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Der eingeknickte Ministerpräsident

 German Chancellor Angela Merkel speaks to Turkish Prime Minister Tayyip Erdogan as they address the media after meeting in the Chancellery in Berlin

Der türkische Ministerpräsident, Recep Tayyip Erdogan (AKP) war mal wieder zu Besuch auf deutschem Boden. Der Anlass seines Besuches war der bereits eingeläutete Wahlkampf im eigenen Land.

 

Denn der „große Reformator“ Erdogan hatte bereits die Gesetzeslage dahingehend geändert, dass sich zum einen auch die im Ausland lebenden türkischen Staatsbürger an den Wahlen beteiligen dürfen und zum anderen von nun an der türkische Staatspräsident direkt vom Volke gewählt wird. Für Erdogan bedeutet dies, dass er fleißig Wahlkampf machen muss. Und in Deutschland sind 1,5 Millionen wahlberechtigte türkische Staatsbürger. Das bedeutet, dass hierzulande ein Wählerpotential besteht und für eine regierende Partei ist es aus politischen Gründen wichtig, eine breite Unterstützung im Ausland zu haben. Denn Erdogan´s AKP-Regierung steht nicht mehr so solide auf den Beinen. Die staatlichen Repressalien gegen die Gezi-Demonstrationen, die Korruptionsaffären, die Kurdenfrage, sowie zuletzt das Gesetz zur Internetzensur haben die  Erdogans sogenannte „weiße Weste“ befleckt und der oppositionelle Druck wird immer größer.

 

Zu Besuch bei der Kanzlerin

Im Zuge des Wahlkampfes besuchte er auch die Führung der Großen Koalition. So war er zu Gast bei der Bundeskanzlerin Merkel, dem Vizekanzler Sigmar Gabriel und dem Außenminister Frank Walter Steinmeier. Bei dem Treffen bat Erdogan um mehr Unterstützung für den EU-Beitritt der Türkei und ist der Ansicht, dass die EU die Türkei brauche. Dies nahm die Kanzlerin eher kühn und gelassen entgegen und kommentierte diese Forderung damit, dass die Beitrittsverhandlungen der Türkei „ergebnisoffen“ seien. Insbesondere kritisierte die Kanzlerin die mangelnden Demokratiestrukturen und die stark politikbezogene türkische Justiz. Im Zuge der Korruptionsaffäre hatte sich herausgestellt, dass eine erschreckend hohe Zahl der betroffenen Richter und Staatsanwälte auch Mitglieder der AKP waren.

 

Von der Offensive zur Defensive

Nicht nur, dass die Gespräche für Erdogan „erfolglos“ verliefen, auch legte der Ministerpräsident eine etwas defensivere Haltung an den Tag. Während er noch bis vor den Gezi-Protesten mit breiter Brust der Bundeskanzlerin in der  EU-Krise Kredite anbot, schlug er diesmal leisere Töne. Dies hat auch seinen guten Grund: Denn zum einen kristallisiert sich immer mehr, dass Erdogan eher ein autoritäres System anstrebt und zum anderen ist der „Turbostaat Türkei“, seit dem Gezi-Sommer ins Stocken geraten, da ausländische Investoren ihr Kapital zurückzogen, was dazu führte, dass die neu etablierte Türkische Lira konstant an Wert verlor. Auch hat Erdogan mit seinem früheren Weggefährten, dem islamischen Prediger  Fetullah Gülen (ihm wird eine gewisse Nähe zur CIA nachgesagt) alle Hände voll zu tun. So blieb ihm nichts anderes übrig, als auf die Korruptionsaffäre angesprochen wurde, sich damit zu verteidigen, dass dies ein großer Komplott der Gülen-Bewegung gegen ihn sei. Von der angeblich wirtschaftlichen Stärke der Türkei verlor er diesmal kein Wort, obwohl er zuvor immer damit geprahlt hatte.

 

Erdogan braucht die EU   

Erdogan braucht die EU. Er ist nämlich nicht nur auf einem politisch absteigenden Ast, sondern sein Image, als der große Reformator, schwindet dahin. Vielmehr deklarieren die Medien, sowohl türkische als auch ausländische, ihn als „Sultan vom Bosporus“ oder auch ganz einfach als Diktator. Daher ist er gehalten, jedweden Weg einzuschlagen, der ihm seine Macht aufrechterhält. Auch wenn in der Türkei Zweifel dran bestehen, wie weit ein Beitritt in die EU dem Wohlergehen der Menschen dienlich sein soll, würde Erdogan mit dem Beitritt in die EU nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch profitieren. In wirtschaftlicher Hinsicht würde dies für den türkischen Handel bedeuten, keine Zölle oder sonstiger Ein- und Ausfuhrbeiträge zu zahlen. Dadurch, dass die Türkei kaum noch selber produziert, sondern alles aus dem Ausland einkauft, würde man hier erhebliche Kosten sparen. Auf politischer Ebene wäre der Gewinn ein immens höherer. Denn zum einen würde er seine Position selber stärken, zum anderen aber könnte er damit Repressalien des Westens damit gegen sich verhindern.

Auf der anderen Seite ist allerdings zu vermerken, dass es ein relativ unschlüssiges Handeln seitens der EU gegenüber der Türkei gibt. Deutschland und Frankreich monieren stets die mangelnde Demokratie oder werfen ihr diktatorische Mängel vor, bieten ihr aber gleichzeitig privilegierte Partnerschaften oder gar eine Mitgliedschaft an.

 

Organisierter Erdogan 

Trotz der politischen Schwäche zur aktuellen Stunde ist Erdogan dennoch gut aufgestellt und genießt an Einfluss unter türkeistämmigen Migranten. Denn er hat über die Jahre beachtliche Organisationsarbeit in Deutschland und Europa mit Hilfe von Organisationen wie der DITIB und der UETD geleistet. Diese Organisationen unterstützen ihn hier bei den kommenden Wahlen. So war es die Union Europäischer Demokraten (UETD), die unter dem Motto „Berlin trifft den Meister“ Erdogan hat einfliegen lassen. Vor dem Berliner Tempodrom hat Erdogan vor 4000 Menschen gesprochen. Gewitzt wie Erdogan ist, hebt er die Menschen da auf, wo die deutsche Politik sie hat liegen oder fallen lassen. Er gibt ihnen nämlich eine Wahlstimme. Ein Recht, welches den Türkeistämmigen zwar wenig nützt, weil sie hier leben, aber dafür umso mehr der AKP, weil sie ihre Macht festigen kann.

Onur Kodas

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