Written by 09:55 HABERLER

Die „Grüne Lunge“ in Frankfurt

Bayram Aksu

Seit ca. 5 Jahren tobt der Konflikt um die „Grüne Lunge“ in Frankfurt am Main. Es geht dabei um ein 16 Hektar großes Gebiet im Stadtteil Nordend. Etwa 13 Hektar davon sind ein sehr biodiverses Stadtnatur-Gelände. Vor allem wilde Gärten, zum Teil fast ein bisschen waldartig. Dort leben mindestens 72 geschützte Tierarten. Für viele Menschen in den angrenzenden Stadtteilen haben die Gärten zunächst einmal eine soziale Funktion. Eine Bürgerinitiative, die sich zur Verteidigung der Grünen Lunge gegründet hat, betont die wichtige Rolle dieser Naturfläche als kühlender Faktor für das Stadtklima und den ungewöhnlich großen Artenreichtum. Unter dem Grünen Planungsdezernenten Olaf Cunitz wurde jedoch beschlossen, dass dort Luxuswohnungen gebaut werden sollen. Es geht grundsätzlich um die Frage, ob Stadtentwicklung so aussehen kann, dass hunderte Bäume gefällt werden, unversiegelte Flächen zubetoniert werden, hunderte von Autostellplätze geschaffen werden. Wir haben mit Alexis Passadakis von der Klimagerechtigkeitsbewegung über die Grüne Lunge gesprochen.

Wer steht hinter dem gewünschten Bauprojekt?

Der Hauptinvestor ist die Instone Real Estate AG. Instone ist ein börsennotierter Immobilien-Projektentwickler. Einer der größten in der Branche, der in fast allen deutschen Großstädten aktiv ist. In Frankfurt ist es der größte Wohnimmobilien-Projektentwickler und damit einer der verantwortlichen Akteure dafür, dass Wohnungspreise und Mieten hier durch die Decke gehen und viele Menschen zur Verzweiflung getrieben werden. In Instone ist ein Querschnitt des globalen Kapitals investiert, das auf Renditejagd ist: Investmentfonds wie Capital, Rowe Price, Amundi, DWS, aber auch z.B. der Mega-Bank-Konzern Goldman Sachs. Größter Anteilseigner ist Fidelity, die Nr. 3 unter den großen Fonds mit einem Anlagevolumen von 2,5 Billionen Dollar. 

Was wurde bisher gegen die Zerstörung der grünen Lunge getan?

Die Stadtregierung aus CDU, SPD und Grünen möchte das Projekt durchsetzen. Vor etwa fünf Jahren hat sich eine Initiative gegründet, die auf die Qualitäten dieses Areal aufmerksam gemacht hat: Durch Führungen, Pressearbeit und Veranstaltungen. Wichtig ist zudem eine Gruppe von ca. 60 Menschen – vor allem Frauen – die sich in der Grünen Lunge Gärten genommen haben. Sie bauen dort kollektiv nach Permakultur-Methoden Gemüse an. Sie wollen das Areal als ökologisches „urban farming“-Gelände umgestalten; Als Kontrapunkt zu dem konzerngesteuerten globalen Weltagrarsystem.

Bisher wurden Demos mit bis zu 1000 Menschen auf die Beine gestellt. Wir wollen zeigen, dass dieser Ort verteidigt wird und sich nicht einfach roden lässt.

Was wurde bis jetzt erreicht?

In der Frankfurter Stadtgesellschaft ist inzwischen angekommen, dass es sich bei der Grünen Lunge um einen exemplarischen Konflikt zu der Frage handelt, wie Stadtentwicklung in Zeiten von Klimakrise und den Dynamiken von finanzmarktgetriebenen Immobilienmärkten gestaltet werden soll. Es geht also nicht um diesen Ort, sondern um globale Konfliktdynamiken. Einen wichtigen Teilsieg haben wir errungen, als wir die Basis der Grünen davon überzeugen konnten, gegen ihren eigenen Vorstand und die eigene Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung dafür zu stimmen, dass der Erhalt der Grünen Lunge und lediglich eine Bebauung der bereits versiegelten Randflächen in dem neuen Kommunalwahlprogramm verankert wird. Ein Stadtplanungsprozess „von unten“ für den Erhalt der Biodiversität, für ökologischen urbanen Nahrungsmittelanbau und ein solidarisches Quartier sind unsere politischen Ziele.

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