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Die Jugend wird weggespart!

Suphi Sert

Der „Sparzwang“ scheint jetzt richtig ausgebrochen zu sein. Das nennt man dann Krisenbewältigung und die Folge sind weitere Studentenrevolten in Britannien und Italien.
In England setzt sich seit Tagen und Wochen die Protestwelle der akademischen Jugend und derer, die es mal werden wollen, fort. Wer soll es ihnen übel nehmen, auf der einen Seite  steht die Verdreifachung der Studiengebühren an, auf der anderen soll es zukünftig kein Geld mehr für „weiche“ Fächer geben.
Die Basis der Studierendenschaft in England bangt um ihre Zukunft und zeigt dies in ihren Protesten gegen die Regierung und deren Pläne (Sparmaßnahmen). Den diese will die Studiengebühren von jetzigen 3345 Pfund (ca. 3700 Euro) auf bis zu 9000 Pfund (ca. 11.000 Euro) jährlich anheben.
Verräter Partei Tories
Die größte Aufmerksamkeit widmen indes die Studierenden und Schüler dem kleinen Koalitionspartner der Tories, denn die Liberaldemokraten (Lib Dems) sind ihrer Meinung nach die größten Verräter. Im Wahlkampf hatte der Chef der „Lib Dems“ Nick Clegg (Stellvertretender Premierminister) versprochen, dass seine Partei sich bedingungslos für die Abschaffung der Studiengebühren einsetzen werde. Und nun eine Verdreifachung? Da hat jemand aber gewaltig zu hoch gepokert! Die Studierenden stellen die Rechnung und zweifeln, ob diese Partei sich je von dem Glaubwürdigkeitseinbruch erholen wird.
“Weiche StudIengänge” sollen abgeschafft werden
Zudem ist die Regierung davon überzeugt, dass sie gegenüber den USA und Asien nur konkurrenzfähig bleiben kann, wenn sie in den Bereichen der Technologie, Mathematik und den Naturwissenschaften mithalten kann. Aus diesem Grund wollen sie ab nächstes Jahr die Finanzierung aller anderen Fachrichtungen Schritt für Schritt einstellen. Dies wären dann 80% der bisherigen finanziellen Mittel.
Die Folge des Ausfalls an Steuermitteln wäre die Verdreifachung der Studiengebühren ab spätestens Herbst 2012. Der ehemalige Direktor der weltberühmten Hochburg für Sozialwissenschaften „London School of Economics (LSE)“ Anthony Giddens berichtet, dass demnächst schon alle Lehrgelder für die LSE-Dozenten wegfallen sollen. Dies ist eine Strukturelle Benachteiligung bestimmter Fachrichtungen.
Das gleiche Spiel in Italien
Wie sollte es anders sein, Italien will auch an der Bildung sparen und Berlusconis Parlament hat die Hochschulreform abgesegnet. Obwohl Zehntausende Studierende in Italien protestierten und streikten.
Die geplante Reform (Sparmaßnahmen) sieht eine Kürzung von 700 Millionen Euro für das kommende Jahr allein für die Hochschulen vor. Zudem sollen viele Stellen im Hochschulwesen nicht wieder besetzt werden. Der Vorwurf der Studierenden an die Regierung ist, dass an den öffentlichen Hochschulen zugunsten der privaten gespart werden soll und die Lasten der Krise nun auf sie abgewälzt werden. Die Reform selbst kann schon am 9. Dezember im Senat endgültig verabschiedet werden.
Zusammenstöße zwischen Polizei und Demonstranten
Zehntausende junge Menschen sind in ganz Italien gegen die Kürzungen im Bildungswesen auf die Straße gegangen und in Rom ist die Polizei massiv gewalttätig gegen sie vorgegangen. An Schlagstöcken habe es seitens der Polizei nicht gemangelt. Alleine in Rom demonstrierten trotz Regen ca. 50.000 Menschen. In Genua gab es auch Ausschreitungen zwischen ca. 15.000 Demonstranten und der Staatsgewallt, bei Pisa besetzten 5000 Studenten die Fahrbahn, so dass sogar eine Autobahn gesperrt werden musste. In anderen Städten wie in Mailand, Venedig, Padua oder Triest wurden von Tausenden Protestierern Hauptbahnhöfe besetzt und der Zugverkehr lahmgelegt. Trotz der Proteste beschloss das Parlament die umstrittene Bildungsreform am selbigen Abend mit 307 Ja- und 252 Gegenstimmen im Abgeordnetenhaus. Jetzt fehlt nur noch die Abstimmung im Senat und hier hat Ministerpräsident Silvio Berlusconi ein viel geringeren Widerstand als im Abgeordnetenhaus zu befürchten.
Nichtsdestotrotz haben die Studentenverbände beschlossen ihre Demonstrationen fortzusetzen und sehen es nicht ein, warum sie zur Ader gelassen werden sollten. Denn sie haben die Krise nicht verursacht und wollen auch nicht die Quittung hierfür, die Adressaten seien die „großen Kapitalisten und deren Lakai Berlusconi mit seinem Staatsapparat“.

illkommen im Schuldenland
Viele der Studierenden werden am Ende ihres Studiums mit einem Schuldenberg da stehen und dürfen diesen dann erst einmal abbezahlen. Bei dieser psychischen Belastung soll auch noch das Studium beendet werden, vielleicht noch mit einer guten Abschlussnote? Fraglich ist aber eher, wer sich das dann noch leisten kann. In fast allen europäischen Ländern wird das Studium mehr und mehr ein Privileg der Reichen, wer also nicht aus begüterten Verhältnissen kommt, der wird sich das dreimal mit dem Studieren überlegen müssen.
Ohne es auszusprechen, liegt den Regierungen am Herzen, dass infolge der Sparmaßnahmen die Jugendlichen aus den benachteiligten Schichten „nützlichere Laufbahnen“ ins Visier nehmen, solche die lediglich eine Lehrlingsausbildung vorsehen. Damit sie noch mehr Kapital im Bildungssystem einsparen und die großen Firmen ihren Nachschub an Arbeitskräften nicht verliert und der Staat bzw. die Konzerne weiterhin ihre Profite einstreichen, denn was nützt es Monopolen, nur Akademiker im Lande zu haben?
Studierende und SchÜler aller Länder, vereinigt euch!
Die Proteste der Jugend nehmen ein ungeheures Ausmaß an Masse und Häufigkeit an. Auf der ganzen Welt sind diese Proteste zu beobachten. Die Gründe liegen klar auf der Hand, es wird versucht als erstes im Bildungswesen zu kürzen und die Auswirkungen der Krise auf die arbeitende Bevölkerung abzuwälzen. In Deutschland hat der Protest etwas nachgelassen, was nicht gleichbedeutend heißt, dass die Forderungen erfüllt wurden. Im Gegenteil, wenn die Proteste nicht bald wieder aufflammen, steht in Deutschland der nächste Angriff des Kapitals vor der Tür. Die Bewegung braucht wieder neues Elan, so dass die Bildungsstreikbündnisse wieder an Kraft gewinnen. Die deutsche Bewegung muss sich mit den Leidensgenossen in Italien, England und aller Länder solidarisieren, aber sich auch ein Beispiel von ihnen nehmen und wieder zu neuen Kräften kommen. Nicht dem bürokratischen Alltag verfallen, denn dies lähmt die Massen in der Jugendbewegung. Die meisten sind bereit, für ihre Zukunft zu protestieren, dies zeigen auch verschiedene Untersuchungen. Diese Tatsache sollte schnell ausgenutzt werden, ohne den langen Weg der Bürokratie und Basisdemokratie, welches die Bildungsstreikbündnisse bisher nur gelähmt haben. Es muss schnell gehandelt werden, denn wenn die englische Regierung mit seiner Reform durchkommt, dann gibt es einen europäischen Präzedenzfall. Also, auf zu neuen Kräften!

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