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Aus Chancen Kämpfe zu machen

Die 1980 gegründete Föderation Demokratischer Arbeitervereine (DIDF) wird ihren 23. Bundeskongress am 17. und 18. Februar 2024 in Mannheim abhalten. Vor dem Kongress, der in einer Zeit vieler wichtiger Entwicklungen in der Welt und in Deutschland stattfindet, haben wir mit der Vorsitzenden Zeynep Sefariye Ekşi über die Vorbereitungen gesprochen.

Die DIDF Ortsvereine halten ihre Kongresse ab. Am 17. und 18. Februar findet der Bundeskongress statt. Wie beurteilst du die bisherigen Ortskongresse und wie bereitet ihr euch auf den Bundeskongress vor?

Unsere Ortskongresse, die im Dezember begonnen haben, werden am 11. Februar zu Ende gehen. Unsere Kongresse finden in 30 Städten in Deutschland statt. In 3 Städten haben wir Gruppen im Aufbau. An den Auswertungen und Diskussionen auf unseren Kongressen haben hunderte von Vereinsmitgliedern oder auch Nichtmitgliedern, Freunden und Vertretern von Organisationen, mit denen wir gemeinsam gekämpft haben, teilgenommen. Wir legen Rechenschaft ab über unsere Arbeit und über die Prozesse, die wir als Organisation durchlaufen. Wir werden die Ergebnisse zu unserem Bundeskongress bringen und auf der Grundlage eines gemeinsamen Ziels Entscheidungen darüber treffen, was unsere wichtigsten Themen in der kommenden Zeit sein werden.

Wie beurteilst du die Zeit, durch wir derzeit gehen?

Von Jahr zu Jahr wird es für die Beschäftigten immer schwieriger. Sowohl in Deutschland als auch weltweit. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der Wettbewerb auf dem internationalen Parkett nimmt zu. Die Großmächte greifen mit militärischen Mitteln in die gegenseitige Souveränität ein. Der Krieg in der Ukraine, der sich nun schon im zweiten Jahr befindet, und der Krieg gegen das palästinensischen Volk vor den Augen der Weltöffentlichkeit sind die Ergebnisse davon. Diese Verteilungskämpfe und die Kriege haben das Potenzial, sich auszuweiten und weiter zu eskalieren. Die Armeen, deren Budgets in Rekordhöhe aufgestockt wurden, werden auf neue Kriege im Interesse der Konzerne vorbereitet. Die Kosten dieses Prozesses werden im Rekordniveau auf die Bevölkerung abgewälzt. Der Bundeshaushalt 2024 ist das konkreteste Beispiel dafür. Auf der einen Seite handelt die Regierungen im Interesse der Unternehmen, nicht für die Forderungen und Bedürfnisse des Werktätigen, auf der anderen Seite reihen sich Millionen in die Armutskarawane ein, bedingt durch rekordverdächtig sinkende Löhne, steigende Lebenshaltungskosten und Inflation, die irrsinnige Anhäufung von Reichtum durch die Reichen, die immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich.

Die Unzufriedenheit der Beschäftigten hält an. Wie beurteilst du die politischen Folgen dieser wirtschaftlichen Situation?

Die Arbeiter und auch die Mittelschicht sind auf der Suche. Die Unzufriedenheit der Massen wächst. Die Unterstützung für die Regierungsparteien nimmt ab. Aber leider erhöht das nicht direkt die Chancen des Kampfes. Das gilt auch für den Aufstieg der AfD. Das sind die negativen Folgen dieser Entwicklungen. Aber wir befinden uns in einer Zeit, in der diese Situation auch Kampfmöglichkeiten bietet. Es gibt viele Entwicklungen, wie z.B. den zunehmenden Kampf gegen Rassismus auf der Straße, dass Beschäftigte in den Gewerkschaften aktiv werden, dass die Menschen die Folgen der Kriegspolitik der Regierung sehen, dass die Friedensbewegung im Vergleich zu gestern an Schwung gewinnt, dass die Umweltbewegung sich gegen die kriminalisierende Politik der Regierung wehrt. Was fehlt, ist die Fähigkeit all dieser Bewegungen, sich mit gemeinsamen Forderungen zusammenzuschließen und sich gegenseitig zu stärken.

Wie bewertest du in diesem Zusammenhang die Bewegung, die das Verbot der AfD fordert, wo sind die Türkeistämmigen bei den Protesten?

Die antifaschistischen Massendemonstrationen, die begonnen haben, nachdem bekannt wurde, dass sich eine Gruppe von Rechten getroffen hat, um die Abschiebung von Migranten zu planen, geben uns allen Hoffnung. In einer Zeit, in der rechte Bewegungen nicht nur in Deutschland, sondern weltweit immer stärker werden, ist es für uns von großer Bedeutung, dass es in Deutschland zu einer so großen Protestwelle gekommen ist. Die deutschen Rassisten, die gegen Migranten hetzen, haben die stärkste Antwort der deutschen Bevölkerung erhalten. Die Teilnahme von Hunderttausenden an den Demonstrationen zeigt dies. Auch wir Migranten, insbesondere die türkeistämmigen, sollten uns an diesen Protesten beteiligen.

Nach Beginn der Proteste konnten wir beobachten, dass sich türkeistämmige Frauen, Jugendliche und Arbeiter den Protesten anschlossen. Einige von ihnen, die vorher nicht gegen Rassismus auf die Straße gegangen waren, wurden aktiv. Doch eine organisierte Kraft können diejenigen, die heute gegen Rassismus auf die Straße gehen, nur werden, wenn wir unsere Arbeit machen. Denn unser Verband versteht sich seit seiner Gründung als Teil der antifaschistischen Bewegung in Deutschland und kämpft auf dieser Grundlage. Es ist unrealistisch, dass ein unorganisierter antifaschistischer Kampf die Rassisten dauerhaft zurückdrängen kann.

Wir müssen beachten, dass verschiedene politischen Parteien und Organisationen versuchen werden, diesen Prozess für sich zu nutzen. Unser wichtigstes Ziel ist es, uns mit den richtigen Botschaften an diesen Aktionen zu beteiligen, unsere Materialien einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen und auf dieser Grundlage Aufklärungs- und Organisationsarbeit insbesondere unter den türkeistämmigen Migranten zu leisten. Auf unserem Kongress werden wir den Kampf, der sich in einigen Aspekten entwickelt hat, und die Chancen, die sich daraus ergeben, diskutieren.

Was sind die Schwierigkeiten der türkeistämmigen Migranten in der zurückliegenden und in der vor uns liegenden Zeit und wie können sie überwunden werden?

Die wirtschaftlichen, politischen und sozialen Entwicklungen sind in vielerlei Hinsicht schmerzhaft. Davon sind natürlich auch die türkeistämmigen Menschen betroffen, die überwiegend Werktätige sind. Die Debatten um Migration, Einwanderung und Flucht werden uns weiterhin unmittelbar betreffen. Der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung ist weit fortgeschritten, aber noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus werden die Regierungspartei in der Türkei und ihre verlängerten Arme in Europa versuchen, türkeistämmige Menschen aus der Gesellschaft, in der sie leben, herauszulösen und in ihren Einflussbereich zu integrieren. Ihre Bemühungen in dieser Richtung werden sich in dem Maße verstärken, in dem sich die Entwicklungen verschärfen. Das haben wir bei den Wahlen in der Türkei im vergangenen Jahr wieder gesehen. Wir werden uns weiterhin um Solidarität mit den Kräften der Arbeit und der Demokratie in der Türkei bemühen, wohl wissend, dass unsere Probleme, aber auch unsere Lösungen in Deutschland liegen.

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