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Canim Kreuzberg

Alev Bahadır

„Canim Kreuzberg“ heißt ein Dokumentarfilm oder vielmehr eine Liebeserklärung an den Berliner Stadtteil. Der Film besteht aus zwei Teilen. Der eine heißt „Kiymet“ von Regisseurin Canan Turan und der andere trägt den Namen „Bastarde“ von Aslı Özarslan. Beide jungen Frauen schildern in ihren Kurzfeatures ihre Lebenswelten. Eines haben die beiden gemeinsam: Sie sind Türkeistämmige in Berlin Kreuzberg, der Ort, den beide als Zuhause empfinden. Turan schildert in ihrem Teil „Kiymet“ die Geschichte ihrer Großmutter, die als sogenannte Gastarbeiterin nach Deutschland kam. Ihre Großmutter, Kıymet Özdemir, kam in den sechziger Jahren mit ihrem Mann nach Deutschland, vor allem, um der politischen Verfolgung zu entgehen, der sie in ihrer Heimat als Sozialistin ausgeliefert war. Jahrelang war Berlin-Kreuzberg ihr Lebensmittelpunkt. Mittlerweile lebt Kıymet Özdemir, trotz ihrer innigen Verbundenheit zu Kreuzberg, wieder in der Türkei. Turan schildert die Problematik, mit der die Gastarbeiter damals konfrontiert wurden: „Arbeiterinnen und Arbeiter türkischer Herkunft hatten zum Beispiel vor 40 Jahren nicht das Recht, in den Betriebsrat gewählt zu werden. Auch an den Schulen gab es Diskriminierung. Kinder sind erst einmal in rein türkische Klassen gegangen“. Zudem erzählt Özdemir auch von dem Rassismus, der damals überall präsent war. So fand man überall den Schriftzug „Türken raus“. Auch heute gibt es das noch in Kreuzberg, laut Canan Turan. Ein zentrales Thema von „Kiymet“ ist der Begriff „Heimat“. Denn obwohl Großmutter Özdemir in die Türkei zurückgekehrt ist, merkt man auch ihr das „Heimweh“ an. „Unser ganzes Leben haben wir hier in Kreuzberg verbracht. Ich wollte hier nicht weg, ich wollte nicht woanders in Deutschland wohnen“, erzählt sie wehmütig. Der Grund, warum Canan Turan für ihre Dokumentation ausgerechnet das Leben ihrer Großmutter portraitierte, sind ihrer Meinung nach die Lücken in der Geschichtsschreibung: „Die Geschichten der ersten Einwanderergeneration finden sehr wenig Platz in der medialen Repräsentation in Deutschland, auch kaum welchen in der offiziellen Geschichtsschreibung“.

Auch Aslı Özarslan behandelt den berühmten Berliner Stadtteil in ihrem Teil der Dokumentation. Jedoch handelt „Bastarde“ mehr von türkeistämmigen Künstlern aus Kreuzberg, vor allem Schauspielern, die einen Weg hin zur Anerkennung ihrer Kunst und weg von Klischees suchen. Tuncay Kulaoglu, Chefdramaturg des Theaters Ballhaus Naunynstraße beschreibt, wie Schauspieler unter den Schubladen, in die sie eben leichtfertig gesteckt werden, leiden: „Schauspieler türkischer Herkunft müssen bis heute den Gemüsehändler spielen und den türkischen Akzent nachmachen“. Noch immer herrschen bestimmte Stereotypen vor, wenn man von Migrantenjugendlichen spricht. In den Köpfen der Menschen sind immer noch Bilder von Zwangsheirat, Ehrenmord und Gewalt verankert, auch wenn es nur eine kleine Minderheit betrifft. Vor allem, weil das oftmals soziale und nicht kulturelle Probleme sind. Beide Frauen drehten diese Dokumentation als Ode an ihre Heimat, Kreuzberg und beide sind es Leidö immer wieder als „Ausländer“ abgestempelt zu werden. „Meine Nichtverbundenheit mit Deutschland rührt auch daher, dass ich mit Wörtern wie ›Ausländerin‹ aufgewachsen bin. Doch am revolutionären 1. Mai fühle ich mich ganz besonders zugehörig zu Kreuzberg“, beschreibt Canan Turan ihre Gefühle gegenüber Deutschland.

Herausgekommen ist ein 50-minütiger Film, der die Geschichten von älteren, als auch jüngeren Menschen miteinander verbindet. Von Gastarbeitern zu Schauspielern, denn sie alle verbindet die Liebe zu ihrem Lebensmittelpunkt: Berlin-Kreuzberg.

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