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Was haben unsere Feuerwerkskörper verursacht?

Suphi Sert

Silvester ist vorbei und das neue Jahr hat begonnen. Aber woher kamen all diese Feuerwerkskörper und –raketen mit denen wir um 00.00 Uhr den Jahreswechsel feierten? Für viele ist es trotz den extrem gestiegenen Preisen und dem Lärm und der Verschmutzung, die diese Knaller verursachen, selbstverständlich, dass man das alte Jahr verjagt und das neue Jahr willkommen heißt. Doch woher kommen diese Knaller und wer produziert diese? Das sind Fragen, die die meisten nicht beantworten können.
Nach dem indischen Kinderrechtsexperten Vincent Thambuaraj werden diese durch eine brutale Kinderausbeutung in Indien und China produziert, wobei China der größte Produzent für Feuerwerkskörper ist. Kinder und Jugendliche hantieren demnach mit Schwefel, Schwarz- und Aluminiumpulver, die, wie den meisten bekannt ist, sehr giftige Stoffe sind, welche die Kinder „im besten Fall nur als Feinstaub“ einatmen. Sie arbeiten in ständiger Gefahr einer Explosion, da es keine Sicherheitsvorkehrungen gibt und die Mehrheit von ihnen erkrankt an Asthma oder Tuberkulose.
In Europa für teures Geld im Laden gekauft und später des Spaßes halber in die Luft gejagt, unsere Böller und Raketen haben schwerwiegende Folgen für die Gesundheit und Entwicklung ganzer Regionen in China oder Indien. Als Beispiel kann die Region Sivakasi im Bundesstaat Tamil Nadu in Indien genannt werden, aus ihr stammen 90% aller Feuerwerkskörper Indiens. Die Region bieten wenige Möglichkeiten, um sich den Lebensunterhalt zu finanzieren, daher arbeiten viele Familien in der Branche der Feuerwerksindustrie. Die Arbeit wird extrem schlecht bezahlt, 70% der Arbeiter sind Frauen und viele Kinder und Jugendliche. Der Grund ist, dass man Kinder in Indien noch schlechter bezahlen kann, als Erwachsene, auch sind sie gehorsam, der Familie gegenüber verpflichtet und kennen ihre Rechte nicht, so Thambuaraj.

Wir rauben mit Silvesterraketen die Zukunft der Kinder in Indien
Auf der einen Seite stehen natürlich die unmenschlichen Arbeitsbedingungen und auf der anderen Seite die Kinderarbeit an sich. Hier zeigt die kapitalistische Produktionsweise ihr wahres Gesicht. In winzig kleinen, blockartigen Ziegelgebäuden lässt man die Kinder arbeiten, mit dem großen Risiko einer Explosion, ohne an das ständige Spiel mit dem Glück des Überlebens zu denken. Was jedoch noch skandalöser ist, als die „Gefahr“, ist die kapitalistische Ausbeutung der Arbeiterkinder. Durch die hohe Arbeitszeit, welche sie arbeiten müssen, werden sie am Schulbesuch gehindert und viele Familien schicken ihre Kinder aus finanzieller Not in die Fabrik, statt zur Schule. Vorrangig werden Mädchen zum Arbeiten in die Feuerwerksindustrie geschickt, da sie später ja lediglich sowieso nur heiraten sollen. Einzelne Arbeitsschritte werden von zu Hause aus erledigt, so dass die Schule besuchende Kinder oft ihre gesamte Freizeit mit der Arbeit an Böllern und Raketen verbringen. Teilweise arbeiten sie bis in den Morgen, da nach erzeugter Stückzahl bezahlt wird. Ohne eine richtige Bildung haben die meisten Kinder und Jugendlichen aber nie eine Chance und so wiederholt sich dieser Ablauf des Lebens und auch die Kinder der einstigen Kinder müssen für Europa Raketen herstellen. Denn, das ist auch bei uns bekannt: Erst Bildung ermöglicht bessere Berufsalternativen.
Die Abschaffung von Kinderarbeit und Bekämpfung der miserablen Produktionsbedingungen kann aber nicht gelingen, ohne die Käufer und Händler hier in Europa. Die indischen Familien können nicht auf Silvesterraketen verzichten, da ihre Arbeit, ihr Einkommen, ja ihre Existenz mitunter davon abhängt. Kinder ganzer Regionen in so genannten „dritte Weltländern“, wie hier bei der Feuerwerkskörperindustrie in Indien, werden jegliche Zukunftsmöglichkeiten aus reiner Profitgier geraubt. Es wird für Centbeträge produziert und für das 1000-fache Verkauft, wie bei den Silvesterraketen. Die Kinder bekommen ein paar Cent für ihre Arbeit und eine Rakete wird für 5 Euro hier Verkauft! Kinderarbeit ist aber auch in Indien verboten, nur hält sich keiner daran. Es müssten Mindestlöhne eingeführt werden, damit die Familien aus ärmlichen Regionen nicht weiter grausam ausgebeutet werden und Kinder Kinder sein können. Die Händler und Käufer hier zu Lande könnten auch darauf achten bei welchen Herstellern sie Einkaufen, denn es macht keinen Unterschied, ob ich hier oder in Indien Kinder direkt oder indirekt für mich arbeiten lasse. Beides ist nicht hinnehmbar und unmenschlich. Ein Boykot würde nicht wirklich viel ändern, es wäre nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Aber durch unseren Solidarität und Druck auf die Herstellerfirmen für mehr Arbeitssicherheit und bessere Löhne, damit so ein Verzicht auf Kinderarbeit erst gelingen kann, würde etwas verändern können. Unsere Forderung nach Mindestlöhnen sollte international sein. Kinder sollten nirgendwo arbeiten müssen.

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