriegswichtigen Betrieben, darunter Krankenhäusern, Behörden wie die Hafenbehörde Hamburg Port Authority, dem Hamburger Verkehrsverbund HVV, der Hamburger Hafen und Logistik AG HHLA, Betrieben der Wasser- und Energieversorgung, IT-Dienstleistern, Telekommunikationsfirmen, der Post, Industrieunternehmen wie Airbus und Forschungseinrichtungen.

Einbindung der Zivilgesellschaft in die Kriegsvorbereitungen

Die Verzahnung von Behörden und Unternehmen mit der Bundeswehr erreicht eine neue Qualität. Generalleutnant Gerald Funke ist Befehlshaber des Unterstützungskommandos der Bundeswehr und damit für die zivil-militärische Zusammenarbeit verantwortlich. Am 17. April 2025 erklärt der Drei-Sterne-General in einem Interview mit dem Bundeswehrverband die Aufgaben des Unterstützungskommandos. Insbesondere soll der Aufmarsch der NATO-Truppen gegen den Feind über die ‘Drehscheibe Deutschland’ sichergestellt werden. Als Handlungsrahmen wird von ihm der Operationsplan Deutschland benannt.

Sein Kollege Generalleutnant Bodemann schilderte am 6. Februar 2024 gegenüber dem bundeswehreigenen Sender Radio Andernach das eigentliche Ziel des Operationsplans. Es geht um die Einbindung der Zivilgesellschaft in die Kriegsvorbereitungen. „Wie unterstützen wir als Gastland – als Host-Nation – die alliierten Kräfte, wenn sie durch Deutschland marschieren … Dann müssen sie versorgt werden mit Frischwasser, mit Betriebsstoff, mit Verpflegung, mit sanitätsdienstlicher Versorgung.“ Generalleutnant Funke konkretisiert „Host Nation Support zeichnet sich gerade dadurch aus, dass eben nicht nur auf militärische Kräfte zugegriffen wird, sondern insbesondere auch auf zivile. Dies können zivilgewerbliche Leistungen sein, die Bundespolizei, das THW (Technische Hilfswerk) oder das Deutsche Rote Kreuz.”

Erster Bürgermeister propagiert die zivil-militärische Zusammenarbeit

In einer Rede des Ersten Bürgermeisters Peter Tschentscher anlässlich des Veteranentages am 15. Juni 2025 betont dieser „Die Bundeswehr und die Stadt Hamburg erkennen ihre gemeinsame Verantwortung, die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands zu stärken durch wechselseitige Unterstützung und eine gute zivil-militärische Zusammenarbeit“. „Bei der Übung Red Storm Bravo im September trainieren das Landeskommando Hamburg und weitere Einheiten der Bundeswehr gemeinsam mit den zivilen sogenannten Blaulichtorganisationen wie der Feuerwehr, dem Technischen Hilfswerk, der Polizei sowie weiteren Behörden und zivilen Institutionen.“

Festzustellen ist, dass der Operationsplan Deutschland alle Behörden und zivilen Stellen den militärischen Bedürfnissen unterordnet. Unter Kriegsrecht soll die Gesellschaft gleichgeschaltet werden. Es ist mehr als bedenklich, wenn jetzt Organisationen wie das THW mit seinen 88.000 ehrenamtlichen Helfern in Manöverübungen der Bundeswehr integriert werden.

Nein zur NATO-Übung – Hamburg pfeift auf das Militär

Unter diesem Motto findet am 27. September eine Demonstration gegen das Militärmanöver statt. In dem Aufruf heißt es „Mitte September soll zum zweiten Mal eine NATO-Großübung, dieses Mal unter dem Codenamen Red Storm Bravo durchgeführt werden – mitten in Hamburg. … Zweck des Ganzen ist es, auszuloten, inwieweit die Bevölkerung einen NATO-geführten Krieg gegen Russland mitzumachen bereit ist. … Die gesamte Stadtöffentlichkeit soll an den Kriegszustand gewöhnt und damit schrittweise die Zustimmung zum Unzustimmbaren hergestellt werden. … Für den Ernstfall sieht der Operationsplan Deutschland eine umfassende Aushebelung der Grundrechte vor, die einer Generalmobilmachung gleichkommt. Daher ist völlig klar: Ohne die militärische Indienstnahme der Zivilbevölkerung ist der Krieg nicht führbar!“

Und das ist dann auch der Knackpunkt für alle Kriegsherren. Ohne Kadavergehorsam der Soldaten und ohne die Mitwirkung der Zivilbevölkerung lässt sich kein Krieg gewinnen. Um den Umgang mit einer widerständigen Zivilbevölkerung zu üben, lässt der Kommandeur des Landeskommandos Hamburg, Kapitän zur See Kurt Leonards die Bundeswehr eine Protestdemonstration gegen das Militärmanöver inszenieren. Das unter Mitwirkung des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz erstellte Grünbuch ZMZ 4.0 geht von einem erheblichen Widerstand gegen einen von Deutschland geführten Krieg aus. „Friedensaktivisten und NATO-Gegner von links und rechts rufen zu Demonstrationen und Blockaden von Brücken und Grenzübergängen auf, um einen Krieg mit Russland zu verhindern.“ Zudem führen „Brandanschläge auf Stromverteilerkästen der Deutschen Bahn … zu Unterbrechungen des Güterverkehrs“.

Der Hauptfeind jedes Volkes steht in seinem eigenen Land!

Diese Aussage von Karl Liebknecht aus dem Jahr 1915 hat nach wie vor seine Gültigkeit. Erneut soll die ganze Gesellschaft in einen Krieg geführt werden. Mit Milliarden für die Rüstungsindustrie und die kriegsnotwendige Infrastruktur versucht der deutsche Staat Wirtschaftswachstum zu erzeugen und die kapitalistische Expansion wieder in Gang zu bringen. Staat und Kapital wollen dem maroden kapitalistischen Wirtschaftssystem durch Menschenopfer frisches Blut zuführen. Wieder soll in den Schützengräben eine kapitalistische Verwertungskrise überwunden werden.

1947, zwei Jahre nach Beendigung des zweiten Weltkriegs, forderte der Hamburger Schriftsteller Wolfgang Borchert seine Mitmenschen auf, die Teilnahme an künftigen Kriegen zu verweigern „Du. Mann auf dem Dorf und Mann in der Stadt. Wenn sie morgen kommen und dir den Gestellungsbefehl bringen, dann gibt es nur eins: Sag NEIN!“ Soldaten, welche sich gegen den Weg ins Schlachthaus entscheiden, Schießbefehle verweigern und desertieren, sind die wahren Helden. Das gleiche gilt für alle standhaften Bürgerinnen und Bürger, welche zivilen Widerstand auf der Straße und am Arbeitsplatz leisten. Eine Gesellschaft, die Kriege vorbereitet, ist nicht die unsere!

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