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„Aufnahmestopp für Türken und Araber“

Onur Kodas
Die Debatten über die Integration erreichen ein neues Tief! Der Vorsitzende der Christlich Sozialen Union (CSU), Horst Seehofer forderte ein Aufnahmestopp von Zuwanderern aus der Türkei und den arabischen Ländern. „Es ist doch klar, dass sich Zuwanderer aus anderen Kulturkreisen wie aus der Türkei und arabischen Ländern insgesamt schwerer tun. Daraus ziehe ich auf jeden Fall den Schluss, dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen“, so die Ansicht des Bayrischen Ministerpräsidenten. Rückendeckung bekam er dabei auch vom CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt. „Es darf in Deutschland künftig keine zusätzliche Zuwanderung aus Kulturkreisen geben, die unsere deutsche Leitkultur ablehnen“, sagte er. Und wie sollte es auch anders sein? Zur Krönung bekommt er Unterstützung von der Kanzlerin. Vize-Regierungssprecherin Sabine Heimbach ließ verlauten, dass die Kanzlerin die Äußerungen Seehofers zur Begrenzung des Zuzugs ausländischer Fachkräfte für „nachvollziehbar“ halte.

Es hagelt Kritik
Zunächst ist festzuhalten, dass die Kanzlerin anscheinend nicht ordentlich Seehofers Aussage gelesen hat. Denn nirgendwo ist die Rede vom Zuzug von Fachkräften. Seehofer drückt sich klar und verständlich gegen die Migration von Muslimen aus. Daher sind die Bemühungen der Kanzlerin, die Aussage zu relativieren, eher schlecht als Recht. Aber auch die Umdeutung der Kanzlerin zeigt die nicht wirklich effektive Integrationsarbeit der Regierung. So kritisierte die nordrheinwestfälische Landtagsabgeordnete Özlem Alev Demirel (Die Linke) die Äußerungen der Kanzlerin. „Die Äußerungen der Kanzlerin spiegeln ganz klar die Verwertungslogik der Regierung wieder. Wenn wir eine effektive Integration von Migranten haben wollen, so dürfen wir nicht nach ihrer Nützlichkeit gehen, sondern müssen gleiche Chancen für alle schaffen. Wenn Menschen, insbesondere Migranten, aufgrund ihrer sozialen Herkunft in punkto Bildung, Arbeitsmarkt oder Ausbildungsplatz nicht dieselben Chancen haben, wie diejenigen, die aus „höheren Schichten“ stammen, dann ist es doch offensichtlich, dass diese nicht oder nicht gut genug integriert sind in diese deutsche Gesellschaft“, sagte die Landtagsabgeordnete. Des Weiteren führte Demirel die Absichten auf, die hinter derartigen Äußerungen stecken. „ Wir erleben in Deutschland eine sehr schwierige Zeit. Mit der Krise zusammen ist die Kluft zwischen Arm und Reich weiterhin größer geworden. Die herrschende bürgerliche Politik versucht nun auch noch, die Lasten der Krise auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. Damit aber keine große Gegenreaktion von dieser kommt, versucht sie den öffentlichen Focus auf etwas anderes zu lenken, um klangheimlich in aller Ruhe die neoliberale Politik durchzusetzen“, führte sie weiter aus. Sevim Dagdelen, Bundestagsabgeordnete der Linken stuft diese Äußerungen als rassistisch ein. „Offenbar ist ein wahrer rechtspopulistischer Wettbewerb um Einwanderungsbegrenzung, Nützlichkeitsmigration und Sanktionsforderungen ausgebrochen. Ziel scheint die Botschaft an die Wähler zu sein: Wer etwas gegen Migranten hat, der muss nicht gleich NPD wählen. Mit seiner Forderung nach einem Zuwanderungsstopp befindet sich Seehofer im braunen Fahrwasser Sarrazins und Geert Wilders. Gemein ist ihm mit einem großen Teil seiner Kollegen aus allen anderen Parteien, dass er Migration streng nach Nützlichkeit „steuern“ will. Was ihn von vielen aus der FDP, SPD und den Grünen unterscheidet ist, dass diese die „nützlichen“ Migranten auch aus islamisch geprägten Ländern nach Deutschland holen würden“, heißt es in einer Presseerklärung.

Das Spiel mit dem Feuer
So sehr aber Seehofer und Co. die Integrationsproblematik an den Migranten fest machen, umso deutlicher sprechen die Statistiken eine klarere Sprache. Von den in 2009 zugezogenen 660.000 Migranten waren 30.000 türkeistämmig. Demgegenüber sind knapp 34.500 Türkeistämmige wieder in die Türkei migriert. Laut den Statistiken des Statistischen Bundesamtes sind es 58 Prozent, die aus dem europäischen Raum nach Deutschland migrieren. Insbesondere sind es Migranten aus Polen und Schweden. Allen voran sind es junge Schweden und Schwedinnen, die nach Deutschland kommen. Grund hierfür ist die hohe Jugendarbeitslosigkeit in Schweden. Diese lag im Jahr 2009 bei 25 Prozent. Von den politischen und sozialen Gesichtspunkten abgesehen, ist es also unsinnig, von einem Aufnahmestop für Türken und Araber zu sprechen. Hinzu kommt, dass die deutsche Politik das Problem der Integration noch bis vor 4 Jahren geleugnet hat und dass Deutschland ein Einwanderungsland ist. Des Weiteren werden immer noch keine gleichen Chancen in Bildung und auf dem Arbeitsmarkt geschaffen, aber gleichzeitig von Integrationsunwilligkeit der Migranten gesprochen. Wie sollen sich Menschen integrieren, wenn sie schon von vornherein gesellschaftlich diskriminiert werden? Diese Äußerungen dienen zu nichts anderem, als zur Spaltung der Gesellschaft. Indem zwischen Arbeitenden und Arbeitslosen oder Deutschen und Türken bewusst getrennt wird, lässt es sich besser regieren. Ganz nach dem Motto „spalte und herrsche“ werden durch die Hintertür die Sparpakete erlassen oder Steuern erhöht, um die Lasten der Krise auf Werktätige leichter abwälzen zu können. Des Weiteren werden dadurch Vorurteile weiter vertieft und Fremdenhass geschürt, sodass diese Politik kontraproduktiv ist. Sie wirkt sich nämlich integrationshemmend statt integrationsfördernd aus.

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