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Die kleine Weihnachtsgeschichte

Cigdem Ronaesin

Der neue Werbeslogan von Media Markt lautet „Weihnachten wird unter dem Baum entschieden“ und auf jedem Werbeplakat ist ein Bild mit verschiedenen Kindern, die sich mal gegenseitig mit der neuen Kamera fotografieren, mal mit einem Handy spielen. Wenn man das erste Mal daran vorbei geht, ärgert man sich wirklich immens über die Werbung, aber wenn man etwas drüber nachdenkt, wird einem klar, dass der Elektrohandel genau die Ader getroffen hat. Auch wenn Weihnachten und die Geschenke ursprünglich eine andere Geschichte haben, ist alles, was davon zurück geblieben ist: Zusammenkommen, essen, plaudern, aber in Wirklichkeit den ganzen Tag auf das Geschenk warten. Nach den Weihnachtsferien werden auf der Arbeit, in der Schule oder an der Uni nur über die Geschenke geredet. Weder über das leckere Essen, noch über die Gäste, die man schon seit sechs Monaten nicht gesehen hatte.
Die Geschäfte boomen
Auch wenn die Mitarbeiter viele Touristen zufrieden stellen, viel arbeiten müssen und besonders die Großstädte voll werden, hat die Medaille auch eine Kehrseite. Zum einen ist die Atmosphäre der Zeit eine der schönsten, zum anderen ist der Umsatz, den der Einzelhandel hat, der höchste im ganzen Jahr. Mit jedem Jahr werden die Anschaffungen größer, besser, teurer. Wenn früher ein Buch gereicht hat, wird jetzt ein E-Book verschenkt. Hat man früher zwei Kinokarten bekommen, erwartet einen jetzt gleich ein Fernseher. Je größer die Geschenke werden, desto glücklicher Media Markt und natürlich viele andere Ketten und Einzelgeschäfte. Dass die Geschenke immer „größer“ werden, zeigen auch die Zahlen deutlich. Nach dem Weihnachtsgeschäft 2010 gab der Einzelhandel einen Umsatz von 77 Milliarden Euro bekannt. Im Vergleich zum Jahr davor entspricht die Zahl einem Plus von 2,5 Prozent. Wenn man sich die Zahlen so anguckt, stellt man mit Bedauern fest, dass Media Markt gar nicht so falsch liegt.
Der Weihnachtsmarkt
Weltweit ist Deutschland eines der Länder mit dem bekanntesten Weihnachtsmarkt. Allein in Köln gibt es elf Weihnachtsmärkte mit verschiedenen Mottos. Menschen aus aller Welt kommen nach Deutschland, um einen bekannten Glühwein auf dem kalten Markt zu trinken. Im Grunde genommen ist da ja nichts auszusetzen. Die Menschen sind alle gut gelaunt, geben sich ständig gegenseitig eine Runde nach der anderen aus. Und je mehr der Alkohol fließt, desto glücklicher wird der Standbesitzer. Dazu ist jedoch zu sagen, dass einem alles etwas gestellt vorkommt. Die gute Laune, die „Nächstenliebe“ und die Freundlichkeit. Bei der Einstellung der Standarbeiter wird hochgepriesen, dass man an Weihnachten sich nicht erlauben dürfe, dem Kunden gegenüber schlechte Laune zu zeigen. Das sei an Weihnachten besonders wichtig, weil es die Zeit der Freude und der guten Laune sei. Aha stimmt, im Dezember gibt es auch keine Probleme und Sorgen. Einmal im Jahr sind die wie weggeblasen. Ausgerechnet auf dem Weihnachtsmarkt, wo man keine Menschen mehr sehen möchte und wo man sich von eingebildeten Touristen alles gefallen lassen soll.
Alle Jahre wieder
Irgendwann ist der Weihnachtsmarkt vorbei, das vierte Lichtlein brennt, schöne Feiertage liegen hinter einem und die Schule oder Arbeit beginnt von Neuem. Da kommt bei den meisten nicht christlichen Kindern das Gefühl des Andersseins. Während man zu Hause langweilig die Ferien verbracht hat, hat sich bei dem Freund, der nebenan wohnt, ein ganz anderer Film abgespielt.
Erst mussten die Geschenke besorgt werden, dann wurden Plätzchen gebacken, dann kamen und gingen Gäste. Fragen über Fragen, denn normalerweise kennt man aus dem eigenen zu Hause, dass es an Gästen nie fehlt. Kaum denkt man sich, dass die Zeit des Andersseins vorbei ist, sieht man am ersten Schultag den Tischnachbarn mit einem neuen Rucksack oder einer neuen Uhr.
Die ersten Generationen haben diese Phase alle Jahre wieder durchgemacht. Doch die dritte und vierte Generation macht es jetzt anders. Auch hier steht der Weihnachtsbaum schon Anfang Dezember im Wohnzimmer, die  Fenster des Adventskalenders werden Tag für Tag geöffnet und nach den Schulferien kann der Mustafa, der hier geboren und aufgewachsen ist, bei den Geschenken mithalten. Ja, das ist schon richtig. Der kleine Mustafa ist hier geboren, er weiß nicht, wann das Opfer- oder das Zuckerfest sind. Was er weiß, ist, dass er auch dieses Jahr am 24. Dezember mit seiner Familie Weihnachten feiern wird. Doch wie der Tag für ihn enden wird, das wird er wahrscheinlich unter dem Baum entscheiden.

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