Written by 09:00 DEUTSCH

Der Nahe Osten vor dem Flächenbrand

Yekta Doğan

Seit einem Jahr tobt die israelische Aggression in Gaza, in der die israelische Armee über 40.000 Menschen ermordet hat. Nun droht ein großer, regionaler Krieg. Nach den terroristischen Pager-Explosionen und massiven Luftangriffen hat die israelische Armee nun auch eine Bodenoffensive im Libanon gestartet. Berichten zufolge sind dabei über 1.500 Menschen ermordet worden, über eine Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen. Gleichzeitig gehen die Angriffe der israelischen Armee in Gaza, im Westjordanland und in Syrien mit voller Brutalität weiter. Als Antwort auf die Ermordung von Hisbollah und Hamas Anführern reagierte der Iran mit einem Raketenbeschuss auf Israel. Netanyahu kündigte bereits „Vergeltung“ für den Angriff an.

Trotz der steigenden Gefahr bleibt der Westen, darunter die USA und Deutschland, auf dem Kurs der bedingungslosen Unterstützung Israels. Jene Länder, die zu den Angriffen der israelischen Armee in Gaza, im Libanon und in Syrien schwiegen, zeigten prompt mit dem Finger auf den Iran.

„Wir stehen an Eurer Seite. Eure Sicherheit ist Teil unserer Staatsräson. Israel hat ein Recht auf Selbstverteidigung. Gegen die Gewalt der Hamas genauso wie gegen den Raketen-Terror des Iran und der Hisbollah”, sagte Außenministerin Baerbock. Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte umgehend die volle Solidarität mit Israel. Die USA verkündeten sofort, dass Israel jede nötige Unterstützung erhalten werde. Zuvor wurden zwei große Kriegsschiffe in die Region entsandt.

Dieselbe Scheinheiligkeit erlebten wir bereits nach dem 1. April, als Israel sieben iranische Beamte in Damaskus ermordete und der Iran mit Drohnenangriffen reagierte.

Ein Jahr nach dem 7. Oktober ist eines klar: Bei der Kriegspolitik Israels geht es nicht und ging es nie um Selbstverteidigung oder die Hamas. Ebenso handelt es sich nicht um eine religiöse oder ideologische Auseinandersetzung zwischen „Barbarei“ und „Zivilisation, wie Netanyahu es gerne bezeichnet. Israel und seine westlichen Verbündeten wollen den Nahen Osten nach ihren eigenen Vorstellungen formen, wofür der 7. Oktober ein gefundenes Fressen war. Es ist eine der spürbaren Entwicklungen in der sich zuspitzenden Konfrontation des Westens mit Russland und China. Im Zuge des Ukrainekrieges und der Sanktionen gegen Russland hat auch der Nahe Osten als Rohstoff-Lieferant wieder an Bedeutung gewonnen. Der Wirtschaftskorridor Indien-Nahost-Europa, der durch die besetzten palästinensischen Gebiete führt, ist eine der Antworten des Westens auf das chinesische Projekt der Neuen Seidenstraße. Viele der aktuellen Konfliktlinien spielen sich nicht ohne Grund an diesen Routen ab. Hinzu kommt das innenpolitische Interesse der Netanyahu-Regierung, den Krieg so lange wie möglich zu verlängern und auszuweiten, um von den Problemen und Protesten im eigenen Land abzulenken und seine Stellung zu stärken.

Close