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Die große Enteignung

Martin Hantke

Der 13. Januar 2012 war ein schwarzer Freitag für Frankreich. An diesem Tag verlor Paris die Einstufung der Top-Bonität des „AAA“. Die Rating-Agentur Standard & Poors hatte nicht nur Frankreich, sondern auch acht weitere EU-Mitgliedstaaten herabgestuft. Die unmittelbare Folge dieser Maßnahmen ist, dass sich Kredite dieser Staaten verteuern und der Ruf nach weiteren Kürzungen von Löhnen und Sozialleistungen verstärkt. Insbesondere die Unternehmensverbände nutzen die Situation, um Errungenschaften der französischen Arbeitsklasse, wie die 35-Stunden-Woche, sturmreif zu schießen.
In der Folge will der französische Präsident Sarkozy die deutsche Agenda 2010 auch in Frankreich umsetzen. Erst vor wenigen Tagen hatte er dazu auch den ehemaligen deutschen Bundeskanzler Schröder zum Gespräch in den Elysee-Palast gebeten. Dabei hat die französische Arbeitslosenquote mit offiziellen 9,3% den höchsten Stand seit 12 Jahren erreicht. Die Kürzungspolitik zur vorgeblichen Bewältigung der Krise zeigt damit bereits jetzt verheerende Wirkung.
Mit dem Verlust der höchsten Bonitätsnote für Frankreich, aber auch für andere EU-Länder, wie Österreich droht auch die bisherige so genannte Eurorettung völlig ins Rutschen zu geraten. Es ist absehbar, dass der EFSF, ein EU-Bürgschaftsfond, der es in Not geratenen Ländern zu sozial verheerenden Konditionen ermöglichen soll, weitere Kredite aufzunehmen, in Zukunft weit höhere Zinsen wird zahlen müssen. Dies gilt, da die relativ niedrige Kredithöhe des EFSF gerade von der guten Bonität von Ländern wie Frankreich abhing, die sich für diesen Fond verbürgen. Damit gerät zudem der Euro immer mehr unter Druck und verliert rapide an Wert, selbst im Vergleich zu historisch eher schwachen Währungen wie der indischen Rupie.
Zugleich rückt der vereinbarte Schuldenschnitt von 50% im Fall Griechenland in immer weitere Ferne. Ursprünglich war geplant, dass die privaten Gläubiger auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten sollten. Die Beteiligung der privaten Anleger war als eine Bedingung für das ursprünglich auf 130 Milliarden Euro veranschlagte zweite „Rettungspaket“ von EU und IWF genannt worden, um Griechenland vor der Insolvenz zu bewahren. In den letzten Monaten war aber sogar dazu gekommen, dass Spekulanten griechische Forderungen zu einem Marktwert von 20% gekauft hatten, um dann bei einem lediglich 50% Schuldenschnitt Kasse zu machen. Inzwischen sind die Gespräche mit dem internationalen Bankenverband, der die Gläubiger vertritt, über die konkreten Maßnahmen unterbrochen. Es wird immer unwahrscheinlicher, dass es zu einer Einigung kommt, da die Spekulanten und so genannten Investoren, für die künftigen Anleihen sehr hohe und im Grundsatz untragbare Zinsen von Griechenland verlangen.
Die Gewinner sind wieder einmal die privaten Großbanken und diejenigen, die auf Spekulationsgeschäfte setzen. Vor Weihnachten 2011 hatte die Europäische Zentralbank an über 500 Banken 489 Milliarden Euro zu einem Zinssatz von einem Prozent ausgeschüttet, der der Erwartung, dass die Banken diese Geld zum großen Teil an die Staaten als Kredite weiterreichen. Dies ist auch geschehen, nur, dass selbstverständlich ein wesentlich höherer Prozentsatz verlangt wird, von je nach Staat 3, 4 oder auch 7 und mehr Prozent. Der EZB-Kredit wirkt also wie eine Lizenz zum Gelddrucken für die Banken. Sie bereichern sich regelrecht auf Kosten von Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern. Somit wurde ihnen ermöglicht, auch so genannte Schrottanleihen bei der EZB als Sicherheit zu hinterlegen und damit ihre Kosten weiter zu senken.
So landen eben nicht mehr immer mehr faule Kredite, die die Banken abstoßen, bei der EZB, sondern dass Risiko für die EZB insgesamt nimmt immer mehr zu. Fast könnte man meinen, dass Geld zu drucken zum letzten Mittel der Währungshüter in Europa geworden ist. Damit findet aber eine gigantische Umverteilung von unten nach oben statt. Während die Beschäftigten die Zeche mit Lohn- und Sozialkürzungen zahlen sollen,  wird die öffentliche Hand weiter zu Gunsten der privaten enteignet.
Nur wenn die Beschäftigten die Eigentumsfrage stellen, haben sie die Möglichkeit, Widerstand zu leisten. Löhne und Sozialleistungen müssen rauf. Statt eines Abbruchszenarios für Europa braucht es ein sozial-ökologisches Zukunftsinvestitionspro-gramms. Dazu müssen die Profiteure und Verursacher der Krise endlich zu Kasse gebeten werden. Die Macht der Banken gilt es zu brechen, sonst werden diese sich weiter bereichern an einem System, dass die Umverteilung von unten nach oben perfektioniert zu haben scheint.

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