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September-Krise in Frankreich: Wenn Bayrou fällt, könnte Macron an der Reihe sein

Ali Rıza Yıldırım

Die Regierung Bayrou, die in Frankreich mit einem Sparpaket in Höhe von 44 Millionen Euro in die Kritik geraten ist, hat mit einem Vertrauensvotum einen Schritt nach vorne gemacht. Sollte die Regierung jedoch stürzen, könnte Macron als Nächster an der Reihe sein.

Straßburg – Der von Premierminister François Bayrou vorgelegte Sparplan stieß nicht nur im Parlament, sondern auch in weiten Teilen der Bevölkerung auf große Ablehnung. Das 44 Milliarden Euro schwere Paket zur Schließung der Haushaltslücke umfasst Maßnahmen wie die Streichung von zwei Feiertagen, das Einfrieren der öffentlichen Ausgaben und die Nichtanpassung der Renten und Steuerklassen. Diese Maßnahmen werden von weiten Teilen der Bevölkerung als offener Angriff auf die Arbeiterklasse angesehen.

Die Wirtschaftsdaten verdeutlichen das Ausmaß der Krise. Das Haushaltsdefizit Frankreichs liegt bei 5,8 Prozent, die Staatsverschuldung hat 113 Prozent des BIP erreicht. Die Regierung Bayrou versucht, diese Last auf die Schultern der Arbeitnehmer zu verlagern. Für die Arbeitnehmer sind jedoch Arbeitslosigkeit, niedrige Löhne, steigende Mieten und Kürzungen im öffentlichen Dienst das Problem. Für Arbeitgeber und Finanzkreise hingegen geht es um das Vertrauen in die Märkte und die Kreditwürdigkeit des Staates.

Bayrou kündigte an, dass am 8. September im Parlament eine Vertrauensabstimmung stattfinden werde. Dieser Schritt wird als Manöver gewertet, um die Welle der Wut zu bremsen, die angesichts der in diesem Monat wahrscheinlichen Straßenproteste, die außerhalb der Kontrolle der Gewerkschaften stattfinden, zu eskalieren droht.

Rücktrittsforderungen und Druck auf Macron

Darüber hinaus liefern Meinungsumfragen noch eindrucksvollere Ergebnisse. Laut einer von Elabe für BFM TV durchgeführten Umfrage wünschen sich 67 % der Franzosen den Rücktritt von Präsident Emmanuel Macron. In verschiedenen Studien fordert ein Anteil zwischen 56 und 69 Prozent vorgezogene Neuwahlen. Ein bedeutender Teil der Bevölkerung vertraut nicht nur Bayrou, sondern auch Macron nicht.

Auch auf der politischen Bühne zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. Die Rassemblement National (RN), die Grünen, die Sozialisten und La France Insoumise (LFI) haben erklärt, dass sie Bayrou nicht unterstützen werden. LFI-Chef Jean-Luc Mélenchon betonte, dass nicht Bayrou, sondern Macron gehen müsse. Mélenchon steht mit dieser Forderung nicht mehr allein da. Auch innerhalb der rechten Parteien werden ähnliche Stimmen laut. Einige Minister, darunter Justizminister Gerald Darmanin, sprechen sogar von vorgezogenen Neuwahlen als Ausweg. Dies zeigt, dass Macrons politische Isolation immer größer wird.

Die Märkte sind in Alarmbereitschaft

Die Wirtschaft gibt gleichzeitig einen weiteren Alarm. Mit Bayrous Vertrauensvotum verlor der Börsenindex CAC 40, der die 40 größten Unternehmen Frankreichs umfasst, an Wert. Die Aktien der größten französischen Banken BNP Paribas und Societe Generale fielen um mehr als 6 %. Die Rendite von Staatsanleihen (Staatsschuldverschreibungen) stieg auf den höchsten Stand seit März. Kapitalkreise sehen die Schwächung der Regierung als Instabilität an. Für die Arbeitnehmer ist Instabilität jedoch eine alltägliche Realität. Für Arbeitnehmer, die ihre Rechnungen nicht bezahlen können und Schwierigkeiten haben, ihre Miete zu bezahlen, bleibt die Sorge der Märkte abstrakt.

Die Reaktion der Arbeitnehmer wächst, die Gewerkschaften hingegen drücken die Bremse

Diese Krise findet nicht nur in den Fluren des Parlaments, sondern auch auf der Straße Ausdruck. Zwei Tage nach Bayrous Vertrauensabstimmung wurde am 10. September in den sozialen Medien zu einer großen Aktion aufgerufen. Die Aktion unter dem Motto „Lasst uns alles stoppen” wird von einigen linken Parteien unterstützt.

Nach einem Treffen der Gewerkschaften haben jedoch Gewerkschaften wie CGT, FO, FSU und Solidaires, anstatt sich dem Aufruf vom 10. September anzuschließen, einen neuen Termin für den 18. September bekannt gegeben. Dieser Schritt verschafft Macron eine Atempause und spaltet den gemeinsamen Kampf der Arbeiterklasse. Wie schon in der Vergangenheit bei den Gelbwesten und beim Widerstand gegen die Rentenreform wird versucht, die Wut der Massen unter dem Deckmantel des „sozialen Dialogs“ zu unterdrücken.

Wenn Bayrou fällt, geht auch Macron

Es ist sehr wahrscheinlich, dass Bayrou fällt. Die eigentliche Debatte konzentriert sich jedoch auf Macrons Zukunft. Umfragen und politische Prognosen zeigen, dass zwei Drittel der Bevölkerung Macrons Rücktritt fordern. Für die Arbeiterklasse geht es nicht mehr nur darum, ob die Regierung geht oder bleibt, sondern darum, wer die Rechnung für die Krise bezahlt.

Macron könnte erneut eine „Regierung der Verlierer” bilden oder sogar erneut das Parlament auflösen. Dies könnte der extremen Rechten Vorteile verschaffen. Trotz der Bemühungen der Partei La France Insoumise (LFI) setzt Macron keineswegs seinen Rücktritt auf die Tagesordnung.

Die nackte Wahrheit der Krise

Auf der einen Seite Milliarden für das Kriegsbudget, 211 Milliarden an Subventionen für die Arbeitgeber, auf der anderen Seite Sparmaßnahmen für die Arbeitnehmer… Dieses Bild zeigt die nackte Wahrheit der Krise in Frankreich. Wenn die Arbeitnehmer ihre Forderungen mit Nachdruck auf die Straße tragen, könnte dies den Weg für eine Lösung ebnen, die nicht den Arbeitgebern, sondern den Arbeitnehmern zugutekommt.

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