Wohnen ist nicht nur für jeden Einzelnen von existentieller Bedeutung, sondern hat auch großen Einfluss auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Die Internetstudie Ipsos Housing Monitor 2025 untersuchte die Wahrnehmung der aktuellen Wohnsituation sowie die Wohnwünsche und -bedürfnisse der Menschen in 30 Ländern weltweit – und lieferte damit aktuelle Erkenntnisse zur Lage – auch in Deutschland.
Der Ipsos Housing Monitor 2025 zeigt aber ebenfalls eindrucksvoll die Widersprüche des kapitalistischen Wohnungsmarktes auf. Während ein Großteil der deutschen Bevölkerung mit seiner Wohnsituation zufrieden ist, offenbart sich zugleich eine massive soziale Spaltung zwischen Mietern und Eigentümern. Dies ist kein Zufall, sondern Ausdruck eines fundamentalen Problems: Wohnraum wird als Ware gehandelt, anstatt als Grundrecht verstanden zu werden.
Wohnraum als Ware und die kapitalistische Verwertung
Karl Marx und Friedrich Engels analysierten bereits im 19. Jahrhundert, dass der Wohnungsmarkt im Kapitalismus primär den Profitinteressen der Besitzenden dient. Engels stellte in seinem Werk “Zur Wohnungsfrage” 1872 klar, dass die Wohnungsnot kein Zufallsprodukt ist, sondern eine direkte Folge des kapitalistischen Systems, in dem Boden und Immobilien der Profitmaximierung unterliegen. Die hohe Unzufriedenheit unter Mietern (42 % unzufrieden) und die steigenden Mietpreise (65 % nennen dies als größte Herausforderung) sind eine logische Konsequenz der Marktlogik des Grundrechts auf Wohnen: Investoren maximieren Renditen, während der Staat kaum regulierend eingreift.
Privateigentum an Wohnraum als Klassenprivileg
Die Umfrage offenbart, dass der Wunsch nach Wohneigentum ungebrochen hoch ist (70 % streben danach), jedoch für viele unerreichbar bleibt. Besonders alarmierend ist, dass 70 % der Mieter nicht daran glauben, sich jemals Eigentum leisten zu können. Dies zeigt, dass das Privateigentum an Wohnraum nicht wie bereits in der Schule propagiert wird, auf Leistung oder Fleiß beruht („Schaffe schaffe, Häusle baue“), sondern eine systemische Frage der Kapitalverteilung ist. Das Eigentum an Wohnraum konzentriert sich in den Händen weniger, während die Mehrheit zur Miete wohnt und damit den Besitzenden fortlaufend Einkommen sichert oder mit hohen Krediten Banken und Investoren reicher macht.
Die staatliche Rolle: Unterstützung des Kapitals statt der Mieter
Die Wahrnehmung, dass die Politik beim Thema Wohnen versagt (71 % fordern mehr Aufmerksamkeit), zeigt das strukturelle Problem: Der Staat fungiert primär als Garant der Eigentumsordnung und fördert kapitalistische Akteure durch Subventionen und Steuererleichterungen für Investoren, anstatt sozialen Wohnungsbau massiv auszubauen. Dass 81 % nicht daran glauben, dass genug bezahlbarer Wohnraum geschaffen wird, spricht eine deutliche Sprache. Die scheidende Bundesregierung unter Scholz hatte beim Wohnungsbau große Versprechen gemacht aber kläglich gescheitert: von ihrem Ziel, pro Jahr 400.000 neue Wohnungen zu bauen, war sie meilenweit entfernt.
Demokratisierung des Wohnraums
Engels forderte, dass Wohnraum kein Spekulationsobjekt sein dürfe und schlug schon damals Alternativen vor, z.B. die Vergesellschaftung von Wohnraum. Man müsste heute große Immobilienkonzerne enteignen und ihren Besitz in gemeinnützige Trägerschaft oder Genossenschaften überführen. Ein massiver Ausbau des sozialen staatlichen Wohnungsbaus, der nicht gewinnorientiert verwaltet wird, wäre ebenfalls eine Verpflichtung eines Staates. Auch der von der Linkspartei während des Wahlkampfes geforderte Mietendeckel und die Enteignung von Spekulanten, um einen stärkeren Mieterschutz zu gewähren und leerstehende oder zweckentfremdete Wohnungen in den öffentlichen Besitz zu überführen, wäre ein richtiger und wichtiger Schritt, den Engels schon damals sah.
Die Wohnungsfrage als Klassenfrage
Der Ipsos Housing Monitor 2025 bestätigt, dass die Wohnungsfrage ein Kernproblem der Klassengesellschaft bleibt. So lange Wohnraum als Ware gehandelt wird, bleibt er ungleich verteilt. Eine grundlegende Veränderung kann nur durch eine radikale Umgestaltung der Eigentumsverhältnisse erfolgen, um Wohnen als soziales Grundrecht zu sichern, anstatt es den Profitinteressen weniger zu überlassen. Und das wäre nicht mal ein Verfassungsbruch: Artikel 14 Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland lautet: “Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.” Dieser Grundsatz zeigt, dass Eigentümer nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber der Gesellschaft haben. Das bedeutet, dass der Gebrauch des Eigentums nicht ausschließlich privaten Interessen dienen darf, sondern auch dem Gemeinwohl zugutekommen soll. Und bei so einem brennenden Problem müssen eben auch radikale Forderungen gestellt werden!