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Unionsparteien fordern schnellere Abschiebungen syrischer Geflüchteter

Dilan Baran

Die Debatte um die Rückführung syrischer Geflüchteter hat an Schärfe und Intensität gewonnen. Die Unionsparteien erhöhen den Druck auf die Bundesregierung, die Abschiebungen zu beschleunigen. Die humanitäre und politische Lage in Syrien bleibt hingegen weiterhin ungewiss und katastrophal.

Uneinigkeit zu Syrien im Bundestag

Die Äußerungen von Außenminister Johann Wadephul, Abschiebungen nach Syrien seien aufgrund der aktuellen Verhältnisse „nur sehr eingeschränkt möglich“, sorgten für Aufregung und einen Sturm der Entrüstung unter den Unionspolitikern. Jens Spahn, Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag, kritisierte Wadephuls Haltung als schädlich für das Image der Koalition. Bundeskanzler Friedrich Merz stellte klar, dass es „keinerlei Gründe mehr für Asyl in Deutschland“ gebe und forderte eine konsequente Rückführung.

Nahrungsunsicherheit, Zerstörung, Massaker

In Syrien sind die Lebensbedingungen nach wie vor dramatisch. Über 16 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, während Millionen unter akutem Nahrungsmangel leiden. Die Zerstörungen, die der Bürgerkrieg hinterlassen hat, machen eine Rückkehr für viele unmöglich. Berichte über Massaker und Gewalt gegen Minderheiten verdeutlichen zudem, dass die Sicherheitslage im Land alles andere als stabil ist.

Im März etwa kamen bei Massakern, die die neuen syrischen Repressionsapparate sowie ihnen nahe stehende Milizen an der religiösen Minderheit der Alawiten vor allem an der Mittelmeerküste verübten, vermutlich rund 1.400 Menschen zu Tode. Bis heute werden immer wieder Gewalttaten bis hin zu Morden an Alawiten, wie zuletzt am 27. Oktober gemeldet. Im Juli erschütterte erneut Massengewalt das Land, als es in Suweida im Süden Syriens zunächst zu Kämpfen zwischen den dort ansässigen Drusen sowie Beduinen gekommen war. Anschließend misshandelten und töteten die Repressionsapparate zahlreiche Drusen. Insgesamt waren rund 1.650 Todesopfer zu beklagen. Zudem wird immer wieder von Gewalttaten syrischer Jihadisten berichtet; der IS ist nach wie vor im Land aktiv. Anfang Oktober kam es im nordsyrischen Aleppo wiederum zu Kämpfen zwischen den syrischen Staatskräften und Einheiten der Kurden.

Syrische Geflüchtete in Deutschland

Die politische Debatte um die dringenden Rückführungen syrischer Geflüchteter stehen im starken Kontrast zur realen Situation und entlarven sich damit als reine Nebelkerzen. Ende 2023 lebten fast 972.500 Syrer in Deutschland. Im vergangenen Jahr erhielten 83.150 Syrer einen deutschen Pass. Ohne Duldungsstatus und damit ausreisepflichtig sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums gegenwärtig lediglich 920 Syrer.

Es kommt hinzu, dass bei einer Erwerbstätigenquote von 71% unter Syrern mehr als ein Drittel aller abhängig Beschäftigten in sogenannten Engpassberufen tätig sind; das sind Berufe, in denen „Stellen aktuell besonders schwierig zu besetzen sind. Dazu zählten unter anderem auch „Sozial- und Gesundheitsberufe; so seien rund 5.300 Syrer „als angestellte Ärztinnen und Ärzte tätig. Syrer arbeiteten außerdem häufig in Berufsfeldern wie der Logistik oder der Bauelektrik, in denen Fachkräfte fehlten. Zu bedenken sei auch, dass Einwohner mit syrischer Staatsangehörigkeit weit überdurchschnittlich jung seien; sie bildeten – auch mit Blick auf das Altern der deutschen Bevölkerung – für die Zukunft „ein großes Fachkräftepotenzial.

Deutschlands Verantwortung

Die Verantwortung Deutschlands für die katastrophalen Verhältnisse in Syrien ist nicht von der Hand zu weisen. Die Bundesregierung unterstützte bereits 2011 den Aufstand gegen Präsident Bashar al Assad – und trug damit dazu bei, den Bürgerkrieg zu schüren, der Syrien verwüstete. Ab 2017 stärkte sie den Jihadisten der Organisation Hayat Tahrir al Sham (HTS) unter dem heutigen Präsidenten Ahmed al Sharaa in ihrem Rückzugsort Idlib den Rücken und trug damit dazu bei, den HTS-Feldzug vom Herbst 2024 zu ermöglichen, der Islamisten – erbitterten Gegnern der zahlreichen syrischen Minderheiten – den gewaltsamen Weg an die Macht in Damaskus bahnte.

Im heutigen, unter HTS-Kontrolle stehenden Syrien, werden nicht nur Angehörige von Minderheiten von Milizen, die dem Staat direkt unterstellt sind, erniedrigt, verfolgt, entführt und massakriert. Der sogenannte Islamische Staat (IS) findet auch den Nährboden, auf dem er weiter erstarken und gezielte Angriffe, unter anderem auf die Ölinfrastruktur, verüben kann. Jüngst erklärte das Oberkommando der kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), zwischen dem Sturz der Regierung Assad und dem 20. September habe der IS 153 Angriffe in Nordostsyrien verübt.

Berlin hat darüber hinaus die Sanktionen gegen Syrien stets aktiv unterstützt, die der Wirtschaft des Landes dramatische Schäden zufügten und eine gewichtige Ursache der heutigen bitteren Armut im Land sind. Die Armut, die Verwüstungen und die Bedrohung insbesondere der Minderheiten durch die Islamisten lassen eine sichere Rückkehr von Geflüchteten nicht zu. Friedrich Merz will mit seiner Aussage, es gäbe „keinen Grund mehr für Asyl in Deutschland“ lediglich seine Unterstützung für die neue islamistische Regierung normalisieren.

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