Ein großes Problem der Europäischen Union, vor allem in den südlichen Ländern wie Italien, Griechenland und Spanien aber auch in Frankreich, Irland oder Belgien stellt die hohe Jugendarbeitslosigkeit dar. Oft führt diese in vielen Ländern dazu, dass die Jugendlichen in prekären Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden oder in der Langzeitarbeitslosigkeit dahinvegetieren. Bisher wirkten dem auch die Hilfsprogramme der EU nur wenig oder gar nicht entgegen.
Die Lage der Jugendlichen in Europa
Je nachdem, welche Statistik man zu Rate zieht, um die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen in Europa zu analysieren, ändert sich die Auffassung in bestimmten Prozentzahlen. Das liegt daran, dass viele Faktoren in die Berechnung der Arbeitslosenquoten einwirken, welche in der Regel ab 25 – 27 nicht mehr gelten. Dazu zählt zum Beispiel, ob die Jugendlichen auch in die NEET– Gruppe (not in education, employment or training) fallen, also die Jugendlichen weder in einer Ausbildung oder Arbeit oder noch in einem alternativen Bildungsweg sind.
Fakt ist, dass es vielen Jugendlichen in Europa nicht möglich ist, eine Arbeit zu finden, trotz einer hohen Qualifikation oder einem Hochschulabschluss. Bereits vor dem Sommer 2015 berichtete Neues Leben, dass 5,1 Millionen Jugendliche arbeitslos waren. Damals bedeutete das, dass 22% der europäischen Jugend arbeitslos war. Die Zahlen mögen sich am Ende des Jahres nochmal erhöht haben, denn im Dezember war die Jugendarbeitslosigkeit allein in Griechenland bei 52% angekommen.
Nach einer Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg – Essen lag die Jugendarbeitslosigkeit in der Europäischen Union 2015 bei durchschnittlich 22,2% und die Quote der langzeitarbeitslosen Jugendlichen bei durchschnittlich 7,8%. Dabei scheint es unwichtig zu sein, in wie weit die Jugendlichen qualifiziert sind oder nicht. Die Jugendlichen hätten keine bis wenig Qualifikationen, wird meistens als Argument seitens der Arbeitgeber angeführt, was den Zahlen nach nicht der Wahrheit entspricht. In Spanien beträgt der Anteil der arbeitslosen Jugendlichen mit Hochschulabschluss 28,1%, in Griechenland 40,6% und in Italien 26,8%.
Seit der Wirtschaftskrise 2008 wurde die Jugend in vielen Ländern, wie alle anderen Arbeitern auch, ihrer Rechte beraubt. Lockerung von Kündigungsschutzgesetzen, verstärkte prekäre Situation im Arbeitsleben, meist mehrere Jobs, um sich über Wasser halten zu können, ist in vielen Krisenländern, wenn man in diesen noch irgendwie eine Arbeit findet, meist der Standard.
Die Europäische Union als angebliche Heldenfigur
Seit der Wirtschaftskrise und speziell seit 2013 hat die EU mehrere Programme im zweistelligen Milliarden Bereich gestartet, um angeblich gegen die Jugendarbeitslosigkeit vorzugehen. Eines dieser Programme ist die YEI (Young Employment Initiative), welche durch Steuergelder finanziert wird. Statt die Verursacher der Krise, also Banken und Unternehmen, die Rechnung bezahlen zu lassen, wurde die Quittung den Werktätigen und Steuerzahlern vorgelegt.
Viele bedürftige Länder beantragten nicht einmal Hilfsmittel aus diesen Töpfen. Lediglich 900 Millionen Euro nahmen die EU-Mitglieder in Anspruch. Das hat zum einen den Grund, dass die Programme unverständlich sind und zum anderen, dass die Länder, welche auf diese Gelder angewiesen wären, nicht in der Lage sind, sich den Personalaufwand zu leisten, um diese Gelder sinnvoll einzusetzen. Daran sind nicht nur die einzelnen Regierungen in den Ländern schuld, sondern auch die Europäische Union, welche im Rahmen der Troika – Politik den Ländern Kürzungen diktiert.
Im Jahr 2012 musste EU-weit ein Beschäftigter in der Arbeitsverwaltung durchschnittlich 247 Arbeitslose betreuen, in Deutschland waren es 26 Arbeitslose pro Arbeitsverwaltungsbeschäftigten, also etwas mehr als ein Zehntel dessen wie in Italien, wo jeder Beschäftigte 254 Menschen ohne Arbeit betreuen musste. Es fehlen also Kapazitäten, um die Menschen besser vermitteln oder die von der EU bereit gestellten Mittel verwenden zu können. Außerdem werden in den Ländern, welche am härtesten von der Krise betroffen waren, eher Arbeitsplätze in der Wirtschaft abgebaut, als neue geschaffen. Es sind also auch keine Arbeitsplätze vorhanden, um die Jugendlichen in diese einzuweisen.
Die meisten Gelder, welche bisher aus den Hilfstöpfen für dieses Problem verwendet wurden, waren Direktzahlungen an arbeitslose Jugendliche. Eine Art Arbeitslosengeld für junge Menschen also. Stattdessen könnten diese Gelder dafür verwendet werden, staatliche Arbeitsplätze zu schaffen.
„Die vollmundige Rhetorik, allen Jugendlichen spätestens nach viermonatiger Arbeitslosigkeit eine hochwertige Arbeitsstelle oder eine geeignete Qualifizierung anzubieten, kann in vielen Teilen Europas nur als Zynismus empfunden werden“ kommentiert Dr. Gerhard Bosch vom IAQ die Versprechen der Europäischen Union.
Das Problem bekämpfen statt die Symptome
Das Problem der Europäischen Union ist nicht, dass nicht genügend Geld da wäre, um genug Arbeitsplätze für alle, einschließlich der Jugendlichen, zu schaffen. Die Europäische Union ist mit einem 18 Mrd. Euro hohen Bruttoinlandsprodukt (BIP), was ein Viertel des globalen BIPs bedeutet, der größte Binnenmarkt auf der Welt . In Luxemburg liegt das Pro – Kopf – Einkommen, was das Durchschnittseinkommen einer Person auf ein Jahr umgerechnet ist, bei etwa 113.000 Dollar.
Natürlich bedeutet das nicht, das in Luxemburg jeder reich ist. Das bedeutet auch nicht, dass in Europa jeder Mensch in Geld schwimmt. Diese Durchschnittswerte zeigen in Relation zu den hohen Zahlen der prekären Beschäftigung, der Arbeitslosigkeit und der von Armut bedrohten Menschen von denen 26 Millionen Kinder und Jugendliche sind, wie ungleich dieser Reichtum in der EU verteilt ist. Schließlich ist es aber nur ein Teil des ganzen Bildes, denn international ist die Lage ähnlich.
Die Kluft zwischen einer erdrückend hohen Schicht an Armen und einer geringen Minderheit an jenen, die soviel besitzen, dass sie alles im Überfluss haben und noch immer nach mehr trachten, wächst. Und Förderprogramme schaffen da keine Abhilfe, sondern verschieben das Problem nur weiter nach hinten.
Sinan Cokdegerli