Ende November soll auf dem Grünen-Parteitag ein neuer Politikkurs für die Bundespartei verabschiedet werden. In Hannover wolle man sich wieder mehr auf die Klimapolitik besinnen und stellt einen Leitantrag, der mehr kosmetische Forderungen als echten Klimaschutz beinhaltet. Dieses Vorgehen reiht sich in den Kreislauf der Grünen ein: Klimapolitik wird nur in der Opposition betrieben.
Alev Bahadır
Nach dem Zusammenbruch der Ampel-Regierung haben sämtliche beteiligte Parteien an Zustimmungswerten verloren. Die SPD fuhr ihr historisch schlechtestes Ergebnis bei der Bundestagswahl 2025 ein, die FDP schaffte den Wiedereinzug in den Bundestag nicht. Auch die Grünen verloren im Vergleich zu den Wahlen 2021 3,1 Prozentpunkte und landeten in der Opposition. Mit dem Rückzug Robert Habecks aus dem Bundestag und nach Annalena Baerbocks Berufung zur Präsidentin der UN-Generalversammlung sind auch die letzten bekannten Gesichter der Ampel-Grünen weg, also Zeit für einen neuen Anstrich.
„Kurs Zukunft – sozial gerecht aus der fossilen Abhängigkeit“ heißt der Antrag des Bundesvorstands, der sich hohe Ziele setzt. Nach einer Erklärung, welche historischen Weichen die Grünen in der Ampelregierung für den Klimaschutz gestellt hätten und der Ankündigung, dass die schwarz-rote Regierung all das zunichte mache, erklärt der Bundesvorstand, wie er sich Klimapolitik vorstelle. Wer hier ernsthafte Veränderungen sucht, wird aber enttäuscht. Stattdessen folgt eine Aufwärmung des alten Programms: Wärmepumpen, „Green Deal“, „Green Tech“, Emissionszertifikate (ETS) usw. Garniert wird der Antrag mit Schlagworten, wie „soziale Gerechtigkeit“, „Rückkehr zum 49-Euro-Ticket“ uvm. Dabei versuchen die Grünen zu kaschieren, dass sie in den vergangenen vier Jahren (und auch in der Regierungsbeteiligungen zuvor) wenig für Klimaschutz oder soziale Gerechtigkeit gemacht haben. Der ETS-Handel z.B. ist mit so niedrigen Kosten angesetzt, dass Unternehmen fleißig weiterhin CO2 ausschütten, Wärmepumpensubventionen sind nur für Eigenheimbesitzer oder Vermieter lukrativ, aber nicht für Menschen, die zur Miete wohnen. Und schlussendlich wurden unter Regierungsbeteiligung der Grünen Waffen und Munition in Kriegsgebiete, wie der Ukraine oder nach Israel geschickt, wo sie gegen tausende Menschen eingesetzt wurden und die Umwelt in diesen Regionen ebenfalls zerstört haben. Und auch das Deutschlandticket wurde unter der Ampel nicht günstiger – sondern immer teurer.
Klimaschutz ohne grundlegende Kritik am Kapitalismus und seine Umwelt- und Menschen-zerstörende Profitmaximierung zu üben, ist zu diesem Zeitpunkt der globalen Erwärmung, wie grüne Farbe auf eine von Schimmel übersäte Wand zu klatschen. Das Problem sitzt nämlich nicht an der Oberfläche, sondern tief im System. Doch pünktlich zu ihrer Oppositionsrolle machen die Grünen das, was sie immer machen: Kriegsbeteiligung, soziale Kürzungen und Umweltzerstörung unter ihrer Beteiligung „vergessen“ machen und sich den grünen Button anpinnen. Vor der Bundestagswahl 2021 beteiligten sich grüne Spitzenpolitiker plötzlich an Protesten gegen Waldabholzungen, die sie teilweise selbst als Landesregierungsmitglieder mitbeschlossen hatten. Nachdem sie an zahlreichen Kriegsbeteiligungen Deutschlands beteiligt waren, verkauften sie sich dennoch als „Friedenspartei“. Denn auch die Grünen-Spitze weiß: Themen, wie soziale Gerechtigkeit bringt man weniger mit den Grünen in Verbindung, Klimaschutz schon eher. Und im kommenden Jahr stehen mehrere wichtige Landtagswahlen an, so z.B. auch die Wahl in Baden-Württemberg, wo die Grünen den Ministerpräsidenten stellen. Die Umfragewerte zeigen sie aktuell aber hinter CDU und AfD. Also wird die grüne Farbe ausgepackt, ob es funktioniert, ist fragwürdig. Denn auch viele (junge) Menschen wissen heute: wer grün wählt, bekommt keine grüne Politik.

