Seit drei Monaten bekommen die Arbeiter*innen von Şık Makas keine Löhne. Die Textilfabrik befindet sich in der Stadt Tokat. Seit dreizehn Tagen protestieren sie vor der Fabrik. Trotz ihrer wirtschaftlichen Notlage führen die Beschäftigten Ihren Kampf fort. Außerdem kämpfen sie für die Anerkennung Ihrer Gewerkschaft der Birtek-Sen und deren Betätigung im Betrieb.
Şık Makas produziert für internationale Bekleidungsriesen wie Zara, Levi’s, H&M und Jack Jones
Die Arbeiter, die vor der Fabrik stehen, erzählen uns von den Veränderungen, die sie in den letzten 13 Tagen erlebt haben, und davon, was ihnen der Widerstand gebracht hat. Eine Arbeiterin, die seit Beginn des Protestes an vorderster Front steht, beschreibt die Hoffnungslosigkeit der ersten Tage wie folgt: „Ich war eine Person, die still vor sich hin arbeitete und sich um ihre Arbeit kümmerte. Als wir vor die Tür gestellt wurden, wussten wir zunächst nicht, was wir tun sollten. Alle standen still in einer Ecke. Aber dann haben wir verstanden, dass wir alleine nichts ausrichten können. Alleine bringen sie uns zum Schweigen. Wenn wir uns zusammenschließen und entschlossen sind, kann uns niemand besiegen. Wir haben gesehen, dass wir Erfolg haben werden, wenn wir zusammenhalten und uns nicht im Stich lassen.“
„Wir haben nicht gestohlen, wir haben nur wie Tiere geschuftet.“
Mine Ceylan, die seit acht Jahren in der Fabrik arbeitet, wurde zusammen mit ihrem Mann entlassen. Ceylan sagte, dass sie sowohl wirtschaftlich als auch emotional erschöpft seien: „Mein Mann und ich arbeiten seit acht Jahren hier. Wir wohnen zur Miete und haben zwei Kinder. Seit drei Monaten kümmern sich meine Schwiegereltern um uns. Unsere Bankkonten sind leer, wir können uns kein Benzin leisten. Vielleicht haben wir morgen kein Geld mehr, aber wir bleiben bis zum Schluss hier. Sie haben uns aufgrund von Artikel 22 entlassen, aber wir haben nicht gestohlen, wir haben nichts geklaut, wir haben nichts geraubt.“
„Frauen kämpfen immer“
Mine Ceylan erklärt, dass ihre Erfahrungen Teil der gemeinsamen Probleme von Arbeiterinnen seien, und ruft dazu auf: „Frauen kämpfen ständig, versuchen, sich zu behaupten. Der Kampf, den wir hier führen, ist nicht nur für uns selbst, sondern für uns alle.“
Am Freitag den 17.Oktober führten die Arbeiter*innen mit Ihren Familien im Stadtzentrum von Tokat eine Kundgebung durch. Eine Demonstration war auch geplant aber diese wurde durch ein Polizeieinsatz und den Behörden unterbunden. Ein Arbeiter von Şık Makas sagte angesichts der Polizeibarrikade dem sie ausgesetzt waren: „Sie versuchen, uns in den Augen der Öffentlichkeit als kriminelle darzustellen. Es wäre gut gewesen, wenn die Polizei uns nicht daran gehindert hätte, aber wir werden uns nicht mit der Polizei anlegen. Wir bringen unsere Forderungen auf dem Platz zum Ausdruck.“
Sultan Arıcı, die im Namen der Arbeiter*innen auf der Kundgebung sprach, betonte, dass der Besitzer der Fabrik, die 2015 den Betrieb aufgenommen hatte, Tausende von Arbeitern um ihre Löhne gebracht und damit die Bevölkerung von Tokat und ihre Familien geschädigt habe. „Die Fabrik in Tokat wurde mit staatlichen Fördermitteln und Unterstützung fast ohne Kosten errichtet”, sagte sie.“
Weiter wurde auf der Kundgebung erwähnt das der Chef von Şık Makas jedes Jahr seinen Gewinn steigert und Şık Makas zu den größten Industrieunternehmen der Türkei gehört, sagt Arıcı: „All das hat er auf unsere Kosten gemacht. Damit wir uns nicht zu Wort melden, hat er die Gewerkschaft Öz İplik İş, die mit ihm zusammenarbeitet, in den Betrieb gebracht. Jahrelang hat er uns für den nackten Mindestlohn und ohne soziale Rechte arbeiten lassen. Jahrelang haben wir für einen Lohn unterhalb der Armutsgrenze gearbeitet, Überstunden über Überstunden gemacht und wurden dabei unter Druck gesetzt und gemobbt. Er hat sogar unseren Mindestlohn ins Visier genommen. Als sich unsere drei Monatslöhne angesammelt hatten, haben wir gehandelt. Wir haben von unserem gesetzlichen Recht Gebrauch gemacht, die Arbeit zu verweigern.“
Arıcı betonte, dass die Gewerkschaft Öz İplik İş in den Kämpfen um die Durchsetzung ihrer Rechte auf der Seite des Arbeitgebers stand und nicht auf ihrer Seite. „Der Arbeitgeber sagte uns, dass er in einer schwierigen Lage sei und kein Geld habe. Wir traten aus der Gewerkschaft Öz İplik İş aus, die mit dem Arbeitgeber zusammenarbeitete und uns verriet, und traten der von Arbeitern gegründeten und geführten Gewerkschaft BİRTEK-SEN bei. Während wir um unsere Monatsgehälter kämpften, entließ uns der Chef mit Code 22, sodass wir nicht einmal Arbeitslosengeld beziehen konnten. Danach nutzte die Gewerkschaft Öz İplik İş dies sogar aus und sagte uns: „Wenn ihr Arbeitslosengeld beziehen wollt, müsst ihr aus der Gewerkschaft BİRTEK-SEN austreten, euch mit dem Chef einigen und dann bekommt ihr eure Forderungen nach Monaten bezahlt.“ Wir haben uns den Machenschaften des Chefs und der gelben Gewerkschaft widersetzt und unseren Kampf fortgesetzt. Jetzt steht uns auch die Provinzverwaltung gegenüber, die den Arbeitgeber schützt. Jedoch machen wir weiter, wenn wir als Arbeiter von Şık Makas unseren Kampf gewinnen, wird unser Widerstand auch für die Arbeiter in anderen Fabriken ein Vorbild sein.
Dieser Artikel erschien vor kurzem in der sozialistischen Zeitung EVRENSEL die in der Türkei täglich erscheint.
Übersetzung/Bearbeitung: Mahir Şahin