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Die Waffen nieder!

Nach langer Zeit fand in Deutschland unter dem Motto „Die Waffen nieder! Kooperation statt NATO-Konfrontation, Abrüstung statt Sozialabbau!“ wieder eine bundesweite Friedensdemo statt. Nach Angaben der Veranstalter nahmen an der Demonstration vom Alexanderplatz im Ring über den Reichstag zum Brandenburger Tor rund 8000 Menschen teil. So gut das auch klingt, 8000 friedensbewegte Menschen reichen bei weitem nicht aus, um die Politik zu zwingen, Auslandseinsätze der Bundeswehr zu untersagen und Waffenexporte zu verbieten. Drei zentrale Forderungen traten auf der Demo hervor.

Rüstung kürzen

Die bislang vorliegenden Pläne für die Verteidigungsausgaben des kommenden Haushaltjahres summieren sich auf die enorme Summe von 40 Milliarden Euro. Das würde einen Anteil von 1,2% am BIP bedeuten. Das von der NATO vorgegebene und für die Zukunft anvisierte Ziel liegt sogar bei 2%. Die Friedensbewegung fordert: Statt die Bundeswehr für weltweite Einsätze aufzurüsten muss es eine drastische Reduzierung der Verteidigungsausgaben und eine Umverteilung auf soziale und ökologische Belange geben.

Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr

Deutschland ist direkt oder durch logistische Hilfestellungen an vielen aktuellen Kriegsschauplätzen beteiligt. Dazu gehören z.B. Afghanistan, Irak, Libyen, Syrien, Jemen, Mali und der Krieg in der Ukraine. Diese Kriegseinsätze bringen Tod und Verderben über die Menschen, sie lösen nicht Konflikte sondern vertiefen sie. Die Friedensbewegung fordert das Ende der Beteiligung der Bundeswehr an allen Kriegseinsätzen und den sofortigen Stopp deutscher Waffenexporte die Konflikte anheizen.

Zivile Konfliktlösungen fördern

Die Friedensbewegung erkennt, Krieg schafft keinen Frieden. Er tötet und traumatisiert die Menschen, destabilisiert ganze Regionen und globalisiert Konflikte. Die Friedensbewegung fordert von der Politik, die Logik des Krieges zu durchbrechen und sich der Logik des Friedens zu öffnen. Eine dual verzahnte Strategie von militärisch und zivil lehnt die Friedensbewegung ab. Stattdessen müssen die Strukturen friedlicher ziviler Konfliktlösung materiell viel besser ausgestattet werden. Über Dialog führt der Weg zu weltweiter Abrüstung und einem auf Ausgleich basierendem System gemeinsamer internationaler Sicherheit.

 


Wir sind mit den mutigen Menschen verbündet, nicht mit dem Staatspräsidenten!“

Wolfgang Gehrcke ist Mitorganisator der Demo „Die Waffen nieder“. Er sitzt für Die Linke im Bundestag, ist Mitglied des Fraktionsvorstandes und leitet den Arbeitskreis Internationale Politik. Wir hatte die Möglichkeit, ihm auf der Demo einigen Fragen zu stellen.

Was war der Anlass für diese Demonstration?

– Es war dringend notwendig, dass eine Friedensdemo organisiert wurde. Viele Menschen denken, dass Kriege drohen. Ich sage: Wir sind mittendrin in Kriegen. Wenn man sich umschaut nach Syrien oder in die Ukraine oder das Vorgehen der Türkei oder Saudi Arabiens betrachtet, sehen wir, dass wir mitten in Kriegen sind! Man muss dringend alles Mögliche machen, um diese Kriege zu stoppen. Das muss jeder selber machen, auf die Straßen gehen, demonstrieren und beweisen, dass die Bevölkerung in Deutschland wirklich den Frieden will.

Welche Rolle spielt Deutschland bei den aufgezählten Kriegen?

– Deutschland spielt sogar eine zentrale Rolle dabei. Ich wäre glücklich, wenn alle den Kriegsdienst verweigern würden und sagen würden: Nicht mit uns, wir wollen keine deutsche Beteiligung an solchen Kriegen. Deutschland soll keine Waffen liefern, Deutschland soll humanitär helfen. Ich hätte nichts dagegen, wenn Deutschland Medizin oder Nahrungsmittel nach Syrien liefern würde. Aber das macht Deutschland sehr unzureichend, im Gegenteil liefert Deutschland eher die Waffen. Und diese Waffen kommen irgendwann beim IS an und werden gegen demokratische Kräfte eingesetzt.

Eine Gruppe Abgeordneter war in Incirlik und die Medien schilderten die Situation der deutschen Streitkräfte dort als fast schon bemitleidenswert. Warum?

– Ich selber war nicht in Incirlik wegen der Vorgeschichte mit dem fürchterlichen Deal mit Erdogan. Es sollte das normalste der Welt sein, dass deutsche Abgeordnete deutsche Soldaten im Ausland besuchen dürfen sollten. Aber das wurde zu einem politischen Druckmittel missbraucht, gemäß dem Deal: Deutschland macht nichts gegen Erdogan und die Türkei läßt euch gnädig rein… Das ist nicht meine Vorstellung vom einem souveränen Abgeordneten und ich bin strikt dagegen, dass Deutschland die Tornados und Awacs stellt. Die türkische Regierung möchte eine Zustimmung zu dem Awacs-Einsatz. Dort fliegen deutsche Offiziere mit und ich denke, dass das rechtswidrig ist.

12 Fernsehsender und etliche Medien wurden in der Türkei geschlossen. Was halten Sie davon?

– Mit solchen Leuten darf man sich nicht einlassen. Man darf sich nicht auf Erdogans Politik einlassen. Kein Deal mit einem Diktator, der in seinem eigenen Land Menschenrechtsverbrechen begeht. Und das muss man aussprechen und sagen: So nicht! So jemand kann nicht unser Verbündeter sein. Den Fernsehsendern und Journalisten möchte ich sagen: Machen Sie weiter mit Ihrer kritischen Berichterstattung. Wenn Sie es nicht machen, wer soll es denn dann machen? Und lassen Sie uns wissen, wenn wir irgendwie helfen können.

Was sollte die EU gegen Erdogans Politik machen?

– Man kann mit den demokratischen Kräften in der Türkei zusammenarbeiten. Man kann Solidarität mit den Menschen dort ausüben. Man kann mit der Türkei verhandeln, man kann verlangen, dass die Verfolgung von Journalisten eingestellt wird. Mann kann das öffentlich machen, denn Erdogan scheut die Öffentlichkeit. Der deutsche Bundestag kann immer wieder daran erinnern, dass es mutige Journalisten in der Türkei gibt, mutige Rechtsanwälte, mutige Menschen aus der Zivilgesellschaft. Mit diesen sind wir verbündet, aber nicht mit diesem Staatspräsidenten.

Aziz Kocyigit

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