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Aktionen des „zivilen Ungehorsams“

Çetin Diyar *

Die Aktionen des „zivilen Ungehorsams“, die die kurdische Nationalbewegung nach dem Newroz in Diyarbakir angefangen hat, weiten sich auf die Städte Van, Hakkari und andere aus. Die Aktionen, die sich in erster Linie auf die wichtigsten kurdischen Forderungen und auf Demokratisierungsbestrebungen, wie Bildung in der Muttersprache, Freilassung von politischen Häftlingen, Aufhebung der 10% Hürde bei Wahlen und die Beendigung von militärischen Operationen beziehen, bereiten der AKP Regierung und ihrer Gefolgschaft in den Medien Kopfschmerzen. Diese Aktionen zeigen sehr deutlich, wie sehr die AKP von den demokratischen Forderungen entfernt ist.
Erinnern wir uns: Die kurdische Nationalbewegung hatte nach Öcalans Aufruf einen einseitigen Waffenstillstand angekündigt, den der Regierungschef mit Kommentaren wie „der Staat lässt keine Waffen fallen“ und „keine Verhandlung mit Terroristen“ beantwortete.
Während der Prozesse gegen hunderte kurdischer Politiker wurde die Forderung, die Verteidigungsrede in kurdisch zuhalten, ignoriert und kein einziger der Angeklagten wurde freigesprochen. Auf gleiche Weise wurden Boykottaktionen mit der Forderung nach Bildung in der Muttersprache durch die Regierung als „Missbrauch von Kindern“ gewertet und den Forderungen kein Gehör geschenkt. Auch die Forderung nach der Senkung der 10% Hürde bei Wahlen wurde in konsequenter Weise ignoriert. Die Volksabstimmung über die kürzlich geänderte Verfassung wurde als ein Schritt in Richtung Demokratisierung präsentiert, beinhaltete aber keine einzige Forderung des kurdischen Volkes und wurde auch nicht mit einem Wort erwähnt.
Als würde diese Form der Ignoranz nicht reichen, konnten die Vertreter der Regierung und des Staates nicht einmal die Mahnwachen „Zelte für eine demokratische Lösung“ dulden, die nach dem Newroz-Fest in einigen kurdischen Städten aufgebaut wurden. Die staatliche Gewalt griff Frauen, alte Menschen und Kinder an und verletzte hunderte Kurden. Die kurdische Bevölkerung, deren kleinste Forderungen abgelehnt, ignoriert und mit Zwang und Gewalt unterdrückt werden, rief deshalb zu „Aktionen zivilen Ungehorsams“ auf und wird nun beschuldigt, den gesellschaftlichen Frieden zu gefährden, Spannungen aufzubauen und provokativ zu sein!
Als der einseitige Waffenstillstand beendet wurde, wurde dies mit den Worten kommentiert „die Zeit der Waffen ist vorbei, sie sollen sich für ihre Forderungen mit politischen Mitteln, politischen Aktivitäten einsetzten“. Genau diejenigen beschuldigen nun die Bevölkerung aufgrund der Aktionen „zivilen Ungehorsams“. Dabei zeigen sie aller Welt, wie demokratisch sie in Wirklichkeit gesinnt sind.
Ein AKP-Freund und -Förderer, der gerne vor seinen Namen „kurdischer Intellektueller“ hinzufügt, verurteilte die „Aktionen zivilen Ungehorsams“ mit der Bemerkung, die Kurden würden sich mit diesen Aktionen offen dem Ergenekon-System zur Verfügung stellen. Nach seiner und der Meinung seiner Gleichgesinnten, sollte die kurdische Bevölkerung die Erfahrungen und Beobachtungen über acht Jahre AKP-Regierungszeit vergessen, die AKP bei den Wahlen unterstützen, sich mit verschränkten Armen zurücklehnen, darauf hoffen und warten, dass die AKP das Problem schon irgendwann lösen wird! Wir wissen aber auch, dass der „höchst demokratisch gesinnte Regierungschef“ dieser hoch „demokratischen Kreise“ seine Karriere mit Aussagen wie „wenn sie nicht darüber nachdenken, gibt es auch kein Kurdenproblem“ beschleunigt hat. Der eigentliche Grund dafür, dass sowohl diese Kreise, als auch ihr Regierungschef so „demokratisch“ geworden sind, ist der Kampf der kurdischen Bevölkerung und der Demokratiebewegung dieses Landes.
Ja, dass sich die AKP und mit ihr sympatisierende Kreise Sorgen machen, ist berechtigt. Denn die Aktionen des „zivilen Ungehorsams“ weiten sich immer mehr aus und zeigen in aller Deutlichkeit das wahre Gesicht der AKP und der rückschrittlich, konservativen Kreise in Bezug auf das Kurdenproblem.
In dem Maße, in dem diese Bewegung sich mit Betroffenen und Aktiven aus sozialen, demokratischen Bereichen vereinen und sich gegenseitig befruchten wird, wird sie auch die Grundlage für eine echte demokratische Front gegen die AKP bilden können.
Die AKP-Regierung wird als „Modell“ für die Aufstandsbewegungen im Nahen Osten und Nordafrika gezeigt. Die Reaktionen der AKP Regierung auf die kurdische Bewegung im eigenen Land zeigen jedoch, dass diese Regierung kein bisschen anders ist, als die diktatorischen Regimes im Nahen Osten und in Nordafrika.
Die Aktionen, die die kurdische Bevölkerung angefangen hat, werden sich zum 1. Mai und zu den Wahlen im Juni hin verdichten und mit allen sozialen und demokratischen Bewegungen ihre Kräfte bündeln. Aus diesem Grunde sind die Sorgen der AKP Regierung mehr als verständlich und nachvollziehbar!

* Übersetzung von Serpil Karahan

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