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Die einzige Lösung ist der Frieden

Die getöteten Soldaten und Dorfschützer von Cukurca brachten nicht nur für deren Familien und Freunde tiefe Trauer. Die Öffentlichkeit fühlte mit ihnen. Die Berichterstattung in den Medien hatte allerdings ein anderes Ziel, als die Bewältigung dieser Trauer. Sie schlachteten die Nachrichten vom Tod und der Beerdigung der Soldaten bis zum Schluss aus, als wollten sie sagen: Seht her, wir haben die tiefste Trauer! Wir wissen, dass dies dazu dienen sollte, die Toten für die eigene Propaganda zu instrumentalisieren. Sie sollten für ihren Versuch herhalten, Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft gegeneinander zu hetzen. Es war der Ausdruck der Versuche bekannter politischer Kreise, die Spannungen zu vertiefen. So garnierten sie ihre Meldungen über die Bombardierung kurdischer Regionen mit Informationen über die Eigenschaften türkischer Kampfjets, um diese Propaganda „vielfältig zu gestalten“. Bei diesem Anlass versäumten sie es nicht, diejenigen, die für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage sind, in der feindlichen Front zu positionieren.
In dieser geschaffenen Stimmung starteten Kampfjets der türkischen Luftwaffe, unterstützt von Artilleriefeuer Stützpunkte der PKK in Kandil, Hakurk, Zap, Arsavin usw. Nach Angaben des Generalstabs wurden ausgesuchte Ziele bombardiert und Guerilla-Verbände „außer Gefecht“ gesetzt.
An der Regierungsfront wurde eine neue Strategie ausgerufen, nach der das Problem mit mehr Waffengewalt zu lösen sei. Der Strategiewechsel sollte nach Bekanntwerden des Angriffs in Silvan vorgezogen und nunmehr noch vor dem Ende des Fastenmonats Ramadan umgesetzt werden. Danach wird eine Berufsarmee aufgebaut und eingesetzt. Der Einsatz von Sonderteams wird durch den Einsatz von spezialisierten Polizeikräften unterstützt. Die Antiterror-Einheiten der Polizei werden reorganisiert. Die Gouverneure in den kurdischen Provinzstädten werden mit Sonderbefugnissen ausgestattet. Und diese neuen Maßnahmen werden flankiert von neuen Regelungen, die politische Parteien und Intellektuelle, „welche sich nicht eindeutig von der Terrororganisation distanzieren“, zur Zielscheibe neuer Angriffe machen.
Die Debatte über diese neue Strategie wird in einem gesellschaftlichen Klima geführt, das mittels der propagandistischen Kampagne bezüglich der Todesfälle geschaffen wurde. Wenn man die Entwicklungen objektiv betrachtet, wird einem das Bild vermittelt: „Es gab bis vor kurzem keine Probleme. Sie entstanden erst durch die jüngsten Morde an den Soldaten. Der Ermordung von Soldaten müssen wir Einhalt gebieten und brauchen deshalb die neue Strategie.“
Das allerdings entspricht nicht der Wahrheit. Wahr ist, es handelt sich um einen Krieg, der seit einem Vierteljahrhundert anhält und dem nach offiziellen Angaben 45-50 Tausend Menschen zum Opfer fielen. Es wurden in dieser Zeit Zehntausende von Menschen in Gefängnisse gesteckt. Viele wurden aus ihren Dörfern vertrieben. Und es handelt sich um ein Problem, das 15-20 Millionen Kurden unmittelbar betrifft, und das mit kosmetischen Korrekturen nicht von der Welt zu schaffen ist.
So ging die Regierung das Problem zumindest seit dem April 2009, als die „kurdische Öffnung“ ausgerufen wurde, eigentlich auch an. Und bis vor kurzem führte sie mit dem inhaftierten PKK-Führer Öcalan auch Verhandlungen. Aber heute leugnet die Regierung diese Entwicklungen und möchte neue Strategien einsetzen, die wir aus frühen 90er Jahren kennen. Sie schreckt selbst davor nicht zurück, neue Straftatbestände zu erfinden, um das Problem zu lösen.
Diese Maßnahmen der Regierung werden von Kreisen, die die Gewalt als einzige Lösung sehen, mit Beifall begrüßt. Sie warten ungeduldig auf den Startschuss und können nicht einmal das Ende des Fastenmonats abwarten. Sie fordern die Bombardierung aller PKK-Lager dies- und jenseits der Grenze.
Kurzum: die AKP-Regierung hat einen neuen Weg eingeschlagen, der die Ansätze für eine friedliche Lösung der kurdischen Frage zu Nichte macht, der die im letzten Jahrzehnt erzielten Fortschritte für nichtig erklärt.
Wie wir durch eigene Erfahrung sehen konnten, führt dieser Weg zu mehr Gewalt, mehr Blut- und Tränenvergießen. Nach solchen Erfahrungen und sich den daraus ergebenden Möglichkeiten für eine friedliche Lösung darf dieser Weg nicht weitergegangen werden. Das Beharren auf diesen Methoden ist mit gesundem Menschenverstand nicht vereinbar.

Ihsan Caralan
* Übersetzt von Mehmet Çallı

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