Written by 09:07 DEUTSCH

Deniz Celik: „Ich möchte die Stimme der lohnabhängigen und Migranten sein.“

Thoya Kruse

Eine Woche nach den Bundestagswahlen, am 02.03.2025 hat Hamburg seine neue Bürgerschaft gewählt. Während wochen- und monatelang Wahlkampf für den Bundestag gemacht wurde, sind die Parteien in Hamburg zweigleisig gefahren und haben um die Stimmen für das Landes-/Stadtparlament, die Bürgerschaft gekämpft.

Anders als bei der Bundestagswahl hat die Mehrheit der Hamburger für ein „weiter so“ gestimmt – trotz Verluste für die Regierungsparteien sowie Zuwächsen bei den parlamentarischen Oppositionsparteien. Trotz Cum-Ex Skandals, der Ablehnung des NSU-Untersuchungsausschusses und der umstrittenen Privatisierung des Hamburger Hafens ist die Zufriedenheit mit dem Senat relativ hoch. Der Bürgermeister Tschentscher genießt im Vergleich zu seinen Herausforderern eine hohe Popularität.

Als Hauptgrund für die Wahl wurde von der Wählerschaft an erster Stelle noch vor der Wohnungspolitik das Thema Sicherheit und Ordnung genannt, welches noch von der rassistischen Migrationspolitik befeuert wurde. Mit diesem Thema schaffte es die CDU, enttäuschte SPD-Wähler für sich zu gewinnen und den größten Zuwachs zu erzielen – allerdings von historisch niedrigem Niveau. Im Ergebnis war am Ende die Wählerwanderung jedoch nicht stark genug, um der SPD wirklich gefährlich zu werden.

Die Linke hat mit ihrer Schwerpunktsetzung beim Thema bezahlbarer Wohnraum sehr gut gepunktet und mit ihren Forderungen nach einem Mietendeckel und der Vergesellschaftung von privaten Wohnungskonzernen ihr bestes Ergebnis für Hamburg in der Geschichte erzielt. Inzwischen hat sie in diesem Bereich ähnlich große Kompetenzwerte, wie die regierende SPD. Es ist erfreulich, dass die AfD deutlich unter 10% geblieben ist. Traditionell ist Hamburg als eine Großstadt ein schweres Pflaster für die AfD. In der Landespolitik konnte die AfD kaum Akzente setzen und hat im Unterschied zur Bundestagswahl viel schwächer ihre Wählerschaft mobilisieren können. BSW hat nach dem verpassten Einzug in den Bundestag enorm an Mobilisierungsfähigkeit verloren und ist kläglich an der 5% Hürde gescheitert.

Wir haben mit Deniz Celik, frisch gewähltem Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft und DIDF-Vorstandsmitglied aus Hamburg über die Wahlen und ihr Ergebnis gesprochen.

Deniz, Glückwunsch zu deiner Wiederwahl. Welche Erfahrungen habt ihr im Wahlkampf im Gespräch mit den Leuten gemacht?

Danke. Leider ist ein Drittel der Wahlberechtigten in Hamburg gar nicht wählen gegangen. Je niedriger das Einkommen, desto geringer ist in der Regel die Wahlbeteiligung. Viele von ihnen machen sich keine Hoffnung, dass sich mit den Wahlen etwas positiv für sie ändern könnte.

Wir haben in diesem Wahlkampf viele Haustürgespräche geführt. Dabei haben uns die Leute als dringlichstes Problem die steigenden Mieten und den Mangel an bezahlbaren Wohnraum genannt. In den Gesprächen haben wir häufig auf die Wiener Wohnungspolitik verwiesen, wo überwiegend kommunal und genossenschaftlich gebaut wurde und somit die Profitlogik größtenteils ausgehebelt werden konnte. Zudem ist es wichtig bei Problemen auch praktische Solidarität zu zeigen durch den Verweis auf unsere Mieterberatung sowie auf die Mietwucher-App, die gesetzeswidrige Mieterhöhungen feststellen kann. Viele Menschen betrachten Wohnen als Grundrecht und sind bereit, gegen die Profitlogik der Wohnungskonzerne aktiv zu werden. Das haben wir nicht zuletzt in meinem Wahlkreis erlebt, wo Vonovia-Mieter eine Mieterinitiative gegründet haben, um für sauberes Trinkwasser und gegen Legionellen durch ausbleibende Sanierung zu kämpfen.

Welche Rolle spielten die Bundestagswahlen?

Die Bundestagswahl hatte insofern Einfluss auf die Bürgerschaftswahl, dass junge Menschen sich verstärkt der Linken zugewandt haben, um gegen die spaltende Migrationspolitik und dem Rechtsruck etwas entgegenzusetzen. Die SPD und die Grünen haben sich von der AfD und der CDU vor sich hertreiben lassen und die Linke hatte bei der Verteidigung des Asylrechts ein Alleinstellungsmerkmal. Das erklärt auch die Verluste der Grünen bei den jungen Wählern und die Wählerwanderungen von den Grünen zu der Linken. Andererseits waren die Verluste der SPD bei der Bundestagswahl deutlich größer als bei der Bürgerschaftswahl. Die große Unzufriedenheit mit der Ampel-Koalition hat sich unterschieden von der relativen Zufriedenheit mit dem Hamburger Senat.

Haben die sozialen Bewegungen vor den Wahlen, beispielsweise im öffentlichen Dienst und die „Demos gegen rechts“, das Wahlergebnis in Hamburg beeinflusst?

Die Streiks im öffentlichen Dienst leisten einen Beitrag gegen den grassierenden Rassismus und den Rechtsruck. Wenn deutsche und migrantische Kolleginnen und Kollegen gemeinsam für mehr Lohn streiken, erkennen sie ihre gemeinsamen Interessen. Das Bewusstsein dafür, dass nicht die Migranten, sondern eine Politik im Interesse des Kapitals besseren Löhnen und besseren Renten im Wege steht, wird gestärkt. Und die Demos gegen rechts haben dazu geführt, dass mehr und mehr antifaschistisches Bewusstsein sich herausbildet. Als Reaktion auf den Rechtsruck bildet sich eine Gegenbewegung. Und das spiegelt sich auch im Wahlverhalten von jungen Menschen wider, die sich von den Parteien der Mitte abwenden und verstärkt die Linke gewählt haben.

Mit welchen Anliegen und welchem Auftrag gehst du jetzt in die Bürgerschaft?

Ich möchte in der Bürgerschaft die Stimme für die lohnabhängigen Menschen sein. Wir erleben seit Jahrzehnten, wie ihre Belange auf der Strecke bleiben. Auch in Hamburg ging die Privatisierung der Krankenhäuser und zuletzt des Hafens mit dem Abbau der Arbeiterrechte und schlechteren Arbeitsbedingungen einher. Und wir erleben eine beispiellose Aufrüstung, für die am Ende die arbeitenden Menschen die Zeche zahlen werden. Es wird bereits jetzt über die Streichung eines gesetzlichen Feiertages gesprochen und auch die tägliche Höchstarbeitszeit soll durch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit ersetzt werden. 16 Stunden Schichten wären wieder möglich. Gegen diese Angriffe auf die Rechte der arbeitenden Menschen und gegen die Militarisierung der Gesellschaft braucht es sowohl außerhalb als auch im Parlament eine starke Opposition. Als Abgeordneter dafür meinen Beitrag zu leisten, sehe ich als meinen Auftrag.

Close