Kamil Tekin Sürek
Die AKP weiß, dass sie bei der nächsten Wahl die Macht verlieren wird. Deshalb will sie nicht, dass sich ein starkes Machtbündnis gegen sie bildet. Die AKP versucht, mit Hilfe der Justiz und der Polizei die Opposition zu schwächen. Das sind keine Analysen oder politischen Prognosen mehr, sondern unumstößliche Tatsachen. Eine weitere Tatsache ist, dass das Bündnis der Volksallianz (Cumhur İttifakı) in der Türkei eine Diktatur nach dem Vorbild Saddams, Assads, Ben Alis oder Mubaraks errichten wollen. Und nicht nur in der Türkei – auch im Nachbarland Syrien streben sie nach einer solchen Diktatur.
Seit einem Jahr zeigt sich dieses diktatorische Bestreben in den rechtswidrigen Repressionen gegen die Republikanische Volkspartei (CHP), in den Einschränkungen gegenüber oppositionellen Sendern, Zeitungen und in den Angriffen auf die sozialen Medien.
Es ist absurd, darüber zu diskutieren, ob das, was der CHP angetan wird, rechtmäßig ist oder nicht. Die Einsetzung von Zwangsverwalter in Kommunen wurde mit dem Ausnahmezustand nach dem Putschversuch von 2016 eingeführt. Ursprünglich war dies für zwei Monate gedacht und nur gegen Mitglieder der Gülen-Bewegung. Doch es wird nun seit neun Jahren praktiziert. Im Kern diente es dazu, die politische Repräsentation des kurdischen Volkes in den Kommunen zu verhindern. Heute wird dieses Mittel auch gegen die CHP eingesetzt.
Die Annullierung eines Parteitags durch ein Zivilgericht wiederum war schon einmal ein Instrument, um zu verhindern, dass MHP Vorsitzender Bahçeli nicht an die Spitze der MHP gewählt wird – und so wurde die Grundlage für die Volksallianz (Cumhur İttifakı) geschaffen. Heute dient die gleiche Methode dazu, die CHP handlungsunfähig zu machen, von den eigentlichen Problemen abzulenken und die Partei zu schwächen.
Welche Personen eine Partei führen, wird durch das Parteienrecht bestimmt. Wenn sich der Staat oder die Justiz einmischen, widerspricht das der Demokratie und dem Recht. Bei Parteitagen werden Wahl- und Zählverfahren sowie die Entscheidung über Einwände ohnehin von den Bezirks- und Provinzwahlkommissionen unter Aufsicht des oberen Wahlrats (YSK) durchgeführt. Falls während des Parteitags ein Rechtsbruch die Wahlergebnisse beeinflussen könnte, entscheidet die Wahlkommission. Wenn während des Parteitags zu einem Rechtsbruch kommt, das die Wahlergebnisse beeinflussen könnte, entscheidet die Wahlkommission. Wenn ein Parteitag annulliert wird, muss er so schnell wie möglich mit denselben Delegierten wiederholt werden. Bis dahin führt das Präsidium die laufende Arbeit und bereitet den neuen Parteitag vor. Ein Richter kann keinen Zwangsverwalter ernennen – tut er es doch, stellt er sich auf die Seite einer Parteifaktion.
So geschehen im Fall des Istanbuler CHP: Das Gericht setzte die gesamte Leitung ab und ernannte fünf Personen – vorgeschlagen von dem Kläger – als Vorsitzende, Vorstand und Disziplinarkommission. Damit stellt sich der Richter faktisch auf die Seite des Klägers gegen die gewählte Parteiführung. Zudem wurde keine Frist gesetzt. Da Prozesse vor Zivilgerichten Jahre dauern, soll dieses fünfköpfige Gremium (zwei sind bereits zurückgetreten, also faktisch drei) den CHP in Istanbul bis zum nächsten Parteitag führen. Das Absurde daran: Diese drei sollen zugleich den Vorstand und die Disziplinarkommission stellen. Dabei schreibt das Parteiengesetz klar vor, dass Mitglieder der Disziplinarkommission keine Vorstandfunktion übernehmen dürfen. Nach der Logik des Richters sollen sie jedoch Berichte erstellen, die als Anklageschriften gelten, Parteimitglieder an die Disziplinarkommission verweisen – und dann in derselben Rolle über deren Strafen entscheiden.
Kein einziges Mitglied der CHP in Istanbul unterstützt dieses dreiköpfige Treuhändergremium. Wäre es anders, würden Gürsel Tekin und seine Mitstreiter die Parteimitglieder hinter sich versammeln und in die Parteizentrale einziehen. Stattdessen versucht Tekin, mit Hilfe von Polizeiknüppeln, Barrikaden, Wasserwerfern, der Regierungspropaganda und Regierungsvertretern in die Partei einzudringen. Die Mitglieder des Istanbuler CHP hingegen verteidigen ihre Parteizentrale. Doch die Polizei versucht, die Parteimitglieder am Betreten ihrer eigenen Gebäude zu hindern. Juristisch gesehen ist das Okkupation. Man stelle sich vor: Sie wollen Ihr eigenes Haus betreten, aber die Polizei verweigert Ihnen den Zutritt und setzt stattdessen jemand anderen hinein.
Dieser staatliche Übergriff wird in die Geschichte eingehen. Die Parteien der Volksallianz (AKP und MHP) werden als faschistische Parteien in Erinnerung bleiben – Parteien, die okkupieren, Kommunen Zwangsverwalten und Polizei und Justiz einsetzen, um die Opposition und die Presse auszuschalten.
Doch der Kampf gegen den Faschismus geht weiter. Wenn sich alle demokratischen Kräfte in einem gemeinsamen Programm zusammenschließen, können wir die Errichtung einer faschistischen Diktatur verhindern. Die Geschichte kennt viele Beispiele des antifaschistischen Widerstands. Auch in der Türkei gibt es heute die Möglichkeit, ein neues Beispiel dafür zu schaffen.

