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Der TV-Sender HAYATIN SESİ steht auf der Abschussliste

Der Oberste Rundfunkrat der Türkei (RTÜK) sprach gegen den kritischen Fernsehsender erneut eine Strafe aus. Dem Beschluss von RTÜK diente dieses Mal ein Interview mit der Vorsitzenden der Partei der Arbeit (EMEP), Selma Gürkan, als willkommener Anlass für die erneute Strafe. In der genannten Sendung vom 5. August 2016 hatte Gürkan im Hinblick auf den kurdischen Konflikt gesagt, es könne nicht die Rede von Auseinandersetzungen zwischen zwei bewaffneten Kräften sein. In Nusaybin, Cizre und Sur seien viele Zivilisten, darunter zahlreiche alte Männer, Frauen und Kinder getötet worden. Diese Aussagen wurden von RTÜK als „Propaganda für eine terroristische Organisation“ ausgelegt.

In der Begründung von RTÜK heißt es dazu: „Selma Gürkan stellte die Auseinandersetzung als eine Schießerei zwischen Zivilisten und staatlichen Sicherheitskräften dar, ohne die PKK zu erwähnen. Diese Aussagen normalisieren die Organisation und stellen sie als unschuldig dar.“ Damit beschloss der RTÜK erstmalig in seiner Geschichte eine Geldstrafe gegen einen Fernsehsender wegen fehlender Aussagen.

In einem anderen Verfahren verhängte RTÜK eine weitere Geldstrafe gegen „Hayatın Sesi TV“. Der Grund dafür war folgender Kommentar in einer Sendung: „Die Türkei scheiterte mit ihrer Syrien-Politik. Dies ist ein Grund dafür, warum die Türkei mit solcher Vehemenz gegen die Kurden vorgeht, warum sie kurdische Städte angreift. Mit zunehmendem Misserfolg in Syrien, stärkt sie auch ihre Angriffe gegen die Kurden.“

In weiteren Verfahren hatte RTÜK gegen die TV-Sender Van TV und Özgür Gün TV Geldstrafen verhängt. In einer Sendung Ende Juli hatte ein Kommentator die Staatsführung aufgefordert, mit Abdullah Öcalan Gespräche aufzunehmen. Auch die Tageszeitung „Evrensel“ wurde letzte Woche Opfer einer Kampagne. Eine regierungsnahe Zeitung hatte in einem Bericht ohne Angabe von Quellen berichtet, in Justizkreisen werde ein Verbotsverfahren gegen die Zeitung vorbereitet.

Auch Hayatın Sesi TV war zuletzt im Mai zu mehreren Geldstrafen verurteilt worden. Diese Strafen hatte die Leitung des Senders damals als „vorbereitende Schritte für die Schließung des Kanals“ bezeichnet. Nach ihrer Einschätzung versucht „RTÜK, die Grundlage für eine Schließung unseres Senders zu schaffen“. Nach ihren Angaben wird ein TV-Sender im Falle eines wiederholten Verstoßes gegen RTÜK-Richtlinien zunächst für 10 Tage vom Netz genommen. Wenn der Verstoß binnen Jahresfrist zum zweiten Mal wiederholt wird, wird dem Sender die Lizenz entzogen.

Die Leitung von Hayatin Sesi TV bezeichnete die Angriffe gegen ihren Sender zugleich als ein Versuch, das Recht auf Informationsfreiheit in der Türkei abzuschaffen. Sie rief die Öffentlichkeit auf, sich für die Verteidigung dieses Grundrechts einzusetzen und mit dem Sender zu solidarisieren.

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