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Auf dem Rücken der Migranten: Angriff auf die Einheit der Arbeiter

Zeynep Sefariye Ekşi*

Noch vor wenigen Jahren galt es als unumstrittene Realität, dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Die logische Konsequenz daraus hätte sein müssen, Lösungen für die gemeinsamen Probleme von Beschäftigten mit und ohne Migrationshintergrund zu entwickeln. Stattdessen wurden – verschärft durch die sich zuspitzenden wirtschaftlichen und sozialen Krisen sowie die internationale Lage – die Kosten erneut Migranten und Geflüchteten aufgebürdet. 2025 war in Deutschland für Migranten ein Jahr, in dem bestehende Entrechtungen legalisiert und demokratische Rechte weiter abgebaut wurden.

Die seit Februar bestehende schwarz-rote Bundesregierung setzte die Politik der Vorgängerregierung nahtlos fort. Rassistische und diskriminierende Narrative wurden nicht mehr nur von der extremen Rechten, der AfD, verbreitet, sondern sind zu einem festen Bestandteil staatlicher Politik geworden. Migration und Flucht waren – mit Ausnahme der Partei Die Linke – zentrale Themen aller Parteien für den Wahlkampf im Februar: „Bekämpfung irregulärer Migration“, „Abschaffung der Turbo-Einbürgerung“ und ähnliche Parolen dominierten. Soziale Fragen und die Forderungen der Arbeitenden spielten hingegen kaum eine Rolle. Allein diese Tatsache zeigt deutlich, worum es tatsächlich geht.

Abschaffung des Asylrechts in Zusammenarbeit mit der EU

Im Juni 2025 wurden auf EU-Ebene weitreichende Änderungen des Asylrechts beschlossen. Offiziell begründet wurden stärkere Grenzkontrollen und beschleunigte Abschiebungen mit der Eindämmung „irregulärer“ Migration. Das Europäische Parlament traf eine Entscheidung, die faktisch zur Abschaffung des Asylrechts führte. Beschleunigte Grenzverfahren, Haftlager für Geflüchtete, eingeschränkte Widerspruchsrechte sowie die fortlaufende Ausweitung der Definition „sicherer Herkunftsstaaten“ entziehen tausenden Menschen ihr Recht auf Schutz. Die Bundesregierung und Bundeskanzler Merz stellen dies als „Erfolg“ dar. Auch Merz’ Debatte um das sogenannte „Stadtbild“ im Oktober zielte in diese Richtung. Tatsächlich handelt es sich um nichts anderes als die Übernahme jener Argumente, die die AfD seit Jahren propagiert, als offizielle Staatspolitik. Zu betonen ist: Die Abschaffung des Asylrechts ist kein isolierter Angriff, sondern Teil eines umfassenden Rechtsrucks der Institutionen und eines generellen Angriffs auf Grundrechte und Freiheiten. Solange Kriege, Ausbeutung und Umweltzerstörung fortbestehen, lässt sich Flucht nicht verhindern.

Staatsangehörigkeitsrecht: Vom Recht zur Gunst

Auch die Änderungen im Staatsangehörigkeitsrecht im vergangenen Jahr folgen derselben Logik. Die von der vorherigen Regierung eingeführte beschleunigte Einbürgerung wurde wieder abgeschafft – ein zentrales Wahlversprechen insbesondere der CDU. Für Millionen von Migranten, die seit Jahren in Deutschland leben und arbeiten, wird die Staatsangehörigkeit damit von einem Recht zu einer Gunst, die an Bedingungen wie „Integration“, „Loyalität“ und „akzeptables Verhalten“ geknüpft ist. Der Staat nutzt die Staatsbürgerschaft nicht als Instrument gleichberechtigter Teilhabe, sondern als Mittel der Disziplinierung und Kontrolle. Dieser Ansatz negiert den Anspruch von Migranten auf gleiche Rechte und vertieft die Spaltung zwischen den Beschäftigten. Gleichzeitig wurden neue Arbeitsmigrationsabkommen mit Ländern wie Kasachstan und Georgien unterzeichnet, um den Bedarf des Kapitals an billigen Arbeitskräften zu decken. Migrationspolitik wird nicht an humanitären Werten ausgerichtet, sondern strikt an ökonomischen Interessen und Nutzen – eine Linie, die diese Regierung noch konsequenter verfolgt.

Bürgergeld-Debatten und die Politik des Sündenbocks

Auch die Debatten um das Bürgergeld im Jahr 2025 dienten als wichtiges Instrument zum Schüren von Rassismus. Anstatt über unzureichende Sozialleistungen, steigende Lebenshaltungskosten und niedrige Löhne zu sprechen, wurden erneut Migranten ins Visier genommen. Mit Schlagworten wie „Nichtstuer“ oder „Sozialbetrüger“ wurden sie kriminalisiert und gleichzeitig weitere Kürzungen sozialer Rechte vorbereitet. Offene Lügen, wie Statistiken immer wieder aufzeigen, denn die Mehrheit der Bürgergeld-Empfänger haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Einmal mehr ist Ziel dieser Debatten, die Bevölkerung gegeneinander auszuspielen und die eigentlichen Verantwortlichen – das Großkapital und seine politischen Vertreter – aus dem Blickfeld zu rücken.

Kriminalisierung der Palästina-Solidarität

Der seit über zwei Jahren andauernde israelische Völkermord auf die palästinensische Bevölkerung löste trotz der klar israelfreundlichen Haltung aller staatlichen Institutionen breite Proteste in der Bevölkerung aus. Dennoch reagierten Polizei und Behörden kompromisslos: Palästina-Demonstrationen und Solidaritätsveranstaltungen wurden verboten und kriminalisiert. Insbesondere Proteste mit starker Beteiligung von Migranten und migrantischen Jugendlichen wurden als „Sicherheitsproblem“ dargestellt und mit Polizeigewalt unterdrückt. Unter dem Vorwand der „öffentlichen Ordnung“ legitimierte der Staat massive Repressionen. Dies stellt nicht nur einen offenen Angriff auf Meinungs-, Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit dar, sondern schürt auch Vorurteile gegenüber Migranten, die zunehmend als „terroristisch“ diffamiert werden. Aussagen wie „importierter Antisemitismus“ stellen es so dar, als gebe es unter der deutschen Bevölkerung keinen Antisemitismus mehr, sondern das Problem des Antisemitismus sei ein Integrationsproblem.

Nicht die AfD wird geschwächt, sondern die Einheit der Arbeiter

Indem Regierung und etablierte Parteien vorgeben, die AfD bekämpfen zu wollen, gleichzeitig jedoch deren Sprache und Politik übernehmen, schwächen sie nicht die AfD, sondern die Einheit der Arbeiterklasse. Jede gegen Migranten gerichtete Hetze untergräbt die Solidarität innerhalb der Klasse. Dabei sind Wohnungsnot, der Kollaps des Gesundheitssystems und die Misere im Bildungswesen nicht durch Migration verursacht, sondern durch jahrzehntelange neoliberale, kriegstreiberische und profitorientierte Politik.

2025: Ein Jahr des gemeinsamen Widerstands gegen Spaltung

Die wichtigste Erkenntnis dieses Jahres ist klar: Rassismus wird kein einziges Problem der deutschen Arbeitenden lösen – im Gegenteil, er verschärft sie. Die gemeinsame Zukunft aller Beschäftigten liegt im gemeinsamen Kampf gegen diskriminierende Politik. DIDF betont, dass es nur eine Alternative gibt: den gemeinsamen Widerstand der Arbeiter gegen Rassismus, Sozialabbau und Repression zu stärken. Einheit statt Spaltung, Kampf statt Angst – diese Aufgabe ist heute dringlicher denn je.

Dafür gab es auch ermutigende Entwicklungen. Die Beteiligung an Friedensdemonstrationen nahm zu. In den letzten Tagen des Jahres boykottierten tausende Jugendliche aus Protest gegen die Wiedereinführung der Wehrpflicht den Schulunterricht und bereiten sich nun auf eine erneute Aktion im März 2026 vor. DieBevölkerung reagierte auf offen rassistische Entwicklungen innerhalb kürzester Zeit mit Massenprotesten: gegen das gemeinsame Vorgehen von CDU und AfD bei einem Gesetzesantrag im Bundestag, gegen Merz’ „Stadtbild“-Rhetorik und gegen die Gründung der AfD-Jugendorganisation. Was dabei jedoch fehlte, war eine stärkere Beteiligung migrantischer Beschäftigter. Genau das zu verändern, ist unsere Aufgabe für 2026.

*Bundesvorsitzende von DIDF

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