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Auf dem Weg ins Elend – Euroangriff auf die Beschäftigten

Martin Hantke
Auf dem EU-Gipfel am 24. und 25. März 2011 beschlossen die Staats- und Regierungschefs ein ganzes Bündel von Maßnahmen, um die Eurokrise abzuwenden. So brachten sie eine Änderung der europäischen Verträge auf den Weg, um einen permanenten Rettungsschirm für in Not geratene Mitglieder der Eurozone in Höhe von 700 Milliarden EURO, davon 80 Milliarden EURO als Einlage ab 2013 zu etablieren, den so genannten Europäischen Stabilitätssmechanismus (ESM). Deutschland ist im Übrigen mit 27% beteiligt und wird über 20 Milliarden an den ESM direkt überweisen müssen. Flankiert werden sollen diese Maßnahmen durch einen Euro-Plus-Pakt, mit dem sich die dreizehn Euroländer sowie Dänemark, Polen, Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien verpflichten, die Wettbewerbsfähigkeit ihres Kapitals zu stärken durch die Erhöhung des Rentenalters, Lohnkürzungen im privaten Sektor, wie im öffentlichen Dienst und die Einführung einer Schuldenbremse in die jeweiligen Verfassungen oder die nationalstaatlichen Gesetze.
„Teuflischer Pakt“
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte vor wenigen Wochen einen ähnlichen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ vorgelegt. Mit dem Euro-Plus-Pakt wurden wesentliche Forderungen der schwarz-gelben Regierung durchgesetzt. Die neoliberalen Grundzüge dieses Pakts, wie auch eine Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der diesen zusätzlich flankieren soll, werden auch von Sozialdemokraten und Grünen befürwortet. Der Euro-Plus-Pakt wird zu recht von Gewerkschaften als „teuflischer Pakt“ bezeichnet. Auch wenn man den religiösen Unterton dieser Wertung nicht teilt, so steht bereits jetzt fest: Der Euro-Plus-Pakt ist der größte Angriff auf Gewerkschaften und Beschäftigte in Europa seit dem 2. Weltkrieg. Durch seine politische Verbindlichkeit und die Kombination mit Vertragsänderung und ESM wird er einen ungeheuren politischen Druck entfalten. Zudem erhält die EU-Kommission, die mit der Überwachung seiner Einhaltung beauftragt wird, eine noch stärkere Stellung. Zwar wird im Pakt gebetsmühlenartig betont, dass die Tarifautonomie gewahrt werden solle und die Sozialpartner, sprich Gewerkschaften und Kapitalvertreter, mit eingebunden werden sollen.


Angriffen auf die Rechte von Beschäftigten

Allerdings liest sich das Ganze wie ein Katalog von Angriffen auf die Rechte von Beschäftigten in Europa. So soll eine „Überprüfung der Lohnbildungsregelungen und erforderlichenfalls des Grads der Zentralisierung im Verhandlungsprozess und der Indexierungsverfahren“ auf den Weg gebracht werden. Das heißt man erklärt offen, die Verhandlungsmacht von Gewerkschaften schwächen zu wollen und die in einigen Ländern, wie Belgien, Portugal oder Luxemburg existierenden Indexierungssysteme, einer automatischen Angleichung der Löhne an die Inflationsrate, schleifen zu wollen. Ziel ist nichts anderes als zu europaweiten Lohnabsenkungen zu kommen. Zugleich soll es  um eine „Sicherstellung“ gehen, „dass die Lohnabschlüsse im öffentlichen Sektor den auf eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit gerichteten Anstrengungen im Privatsektor förderlich sind (eingedenk der wichtigen Signalwirkung der Löhne des öffentlichen Sektors).“ Das heißt, gerade im öffentlichen Dienst sollen Löhne abgesenkt werden, um sie anschließend im Privatsektor auch drücken zu können. Es wird klar: Mit dem Euro-Plus-Pakt sollen die Beschäftigten erneut Mal die Zeche für die Banken zahlen. Der Eurorettungsschirm ist ein Bankenrettungsschirm. Nachdem europaweit in Not geratene Banken vom Steuerzahler gerettet wurden und somit private Schulden in Staatsschulden umgewandelt wurden, sind nun etliche EU-Mitgliedstaaten nicht mehr oder nur noch schwer in der Lage, sich frisches Geld an den Kapitalmärkten zu besorgen.
Lohnsenkungen, Sozialkürzungen, Deregulierung der Arbeitsmärkte…
Griechenland und Irland wurde bereits für Kredite aus dem Euroraum ein vom IWF und EU-Kommission mit den jeweiligen Regierungen ausgehandeltes Maßnahmepaket auferlegt. Ganz in der IWF-Praxis stehen Lohn- und Sozialkürzungen, wie auch die Verpflichtung zur Deregulierung der Arbeitsmärkte sowie zur massiven Privatisierung auf der Tagesordnung. Allein Griechenland soll verpflichtet werden, in den nächsten Jahren 50 Milliarden Euro durch Privatisierungserlöse aufzubringen. Jetzt soll auch Portugal nach dem Scheitern der sozialdemokratischen Regierung Sokrates und ihres Kürzungspakets im portugiesischen Parlament unter den Rettungsschirm gezwungen werden. Klar ist, dass Staaten die diesen Schirm in Anspruch nehmen, praktisch ihre demokratische Souveränität verlieren. Wesentliche Entscheidungen, was Löhne, Sozialleistungen und den Haushalt angeht, werden vom IWF und der EU-Kommission getroffen, die gerade von den Regierungen der großen EU-Mitgliedstaaten nach vorne geschickt werden sollen. Neben der Bankenkrise und der Sozialisierung ihrer Verluste, ist eine der wesentlichen Ursachen, dass massive Außenhandelsungleichgewicht in Europa. Kurz gesagt, vor allem das deutsche Kapital konkurriert die anderen Volkswirtschaften in Europa regelrecht nieder. Leidtragende sind auch hier die deutschen Beschäftigten, die mit niedrigen Löhnen abgespeist werden und die Beschäftigten in den anderen Ländern auf die ein ungeheurer Druck aufgemacht wird, auch ihre Zustimmung auch bei ihnen zu Lohn- und Sozialkürzungen zu geben. Kurz gesagt: Mit dem ESM soll das System der Bankenrettung zu Lasten der Beschäftigten in Europa verewigt und mit dem Euro-Plus-Pakt sollen europaweit Löhne gesenkt werden. Es steht zu erwarten, dass eine Durchsetzung dieser Maßnahmen große Teile Europas in eine lang anhaltende wirtschaftliche Rezession stürzen wird. Zugleich wird ein gigantisches Umverteilungsprogramm von Unten nach Oben auf die Schiene gesetzt, dass ein Abwürgen der Binnennachfrage in vielen Euroländern zur Folge hat. Beschäftigte sollen dabei doppelt zahlen: Zum einen mit Lohn- und Sozialkürzungen, zum anderen mit den Einlagen und Bürgschaften für den ESM, der Banken und Versicherungen risikoloses investieren und spekulieren auch mit Staatsanleihen garantieren soll.

Gewerkschaften gegen EU-Pakt in Brüssel

Die Gewerkschaften währen sich gegen den Verlust von sozialen Errungenschaften und werden von der EU mit Wasserwerfern empfangen. Die Verhandlungen der Staatschefs in Brüssel waren von Gewerkschaftsprotesten begleitet, rund 20 000 demonstrierten vor den Toren des EU-Gipfels. Die Demonstrationen legten den Verkehr in vielen Teilen Brüssels lahm. Zu der Protestveranstaltung reisten nach Gewerkschaftsangaben Delegationen aus EU-Staaten wie Frankreich, Luxemburg, Rumänien und den Niederlanden an. Die belgischen Gewerkschaften kommentierten das EU-Staats- und Regierungschef treffen mit einem großen Transparent mit der Aufschrift „Nein zum Wettbewerbspakt – ja zu einem Solidaritätsabkommen.“ Obwohl die Politiker am späten Nachmittag kamen konnten sie das gigantische Transpi nicht sehen, da sie mal wieder den Hintereingang benutzten. So konnten sie auch nicht die, von der Polizei auf 20.000 geschätzten Gewerkschaftler sehen, die gegen das Euro-Stabilitätspaket in der europäischen Hauptstadt auf die Straße gingen. Seit einigen Jahren war dies eine der größten Demonstrationen vor einem EU-Gipfel. Die Straße durch das Brüsseler Europaviertel war soweit das Auge reichte mit rote Fahnen, Anoraks, Halstücher, Stirnbänder und Tröten überseht.
Den Pakt für den Euro bzw. die neuen Sparpakete, welche vor allem von der Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy angekurbelt werden, sehen die europäischen Gewerkschaften als ein Instrument, „das Löhne senkt und soziale Errungenschaften in Frage stellt“. Die Arbeitnehmervertreter und Arbeiter wollen den Gürtel nicht mehr noch enger Schnallen und auch keine neuen drastischen Haushaltssanierungen. Die Interessen der Gewerkschaften und Arbeitnehmer werden am Verhandlungstisch der Mächtigen nicht vertreten und dies macht viele Demonstranten sauer. So dass Eier und Steine auch mal  gegen Bürogebäude der Lobbyorganisationen flogen. Zudem beklagten die Gewerkschafter sich über die Ungerechtigkeit bei der Verteilung der Krisenlasten.
„Wir müssen seit Jahren Einkommenseinbußen hinnehmen, damit die Unternehmen so profitabel wie möglich sind – das kann doch nicht so weitergehen, auch nicht zur Rettung des Euro“, beschwert sich ein Demonstrant.

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