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Das Türken-Problem

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“Während wir das Kurden-Problem zu lösen versuchen, produzieren wir ein Türken-Problem”. Solche Aussagen hörte man in letzter Zeit wieder häufiger. Man versuchte, die Reisen der Vertreter und Delegationen der HDK (Kongress der demokratischen Völker) mit “Kontraguerillamethoden” zu verhindern. Die Situation, die daraufhin entstand, bestärkte diejenigen, die ein “Türken-Problem” sehen wollen, in ihren Thesen. Einer der Verfechter dieser These ist der ehemalige Chefredakteur der Zeitung Hürriyet, der auch ein Experte der Provokation ist! Mit seiner Aussage, er habe sein “Türkensein” gekündigt, hatte er seine neueste Provokation in die Welt gesetzt nicht zuletzt, als er sagte, “Wach auf Nation!”

Was versuchen eigentlich diejenigen, die dieses “Türken-Problem” so gehäuft zur Sprache bringen? Wollen sie -aus Naivität- die Türken überzeugen, sich mehr zu engagieren? Nein, denn ihr Ziel ist es, die Atmosphäre zu vergiften. Sie wollen die Kluft zwischen Kurden und Türken vertiefen und sind Katalysatoren eines neu entfachenden Bürgerkrieges. Ist das etwa ein zu schwerer Vorwurf? Wenn wir uns die Entwicklungen anschauen, ist zu erkennen, dass dies leider nur die Realität widerspiegelt. Seit der Gründung der Republik passiert folgendes: Der als türkischer Staat organisierte Apparat verfolgt systematisch die Unterdrückung der Kurden. Massenmorde und Assimilationsbestrebungen sind ein Teil dieser Systematik. Seit 30 Jahren findet ein “niederschwelliger Krieg” statt. Offen gesagt, ist alles, was “im Namen der Türken” gemacht werden musste, durch den türkischen Staat, der die “Verkörperung des Türkentums” darstellt, gemacht worden und wird auch weiter fortgeführt.

Was noch nicht gemacht wurde und was auch trotz der vielfachen reaktionären Provokationen nicht erreicht wurde, ist, dass die zwei Völker sich verfeinden. Diejenigen, die gegen die berechtigten Forderungen der Kurden die Thematik des Türkentums entgegenstellen, sprechen nur die reaktionärsten, chauvinistischen Kreise innerhalb des türkischen Volkes an und provozieren ihre niederen Gefühle, die zu einem zivilen Kampf führen sollen. Im Kern zielt ihre Handlung auf dieses Ziel. Auch wenn dieses Ziel nicht erreicht wurde, entsteht eine rückschrittliche Atmosphäre und positive, demokratische Entwicklungen werden verhindert. Das ist die Rechnung, die dahinter steckt. Die Forderungen und die Ziele der Kurden sind bekannt. Sie wollen als freie und gleichberechtigte Staatsangehörige leben und fordern ihre natürlichsten Rechte ein. Dazu gehört selbstverständlich auch das Recht auf Bildung in der Muttersprache. Wer sind diejenigen, die sich gegen diese Rechte stellen? Im Wesen ist es “der Türkische Staat” und diejenigen Regierungen, die unter diesem Namen Politik machen. Ein Ergebnis der jahrelangen kurdischen Widerstandsbewegung ist, dass heute eine Phase erreicht ist, in der Gespräche stattfinden, in denen man gemeinsam nach “Lösungen” sucht. Die verantwortlichen Sprecher des kurdischen Volkes nehmen hieran teil und zeigen Bedingungen und Wege auf. Entweder der türkische Staat akzeptiert diese und die Gesprächspartner werden einen Kompromiss finden oder die Kämpfe werden weiter gehen. Die Kurden werden für ihre Forderungen in jedem Fall weiter einstehen. Derjenige, der sich gegen ihre Forderungen stellt, ist der Staat in Vertretung des Militärs, der Sicherheitskräfte, der Presse und Medien. Das Schicksal einer Nation wird ausschließlich durch diese Nation selbst bestimmt. Wenn man versucht, einem kämpfenden Volk, zusätzlich zu staatlich organisierten Kräften, auch die zivilen Kräfte, die Bevölkerung, entgegenzustellen, dann gibt es keinen Grund, dass die selben Verhältnisse wie im Balkan auch in der Türkei entstehen. Wer eine “nationale” Politik vertritt, muss sich dessen klar sein, dass – ob man es bezweckt oder nicht – diese Politik zu einem Bürgerkrieg führt, dass die Völker sich gegenseitig an die Kehle gehen. Diejenigen, die von einem “Türken-Problem” sprechen, diejenigen, die behaupten, dass “Türken und Kurden nicht gleich sein können”, versuchen in der türkischen Bevölkerung die rückschrittlichsten Emotionen zu wecken. Weder die türkische noch eine andere Bevölkerung, die eine nationale Herrschaft errichtet hat, kann kein stolzes, ehrenvolles Volk sein, wenn andere Ethnien unterdrückt, entrechtet werden und sie ihrer eigenen, nationalistischen Politik unterwirft. Werte wie nationale Ehre und Stolz können nur erreicht werden, wenn eine Nation gegen die äußeren, imperialistischen Kräfte kämpft, die ihre Unabhängigkeit mit Füssen tritt. Aus diesem Grund reduzieren der türkische Staat und Nationalisten, wie der ehemalige Chefredakteur der Hürriyet, ihren Begriff des “Nationalismus” auf das Kurdenthema und die Fortführung der Unterdrückung der Kurden und sind stumm gegen die Unterwerfung unter imperialistische Interessen und Politik.

Im Kern kann man Folgendes sagen: Die Kurden werden ihr Schicksal selbst bestimmen. Man kann die Überzeugung des türkischen Volkes hierfür nicht als Voraussetzung bestimmen. Ein Großteil der türkischen Bevölkerung ist sowieso gegen den seit Jahren andauernden Krieg. Der Staat seinerseits versucht mit aller Kraft eine Einigung zwischen den beiden Völkern zu verhindern. Eines ist klar: entweder das Problem wird aus Sicht der Kurden zufriedenstellend gelöst, oder beide Völker werden ihren eigenen Weg gehen. Diejenigen, die heute ein “Türken-Problem” herumposaunen, provozieren eine Spaltung der zwei Völker! Denjenigen muss eines gesagt werden: Die Kurden bringen immer noch ihren Wunsch zum friedlichen, gemeinsamen Leben beider Völker zur Sprache. Noch, beachtet das! Wenn ihr dies nicht beachtet, könnte es bald zu spät sein, dies beachten zu können.

Ahmet Yaşaroğlu

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