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Alle Jahre wieder – Terrorwarnungen

Bundesinnenminister de Mazière hat in Deutschland wiederholt für Terrorhysterie gesorgt. Die Bombenattrappe von Namibia hat bereits den Bundestag erreicht. Abermals werden MigrantInnen als potenzielle Gefahr deklariert. Neue Gesetzesänderungen sind bereits auf dem Weg.
Die Auftritte des Ministers in den vergangen Tagen verdeutlichen, dass keinerlei Absicht besteht, die Verunsicherung innerhalb der Bevölkerung zu mildern. Vielmehr zeigt sich, dass der Minister auf die Dramaturgie der Situation setzt und eine breite Terrorhysterie aufrecht erhält. Die politischen Verantwortlichen haben dabei einen starken Verbündeten: Die Medien. Zeitungen, Fernsehen und das Internet überschlagen sich mit Meldungen zu vereitelten Terroranschlägen in Köln, Berlin, Hamburg, Frankfurt und München. Auf welche Informationsquellen die Medien dabei zurückgreifen, ist bislang nicht bekannt. Meist sind es irgendwelche Tüten oder Taschen, die von Spezial-Bombenentschärfungskommandos in die Luft gejagt werden, nachdem die „Fundorte“ weiträumig für mehrere Stunden gesperrt werden.

Medial und politisch gewollte Terrorhysterie
Die Berichterstattung orientiert sich an Spekulationen statt auf Fakten, erhöht die Verunsicherung und Angst, anstelle sich an das journalistische Prinzip der Sachlichkeit zu halten. Die Bevölkerung wird überflutet mit einer Welle medialer und politisch gewollter Terrorhysterie. „Eine Auseinandersetzung mit der Terrorberichterstattung der deutschen Medien stimmt nachdenklich: Sollte es in Deutschland tatsächlich zu den angekündigten Terroranschlägen kommen, ist mit einer Presse zu rechnen, die eine noch stärkere Allianz mit dem politischen Feld eingehen wird, als sie es im Vorfeld bereits getan hat. Es sind fatale Konsequenzen für die Berichterstattung zu erwarten.“ So der Soziologe Marcus Klöckner.
Die Meldungen über einen möglicherweise vereitelten Terroranschlag auf eine deutsche Passagiermaschine auf dem Weg nach München in Windhuk/Namibia entpuppte sich als eine Bombenattrappe. Es handelte sich um ein hergestelltes Bombenimitat (de Maizière sprach im Nachhinein von einem „Realtestpaket“) einer amerikanischen Flugsicherheitsfirma für US-Dienste. Der Chef der Flughafensicherheit wird aktuell unter anderem „wegen Schmuggel einer vermeintlichen Bombe“ und anderer Vorwürfe angeklagt.
Einigen Quellen zufolge, soll der US-Geheimdienst von der Verfrachtung des Bombenimitats unterrichtet bzw. gewusst haben. Noch vor einiger Zeit wurde verlautbart, dass vermeintliche Bombenpakete aus Jemen über Deutschland nach Großbritannien in die USA eingeflogen wurden. Man kann vermuten, dass es sich bei diesen Paketen auch um Imitate handelte, mit dem Ziel eine breite Terrorhysterie auszulösen, die sich bei den Menschen in Angst und Verunsicherung verfestigt. Und zufällig fanden zu der Zeit Wahlen in den USA statt, die jedoch nicht dem amtierenden Präsidenten mit seiner demokratischen Partei, sondern eher der republikanischen Opposition als Wahlkampfthema nutzten.

Was nicht passt, wird ignoriert
Die politischen Entscheidungsträger und Medien wollten unmittelbar nach der Bekanntgabe der Fakten in Namibia nichts mehr davon wissen. Die Hysterie wurde weitergetrieben. So meldete „DER SPIEGEL“ ausführlich über einen „Sturmangriff“ einer 6-köpfigen Islamistengruppe auf das Bundestagsgebäude. An gleicher Stelle wurde weiter berichtet, dass bereits zwei von ihnen sich seit 6-8 Wochen in Deutschland aufhalten und einen Anschlag auf eine große Menschenmenge planen. Vier oder sechs sollen nach bislang nicht veröffentlichten Quellen im Frühjahr einen Anschlag in Berlin ausführen. Quelle? Zuverlässige Quelle in hoher Position, die icht genannt werden möchte!
Die Sicherheitsbehörden tragen ihren Beitrag dazu und sprechen von „Geiselnahme und finalem Blutbad“. Die staatlichen „Vorkehrungen“ kamen prompt mit mehr schärferen Sicherheitsmaßnahmen und größerem Polizeiaufgebot, ausgestattet mit Maschinenpistolen. Allein an Bahnhöfen wurden 2.500 Polizisten eingesetzt. Während rund um den Berliner Reichstag ein regelrechtes Terrorszenario herrscht, wurde die Kuppel inzwischen für Besucher gesperrt. Mit einer wichtigen Ausnahme: Eben in dieser gleichen Kuppel ist das Edelrestaurant weiterhin für Besucher geöffnet, die für ein Menü tief in den Geldbeutel greifen wollen.
Sicherheitspakete ohne Ende
Nach dem 11. September 2001 wurden zahlreiche Terrorhysterien geschaffen. Es wurde kritisiert, dass die bisherigen Sicherheitsvorkehrungen vor vermeintlichen Terrorangriffen unzureichend seien und es wurde immer wieder davon gesprochen, dass jederzeit mit einem Anschlag zu rechnen sei. Nach jeder Hysterie-Verlautbarung von Medien und staatlicher Seite folgte eine Vielzahl von tiefgreifenden Einschränkungen demokratischer Rechte. Die ausgeweitete Telekommunikationsüberwachung hat seither stark zugenommen. Die uneingeschränkte Speicherung von Telefon- und Internetdaten auf Vorrat wurde zuletzt vom Bundesverfassungsgericht an bestimmte Voraussetzungen gebunden. Nun will die CDU ihren Vorstoß erneuern und fordert die Speicherung von Telefondaten auf Vorrat.

Bundeswehr im Inneren und Pressezensur?
Mit Verweis auf die Terrorwarnungen werden zunehmend verfassungsfeindliche Forderungen laut. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) macht sich für den Einsatz der Bundeswehr im Inland stark. Der Verbandsvorsitzende Klaus Jansen Schlug vor „insbesondere auf die Feldjäger der Streitkräfte zurückzugreifen, weil diese auch polizeilich geschult sind“. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) machte ebenfalls für den Inlandseinsatz der Bundeswehr mobil. Die Unionsfraktion diskutiert derweil, die Pressefreiheit einzuschränken. Die Medien müssten „dazu verpflichtet werden, sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch ist“, forderte der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestages, Siegfried Kauder (CDU). „Wenn die Presse darüber berichtet, welche Orte besonders gefährdet sind, dann kann das unter Umständen ein Anreiz für Terroristen sein.“ Solche meist geheimdienstlichen Erkenntnisse seien aber nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Jedoch ist da ein Haken: War es nicht der CDU-Innenminister, der sagte, dass Terroristen sich Plätze aussuchen würden, die von Vielen besucht werden?

NEUES LEBEN

Im Windschatten der Terrorwarnungen werden antidemokratische Geister geweckt

Ulla Jelpke*

Die einzelnen Forderungen nach Reformen bündeln sich zum Ruf nach einer kompletten Revision des Sicherheitsapparates. Schon bisher gehörten demokratische Standards zu den ersten Opfern des so genannten Kriegs gegen den Terror. Wird auch nur ein Teil der aktuellen Forderungen umgesetzt, entsteht ein hochgerüsteter Sicherheitsstaat, der mit der heutigen Bundesrepublik nur noch wenig zu tun hat.
Eine Absage an demokratische Prinzipien ist vor allem der jetzt erhobene Ruf nach Schaffung einer weiteren Bundessicherheitsbehörde. Denn faktisch geht es bei der Zusammenlegung von Bundeskriminalamt und Bundespolizei genau darum: Einen Apparat zu schaffen, der zentralstaatlich organisiert ist, der mit dem BKA-Gesetz bereits vor Jahren quasi-geheimdienstliche Kompetenzen erhalten hat und diese mit dem strukturellen Unterbau der Bundespolizei auch auf breiter Front anwenden könnte – demokratische Kontrolle ist bei solchen Monsterbehörden zum Scheitern verurteilt. Das Gleiche gilt für das angestrebte Aufgehen des Militärischen Abschirmdienstes in den BND sowie den Verfassungsschutz.
Es war zu erwarten, dass nun auch der Ruf nach einem Inlandseinsatz der Bundeswehr wieder laut wird. Und es ist auch zu erwarten, dass sich Bedrohungen, Anschläge und Übergriffe auf muslimische Bürger häufen werden. Die politische Instrumentalisierung von tatsächlichen oder vermeintlichen Terrorwarnungen muss dringend beendet werden, sonst werden antidemokratische Geister geweckt, die unsere Gesellschaft auf lange Sicht nicht mehr los wird.
* Innenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE

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