Für die politischen Häftlinge, die sich in Hungerstreik befinden, fangen jetzt die kritischen Tage an. Der Hungerstreik mit der Forderung nach Bildung und Verteidigung vor Gericht in der kurdischen Muttersprache und die Aufhebung der Isolationsbedingungen für Öcalan, dauern jetzt mehr als 55 Tage an. Ab jetzt kann jederzeit ein Häftling sterben. Erdogan jedoch spuckt Gift und Galle und sagt: „Das ist Erpressung und die machen doch nur eine Show“. Scheinbar kennt der Minister Präsident den Unterschied zwischen Widerstand leisten und Show machen nicht. Er selbst weiß genau, wie eine Show zu inszenieren ist. Die Häftlinge haben keine Forderungen, die sie unmittelbar betreffen, wie zum Beispiel die Verbesserung ihrer Haftbedingungen oder ähnliche. Was nicht heißt, dass ihre Haftbedingungen akzeptabel wären. Die Häftlinge streiken für unmittelbar politische Forderungen. Diese Forderungen sind seit Jahren einige der Kernforderungen der Kurden. Sowohl die kurdische Bevölkerung als auch diejenigen, die sich für die Demokratisierung des Landes einsetzen, wissen, dass es ohne einen echten Widerstand gegen den Staat keinen Millimeter Fortschritt geben kann. Die AKP-Regierung hat von ihren Vorgängern viel in Bezug auf Niederschlagung der Demokratiebewegung gelernt, allen voran von den Generälen. Sie ist in dieser Hinsicht sogar auf einer Vorreiterposition. Ihre Vorgänger haben auch vieles geleugnet und behauptet, aber zu sagen „das ist Erpressung“, ist denen nicht eingefallen. Die Häftlinge möchten Erdogan nicht erpressen. Ihre Forderung ist der natürlichste Wunsch eines Volkes. Sie wollen Bildung in der Muttersprache. Sie wollen sich in den Gerichten ihrer Muttersprache verteidigen. Sie wollen, dass die Isolationsbedingungen von Öcalan, den sie als ihren politischen Führer ansehen, aufgehoben werden.
Dass der Hungerstreik nun in eine kritische Phase übergeht, führte auch in den Medien und bei Kolumnisten dazu, dass sie sich diesem Thema widmen. Es gibt unter diesen, diejenigen, die sich diesem Problem auf humanistische und demokratische Weise nähern und den Hungerstreikenden recht geben. Ebenso gibt es jedoch diejenigen, die sich dem Thema emotions- und gewissenlos annähern und den Standpunkt verteidigen, dass solche Forderungen nicht mit einem Hungerstreik erkämpft werden dürfen. Diejenigen muss man fragen: Was können Häftlinge sonst tun, wenn sie hinter Gittern sind und sich nicht in ihrer Muttersprache verteidigen dürfen? Welche Forderung sollten die Häftlinge im Namen der kurdischen Kinder sonst haben, die mit dem ersten Schultag an den Fahneneid sprechen müssen, die mit den Worten „Ich bin ein Türke“ beginnt. Welche Forderung sollten die Häftlinge im Namen von Öcalan haben, den sie als ihren politischen Führer anerkennen, der jedoch seit Monaten nicht mit seiner Familie, seinen Verwandten und Anwälten Kontakt aufnehmen darf?
Die Forderungen der Häftlinge sind auch die Forderungen der kurdischen Bevölkerung, allen gewissenhaften Türken und allen Menschen in der Türkei, die Gleichheit und Demokratie fordern.
Die Regierung ist auf Konfrontationskurs gegen diese Forderungen und zeigt ein weiteres Mal, dass sie keine ernstzunehmenden Schritte zur Lösung des Problems einleiten wird und einleiten möchte. In diesen Tagen wird behauptet, dass das Justizministerium Maßnahmen plant, die das Ziel „Verteidigung in der Muttersprache“ anstrebt. Wenn dies erreicht werden sollte, wird es nur das Ergebnis des Widerstandes der kurdischen Bevölkerung sein. Denen, die der Überzeugung sind, dass die Forderungen der kurdischen Bevölkerung durch Unterdrückung und Barbarei vernichtet werden können, reicht es nicht, zu sagen „ihr irrt“. Ihr seid die Helfer und Unterstützer von Diktatur und Unterdrückung. Die kurdische Bevölkerung wird eines Tages ihr Recht bekommen. Kein Tropfen des Widerstandes, der Trauer und der Selbstlosigkeit wird umsonst gewesen sein. Die kurdische Bevölkerung führt einen ehrenvollen Widerstand und wird ehrenhaft leben. Aber diejenigen, die ihnen Barbarei und Unterdrückung antun und sie ignorieren, werden irgendwann ihren verdienten Platz in der historischen Müllhalde bekommen.
Ahmet Yasaroglu
Übersetzung: Serpil Karahan