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Die Kommunen sind pleite

RHEINBLICK

Özlem Alev Demirel*

Städte und Gemeinden tragen 70% der öffentlichen Investitionen, doch ihre Finanzausstattung ist miserabel. Seit vielen Jahren haben Bund und Länder den Kommunen nämlich immer mehr Aufgaben übertragen, ohne ihnen die zusätzlichen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen. Stattdessen wurden die Zahlungen an die Kommunen sogar gesenkt. So wurde beispielsweise der Verbundsatz, den die NRW-Kommunen vom Land zugeteilt bekommen, seit 1983 von 28,5% auf 23% gesenkt.
Wenn die Kommunen kein Geld mehr haben, dann werden Schwimmbäder, Jugendzentren
und Bibliotheken geschlossen und wichtige soziale und kulturelle Investitionen können nicht mehr getätigt werden.
Jede dritte Kommune in NRW hat derzeit einen Nothaushalt. Das bedeutet, dass sie ihre laufenden Ausgaben eigentlich schon nicht mehr finanzieren können. Die Kassenkredite aller Kommunen im Land liegen inzwischen bei etwa 19,5 Mrd. Euro. Im Vergleich zum Jahr 2005 haben sie sich somit fast verdoppelt. Über 90% der Kommunen in NRW können in diesem Jahr ihren Haushalt nicht mehr strukturell ausgleichen. Lediglich 8 von 396 Kommunen in NRW haben überhaupt noch einen strukturell ausgeglichenen Haushalt. Bereits heute sind neun Kommunen bilanziell überschuldet. Sie haben mehr Schulden als der gesamte öffentliche Besitz zusammengerechnet wert ist. Wenn nicht konsequent entgegengesteuert wird, wird sich diese Zahl in kürzester Zeit enorm vergrößern.
Denn die Wirtschaftskrise und die Umverteilungspolitik der vergangenen Jahre hat starke Spuren hinterlassen. Einerseits ist die Armut der Bevölkerung explosionsartig gestiegen und die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auseinandergegangen. Die Umverteilung fand aber nicht nur von Arm zu Reich statt, sondern auch die Städte und Gemeinden wurden vom Land und Bund ausgeplündert. Immer mehr Aufgaben wurden den Kommunen übertragen, ohne ihnen entsprechende Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Am stärksten hat sich das bei den Hartz-Gesetzen ausgewirkt. Hartz IV bedeutet nicht „nur“ Armut per Gesetz, sondern Hartz IV bedeutet auch die Abwälzung der Soziallasten vom Bund auf die Kommunen. Nicht nur aber auch deshalb müssen die menschenunwürdigen Hartz-Gesetze weg.
Doch die kommunale Finanznot ist nicht nur mit der Missachtung der so genannten Konnexität herzuleiten – der Verpflichtung von Bund und Ländern für die Übertragung von Aufgaben an die Kommunen auch für diese finanziell aufzukommen. Sie ist auch nicht lediglich eine Folge der Wirtschaftskrise. Vielmehr haben die Kommunen ein strukturelles Problem. Es war die Politik von SPD und Grünen, von der großen Koalition und von Schwarz-Gelb auf Bundesebene, die mit Steuergeschenke an Reiche und Konzerne die öffentlichen Kassen leer gewirtschaftet hat.
Auf Grund ihrer desolaten Haushaltslage sind viele Kommunen gezwungen, zu sparen. Dies bedeutet Kürzungen von so genannten freiwilligen Ausgaben, also der Schließung von kulturellen oder Sporteinrichtungen oder gar Privatisierung von öffentlichen Unternehmen.
Dieser Politik der Sparhaushalte und Umverteilung von unten nach oben muss man sich vehement entgegen stellen. Das Ausbluten der öffentlichen Haushalte muss endlich ein Ende haben. Anders als die bürgerlichen Kräfte und ihre Medien behaupten, haben die Kommunen  kein Ausgaben-, sondern ein Einnahmenproblem. Da die Kommunen keine relevanten Steuern selber erhöhen oder einführen können, müssen Bund, Land und Kommunen gemeinsam agieren. Dazu gibt es schon verschiedene Möglichkeiten, Gelder in die Kommunalkassen zu bringen: Einführung einer Millionärssteuer und der Finanztransaktionssteuer, die Wiederbelebung der Vermögenssteuer, die Ausweitung der Gewerbesteuer zur Gemeindewirtschaftssteuer und die Ausweitung der Unternehmensbesteuerung sind einige Möglichkeiten. Solch ein Programm würde allein in NRW die Einnahmen um 22 Milliarden Euro verbessern. Hiervon könnten dann allein 14 Milliarden in die Infrastruktur und Entschuldung der Kommunen investiert werden.
Die neue Landesregierung hat angekündigt, den Kommunen bei Seite zu stehen und Entschuldungshilfen zur Verfügung zu stellen. Dies ist grundsätzlich begrüßenswert, jedoch ist die angekündigte Summe von 350 Millionen Euro nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Mit diesem Betrag könnten nicht einmal die Schulden einer einzigen Großstadt in NRW getilgt werden. Genau aus diesem Grunde ist Protest gefragt.

* Abgeordnete des Landtages in NRW
für die Linke

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