Written by 14:01 HABERLER

Der gemeinsame Auftritt im Lösungsprozess

Yusuf Karataş
Bei ihrem Auftritt am 28. Februar stellten Vertreter von HDP und der Regierung eine gemeinsame Erklärung vor, die die öffentliche Debatte bestimmt. Die Einen sehen darin einen großen Schritt in Richtung der Lösung der kurdischen Frage. Für andere ist sie lediglich der Grund für wachsende Bedenken. Alle fragen sich: Was bedeutet diese Erklärung?
Um diese Frage beantworten zu können, muss man sich vergegenwärtigen, unter welchen Bedingungen es dazu kam.
Als erstes kann man sagen, dass sowohl die PKK, als auch die Regierung dafür sind, die bestehende Feuerpause fortzusetzen. Besser gesagt: beide Parteien sehen sich dazu gezwungen, aufgrund der Entwicklungen in der Region sowie im Land den Lösungsprozess fortzusetzen. Die AKP ist im Nahen Osten vereinsamt und kann sich deshalb einen Kampf gegen die PKK nicht leisten.
Aus der Sicht der kurdischen Bewegung kann man mehrere Gründe aufzählen, warum sie für die Fortsetzung des Lösungsprozesses ist. Als erstes kann sie sich auf Rojava konzentrieren und somit ihre Bedeutung als ein regionaler Akteur verstärken. Zweitens kann sie aufgrund ihrer Stellung in Rojava und im Kampf gegen den IS die Politik der USA und westlicher Imperialisten, die sie weiterhin als Terroristen bezeichnen, stärker in Frage stellen. Und drittens trägt diese Zeit ohne Kampfhandlungen dazu bei, dass Öcalan zu einem der wichtigsten politischen Akteure im Land wird.
Man kann also sagen, dass die gemeinsame Erklärung für beide Seiten eine Folge der aus dem Lösungsprozess resultierenden Zwänge darstellt. Dabei ist die kurdische Bewegung die eigentliche Gewinnerin. Denn die Regierung, die die Gespräche bisher hinter verschlossenen Türen und über Dritte geführt hatte, musste mit dem gemeinsamen Auftritt der nationalen und internationalen Öffentlichkeit erklären, dass sie die Öcalan und die kurdische Bewegung als politischer Ansprechpartner anerkennt.
Nun zum Inhalt der Erklärung: Einige der Punkte, die Öcalan als Bedingungen einer friedlichen und demokratischen Lösung aufzählt, erfordern eine Verfassungänderung. Deshalb kann darüber erst nach den Wahlen verhandelt werden. Manche linksnationalistischen und chauvinistischen Kreise sehen darin den Beleg für eine Zusammenarbeit zwischen der AKP und der PKK. Eigentlich trifft eher das Gegenteil zu. Denn hierfür müsste die HDP die 10-Prozent-Hürde überwinden, was eine engere Zusammenarbeit mit den Kräften der Arbeiterbewegung und des Demokratiekampfes erfordert. Solange die vorhandene Unbestimmtheit anhält, können beide Seiten als Sieger daraus hervorgehen. Die Antwort auf die Frage, was für eine Lösung am Ende stehen wird, hängt vom Ausmaß und Inhalt des gemeinsamen Kampfes der kurdischen Bewegung mit der Arbeiter- und Demokratiebewegung ab.
Zum Aufruf Öcalans, die Waffen niederzulegen, muss man sagen, dass er nicht neu ist. Öcalan sagte bereits bei seiner Newroz-Botschaft 2013, dass die Zeit “für bewaffnete Kämpfe vorüber” und “für demokratische Politik angebrochen” sei.
Der Parteitag, auf dem die Waffenniederlegung beschlossen werden soll, ist im Gesamtkontext zu sehen. Dieser Beschluss würde dazu führen, dass niemand mehr die PKK als eine “Terrororganisation” bezeichnen könnte.
Allerdings ist damit die Lösung noch lange nicht erreicht. Sie hängt vom Kampf zwischen den Herrschenden, die heute von der AKP-Macht repräsentiert wird, und der kurdischen Bewegung und ihrer Verbündeten ab. Deshalb ist Schlussfolgerung, die die Kräfte der Demokratie- und Arbeiterbewegung aus der Erklärung ziehen müssen, folgende: angesichts der anstehenden Wahlen müssen sie ihre Kräfte bündeln – ohne wenn und aber.

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