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Das Wohlbefinden der Kinder in Deutschland sinkt von Jahr zu Jahr

Özgün Önal

Seit der Pandemie wird die Lage von Kindern und Jugendlichen in verschiedenen Studien regelmäßig untersucht. Auch ohne wissenschaftliche Daten ist offensichtlich: Die psychische und physische Situation verschärft sich kontinuierlich – besonders im Hinblick auf schulische Leistungen und die sinkende Lebenszufriedenheit junger Menschen.

Der aktuelle Bericht des UNICEF-Forschungsinstituts Innocenti unterstreicht diesen besorgniserregenden Trend. Die Studie analysierte das kindliche Wohlbefinden in 43 Ländern der EU und OECD im Zeitraum von 2018 bis 2022. Untersucht wurden unter anderem die psychische und physische Gesundheit sowie die schulischen und sozialen Kompetenzen der Kinder.

Besonders auffällig ist der Rückgang der Lebenszufriedenheit: In fast allen untersuchten Ländern ist sie gesunken. In Deutschland gaben 2022 nur noch 68 % der 15-Jährigen an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein – ein Rückgang um sieben Prozentpunkte im Vergleich zu 2018. Als Ursachen nennt die Studie unter anderem problematische Erfahrungen in sozialen Medien, gestörte Beziehungen zu den Eltern und Mobbing. Dabei zeigt sich: Nicht die reine Nutzungsdauer digitaler Medien ist entscheidend, sondern die Qualität der Erlebnisse, die Kinder und Jugendliche online machen.

Auch die körperliche Gesundheit bereitet Sorgen. Der Anteil übergewichtiger Kinder und Jugendlicher ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Laut der Studie liegt das weniger an Bewegungsmangel, sondern vor allem an unausgewogener Ernährung und dem Konsum stark verarbeiteter Lebensmittel.

Besonders alarmierend ist der Einbruch der schulischen Leistungen: In 21 von 38 untersuchten Ländern – darunter Deutschland – haben sich die grundlegenden Kompetenzen in Lesen und Mathematik deutlich verschlechtert. In Deutschland sank der Anteil der Schülerinnen und Schüler mit grundlegenden Kompetenzen von 73 % im Jahr 2018 auf nur noch 60 % im Jahr 2022.

UNICEF warnt: Das kindliche Wohlbefinden darf nicht weiter ein Randthema bleiben. Es braucht klare politische Prioritäten, strukturelle Veränderungen und gezielte Investitionen. Die Empfehlungen des Berichts umfassen vier zentrale Handlungsfelder: die mentale Gesundheit der Kinder fördern durch Prävention, Stärkung der elterlichen Erziehungskompetenz und wirksame Anti-Mobbing-Maßnahmen, eine gesunde Ernährung und Bewegung ermöglichen – etwa durch kostenlose Schulmahlzeiten, mehr Grünflächen und kindgerechte Lebensumfelder, Bildungschancen verbessern – vor allem für benachteiligte Kinder durch gezielte Investitionen, digitale Teilhabe und Ganztagsangebote und Beteiligung von Kindern an Entscheidungen durch institutionalisierte Mitbestimmung, z. B. kommunale Beteiligungsstrukturen und eine Bundes-Kinderbeauftragte.

Darüber hinaus machen zahlreiche weitere Studien deutlich, dass das psychische Wohlbefinden junger Menschen eng mit ihrer Unsicherheit über die Zukunft verbunden ist: Klimakrise, Kriege und soziale Ungleichheit gehören zu den größten Ängsten von Kindern und Jugendlichen. Laut einer Umfrage einer zusammengeführten Studie sorgen sich rund 80 % der jungen Menschen in Deutschland vor allem vor Kriegen. Dennoch setzt die Merz- Bundesregierung wie ihre Vorgängerin auf Aufrüstung und Militarisierung.

Um das Wohlbefinden junger Menschen nachhaltig zu stärken, braucht es mehr Investitionen in Bildung, soziale Arbeit und psychologische Betreuung. Dies würde auch die Belastung von Lehrkräften, Schulsozialarbeiter:innen, Pädagog:innen und Schulpsycholog:innen uvm. deutlich verringern und für eine langfristigere Lösung beitragen.

 

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