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Das korrekte Beherrschen einer Sprache ist der Schlüssel zum Erlernen jeder weiteren Sprache

Sezen Dinc

Wenn es einen Satz gibt, der in den Auffangklassen für Neuzuwanderer am meisten fällt, ist es wohl zweifellos: „Deutsch reden“. Doch ist das Erlernen der deutschen Sprache tatsächlich das Wichtigste für die Integration der Kinder aus Neuzuwanderfamilien? Für die Integration der Schüler in den Auffangklassen sei die deutsche Sprache ja wohl unabdingbar, so heißt es in fast allen Bundesländern in Deutschland, wenn es um die Auffangklassen geht. Dort werden Schüler zusammengebracht und die Aufgabe „der Integration“ den Lehrkräften zugeschoben. Dass die Mittel sehr eingeschränkt sind und dass die Klassen überfüllt und das Lehrpersonal überfordert ist, ist nochmal eine andere Geschichte.

Heiner Böttinger ist Professor für Englischdidaktik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt und hat viel zu Bilingualität und zum Erwerb von Fremdsprachen geforscht. Er ist der Auffassung, dass die Übergangsklassen für die Vorbereitung auf das deutsche Schulsystem von immenser Bedeutung sind. Doch betont er ebenfalls die Tatsache, dass es dennoch gefährlich ist, auf die Förderung der Herkunftssprache zu verzichten. Das ist in den deutschen Schulen aber der Fall, denn die den Kindern bereits bekannte Sprache spielt kaum eine Rolle. Dieses widerspricht allerdings den Erkenntnissen der Sprachforschung die kurz zusammengefasst folgendermaßen lautet: Eine bereits bekannte Sprache zu beherrschen, ist essenziell für das Erlernen jeder weiteren Sprache. Die Forschung spricht von einer Referenzsprache, die hinsichtlich der Grammatik und der Begriffsbildung das Grundgerüst im Hirn stellt, das sich auf weitere Sprachen anwenden lässt. Das heißt also, dass das korrekte Erlernen einer Sprache das Erlernen der deutschen Sprache um einiges erleichtern würde.

Ein Blick auf die Schulgesetze verschiedener Bundesländer zeigt, dass dort zwar etwas über Herkunftssprachenunterricht und auch darüber, dass man die bereits bekannte Sprache von Flüchtlingskindern nicht verkümmern lassen will, steht. Aber eben nur, wenn noch Mittel dafür übrig sind. In einem Papier aus Nordrhein-Westfalen heißt es beispielsweise, Herkunftssprachenunterricht könne, „im Rahmen der haushaltsrechtlichen und organisatorischen Möglichkeiten“ erteilt werden. In die Praxis wird dies also eher selten umgesetzt. Der Grund: keine Mittel, kein Personal und keine Zeit. Genau diese Tatsache will Böttinger so nicht hinnehmen. Es sei tatsächlich ein immenser finanzieller als auch zeitlicher Aufwand nötig, um für die vielen verschiedenen Sprachen, die die Schüler bereits bröckelnd beherrschen, in Deutschland qualifizierte Lehrer aufzutreiben. Doch gerade in einer globalisierten Welt spreche vieles für die Förderung der Sprache, der den Kindern aus geflüchteten Familien bereits bekannt ist.

Fakt ist, dass wieder einmal an der falschen Stelle gekürzt wird und dass dabei eben viele Möglichkeiten und Ressourcen der Schüler abhandenkommen. An dieser Stelle ist zu sagen, dass es sowohl aus sprachwissenschaftlicher Sicht, als auch aus Sicht der Chancengleichheit von Bedeutung ist, in den Bereich zu investieren.

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