Written by 15:54 Allgemein

„Die DITIB wird aus Ankara geleitet“

Dr. Lale Akgün hat unsere Fragen zur der aktuellen Moscheebaudebatte in Köln beantwortet. Sie ist Mitglied der Jury, die das Modell für die Moschee aussuchen sollte.

In der Öffentlichkeit wird wieder der Moscheebau in Köln diskutiert. Wie sehen Sie diese Diskussionen?
Vor allem möchte ich gerne noch einmal daran erinnern, dass dieses Projekt von Beginn an immer kritisch diskutiert wurde, es sind unschöne Diskussionen gelaufen. Die rechte Gruppe ProKöln, hat mit dieser Debatte Anhänger gewonnen. Paul Böhm ist eine angesehene Persönlichkeit, ein angesehener Architekt. Mit der Auflösung des Vertrages mit ihm werden viele alte Diskussionsthemen wieder aufflammen. Das wird nicht gut sein. Das finde ich gar nicht richtig. Denn nach jeder Diskussion werden immer wieder die Vorurteile geschürt. Als die Höhe der Minaretten diskutiert wurde, hatte Böhm die Öffentlichkeit überzeugen können und für Deeskalation gesorgt. Aus diesem Grund ist es für das Projekt fatal sich von Herrn Böhm zu trennen.

 
Ist der Grund für die Kündigung, wie sie vorgetragen wird, aus ihrer Sicht eine rein Finanzelle?
Ich bin kein Ingenieur und kein Architekt. Aber so wie es behauptet wird, sind 2000 Mängel natürlich nicht nachvollziehbar. Ich als Bürgerin stelle mir die Frage: Warum wurde so lange gewartet, wenn es wirklich so viele Mängel gab? Warum wurde nicht interveniert, als die Mängel noch wenige waren? Denn diese angeblichen 2000 Mängel sind natürlich nicht innerhalb von einer Woche entstanden. Das zweite ist, es gibt einen Beirat, der mit der Beratung dieses Projektes beauftragt wurde. Warum wurde der Beirat nicht eingeschaltet und um Unterstützung gebeten? Die DITIB trifft hier eine Alleinschuld. Denn die Aufgabe des Beirates ist, genau in solchen Krisensituationen zu vermitteln.

 
Sowohl Herr Böhm als auch Sie haben in Stellungnahmen gesagt, dass es mit dem neuen DITIB-Vorstand viele Veränderungen gegeben habe und dass der Konflikt damit in Zusammenhang stehe. Können Sie das etwas näher erläutern?
Zu Beginn dieses Projektes habe ich den Bau dieser Moschee sehr befürwortet. In der Vergangenheit gab es zwischen der DITIB und mir eine gute Zusammenarbeit. Die mit dem alten DITIB-Vorstand gelebte Offenheit, Toleranz für andere Meinungen sehe ich in dem jetzigen Vorstand nicht mehr.
Sie sagen auch ganz offen, dass die DITIB aus Ankara geleitet wird.
Das ist seit Jahren so. Das sollte die DITIB auch nicht leugnen. Selbstverständlich sind die DITIB und das Ministerium „Türkische Anstalt für islamischen Angelegenheiten“ in der Türkei miteinander verbundene Organisationen. Auch wenn die DITIB als ein Verein nach deutschem Recht gegründet wurde, steht sie in direktem inhaltlichen und personellen Zusammenhang mit Ankara. Das sage ich ganz offen.

 
Die deutsche Regierung macht die DITIB, die so sehr in struktureller Verbindung mit der türkischen Regierung steht, zu einem Kooperationspartner. Was denken Sie darüber?
Meiner Ansicht nach macht die deutsche Regierung zwei große Fehler. Der erste ist, der Wille, dass die Moslems in Deutschland genauso organisiert werden sollen, wie die Christen und dadurch ein Ansprech- und Kooperationspartner geschaffen werden soll. Der Islam in Deutschland ist nicht organisiert, daher ist es schwierig einen Kooperationspartner zu ermitteln.
Der zweite Fehler ist, dass sie jede Organisation als Ansprechpartner akzeptiert, die vorgibt, den Islam zu vertreten. In den muslimischen Organisationen sind 10-15% aller Moslems organisiert. Die restlichen 85% der in Deutschland lebenden Moslems wollen von diesen Vereinen und Organisationen gar nicht vertreten werden.

 
Für den Bau dieser Moschee haben viele Menschen gespendet und es sind große Summen dabei gesammelt worden. Jetzt wird gesagt, dass die gesammelten Gelder nicht reichen und wieder Spenden gesammelt werden sollen.
Ich rate allen Menschen, sich genau zu überlegen, wem und wohin sie spenden. Ich bin bald 60 Jahre alt und seit meiner Kindheit habe ich immer Männer in Mänteln gesehen, die für Moscheen Geld gesammelt haben. Das geht immer noch weiter. Es ist immer leicht, das Vertrauen der Menschen in religiösen Angelegenheiten zu gewinnen. Der Glaube macht die Menschen weich, und sie möchten natürlich gerne in sinnvolle Dinge spenden. Das ist leider aber nicht immer so. Ich spreche nicht von wirklich reichen Menschen, sondern von denjenigen, die wirklich nicht viel Geld haben und trotzdem von dem Wenigen auch noch etwas spenden wollen. Diese sollten wirklich gut abwägen, bevor sie spenden.

YÜCEL ÖZDEMİR

 

Close