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„Antideutsche“ bedienen Kapitalinteressen

Susann Witt-Stahl ist eine Journalisten der Jungen Welt und Chefredakteurin der Zeitschrift für Gegenkultur „Melodie und Rhythmus“. Wir haben mit ihr über ihre Nachforschungen zum Thema „Antideutsche“ und Gegenkultur gesprochen. Das Interview erscheint in einer gekürzten Fassung in unserer Zeitung.

Maurizio Caffo

Du bist aufgrund deiner Berichte und Analysen über die Ukraine bekannt, hast dich aber oftmals auch dem Thema „Antideutsche“ gewidmet. Warum muss man sich deiner Meinung nach mit dieser politischen Strömung auseinandersetzen? Was hat dich persönlich dazu bewegt, dich mit diesen Ideologien auseinanderzusetzen?

Ich musste Anfang der 2000er Jahre feststellen, dass in Deutschland immer mehr linke Strukturen, Medien und Organisationen -und das Drang auch nicht zuletzt in Parteien ein- mit Versuchen, Leute gegeneinander aufzuhetzen und zu spalten konfrontiert wurden. Mit abstrusen Unterstellungen wie Antisemitismus oder Nazivorwürfen wurde versucht, Linke zu irritieren. Leute, die bisher solidarisch miteinander gearbeitet hatten, wurden zu Feinden. Ich habe mich damals gefragt, was das eigentlich soll. Das ist natürlich richtig, dass in linken Strukturen immer regressive Elemente vorhanden sind, gegen die man vorgehen muss. Aber hier ging es um was anderes: Linke zu diskriminieren und zu delegitimieren. Es ging darum, Linke als Rechte darzustellen, alles, was politisch und historisch geworden war, auf den Kopf zu stellen. Als ich feststellte, was das für eine Wirkung hatte und ein großes Misstrauen in linken Strukturen erzeugte, wollte ich der Sache analytisch auf den Grund gehen. Für mich sind „Antideutsche“ definitiv keine Linken. Sie haben aber innerhalb der Linken gewirkt. Mir ist aufgefallen, dass es aus diesem Milieu auch zu Angriffen gegen jüdische Linke kam, die mit der israelischen Staatsideologie nicht einverstanden waren. Das hat mich sehr interessiert und ich habe angefangen, mich damit zu beschäftigen und das mittlerweile seit mehr als 15 Jahren.

Das ist eine lange Zeit. Was versteht man den unter „Antideutschen“? Ist das eine homogene Gruppe oder existieren verschiedene Lager?

Natürlich muss man sagen, dass es die „Antideutschen“ nicht gibt. Es gibt je einen rechten, linken und moderaten Flügel. Es gibt auch Gruppierungen, die noch wenige fortschrittliche Elemente in sich haben. Allerdings gibt es Elemente, die alle gemeinsam haben:

  • Rigorose Identifikation mit dem Staat Israel, allerdings nicht bezogen auf das reale Israel, sondern nur auf das in ihrer Ideologie existierende.

  • Gleichsetzung der Israelkritik mit Antisemitismus und Antizionismus

  • Aggressive Ablehnung von Klassenbewusstsein und Positionierung von Klassenkämpfen der Arbeiterklasse. Wenn die herrschende Klasse Klassenkampf betreibt, dann haben sie keine Kritik daran. Es geht um eine Stigmatisierung der Arbeiterklasse als antisemitisch und gegen Kollektivismus.

Ich könnte noch mehr aufzählen z.B. anti-muslimischen Rassismus. Aber das würde zu sehr ins Detail gehen. Man kann sagen, dass sich ein rechter Flügel herauskristallisiert hat, der offen für die AfD ist. Das hat man an der Gedenkveranstaltung zum Anschlag auf den Breitscheidplatz gesehen, als Antideutsche und AfD sehr offen zusammen agiert haben. Man konnte vorher schon zarte Annäherungsversuche in der antideutschen Zeitschrift „Bahamas“ beobachten.

Wir haben aber auch einen antideutschen Mainstream, der sich eher dem Neokonservatismus und Neoliberalismus zugeneigt fühlt. Man findet bei einigen Antideutschen aber auch noch Solidarität mit Flüchtlingen und auch vernünftige Positionen zum Themenkomplex NSU. Es gibt auch weiterhin noch einen linken Flügel. Der rekrutiert sich aus den sogenannten „Antinationalen“, ich bezeichne sie immer als „Antideutsche Light“. Für diese Kräfte ist ein Schulterschluss mit der AfD nicht zu machen, dass muss man ganz klar sagen. Sie sind auch nicht offen rassistisch und gehen sorgfältiger mit Antisemitismusvorwürfen um. Außerdem gehen sie auch nicht so rigide gegen soziale Kämpfe vor.

Welche Einflüsse haben Antideutsche auf die deutsche Linke im allgemeinen und innerhalb der Gesellschaft?

Sie haben einen großen Einfluss, insofern, dass sie den Rückhalt der gesamten deutschen Bourgeoisie haben. Wenn man antideutsche Forderungen im Vergleich zur großen Koalition setzt, stellt man fest, dass sie sich in der Außenpolitik decken und teilweise liegen die Antideutschen sogar rechter z.B. in der Diskreditierung von Arbeitskämpfen. Sie bedienen die Kapitalinteressen. Die Antideutschen sind sehr gut verankert in der Partei „Die Linke“. Man muss sich nur den letzten Parteiantrag zu Israel anschauen. Bei den Jusos, bei den Grünen und vor allem in der Grünen Jugend sind sie stark vertreten. Sie sitzen in Gremien der grünenahen „Heinrich Böll Stiftung“. Viele Antideutsche haben Karriere bei den etablierten Medien wie Welt, Taz und Bild gemacht. Das antideutsche Projekt ist Mainstream. Innerhalb der deutschen Linken und vor allem auch in der Partei Die Linke richten sie immensen Schaden an. Im Gewerkschaftsapparat richten sie den größten Schaden an. Sie versuchen die ganze Geschichte der Arbeiterbewegung umzuschreiben und die organisierten Arbeiter auf neoliberalen Kurs zu bringen.

Was kann man gegen diese Ideologien tun?

Sehr wichtig ist, dass man Probleme nur in den Griff bekommt, wenn man diese erkennt. Also muss man ihre Strategie und Taktik bestimmen. Es sind in der Vergangenheit zu großen Versäumnissen diesbezüglich gekommen. Vor allem bei Antisemitismusvorwürfen rechtfertigen sich viele Linke, anstatt offensiv gegen die Verleumder vorzugehen. Man muss die Angreifer bloß stellen und aufzeigen, dass dieses Projekt antideutsche neoliberale Ideologie ist und man aufpassen muss, dass sie nicht in die faschistische Ideologie kippt.

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