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„Diskussion über Integration ist der richtige Weg“

Murat Köroglu

Hückelhoven ist eine Stadt im Kreis Heinsberg. Das kleine Städtchen liegt nahe der niederländischen Grenze. Der Ort ist geprägt durch den Steinkohlebergbau „Sophia-Jacoba“, welcher am 27. März 1997 die letzte Kohle über Tage förderte. Mit seinen 11 Stadtteilen zählt die Stadt bis dato ca. 40.000 Einwohner. Die Arbeitslosenquote im Kreis Heinsberg lag im November 2010 bei 8,3 Prozent. Ein großer Anteil der Bevölkerung weist einen Migrationshintergrund auf: Ca. 40 Prozent. Die Einwohner mit Migrationshintergrund sind überwiegend türkischer Herkunft, was sich im Stadtbild widerspiegelt. Die Zechenschließung liegt inzwischen 13 Jahre zurück und in Hückelhoven hat sich einiges getan, sowohl die politische als auch die soziale Situation hat sich verändert. Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2009 ist es der NPD gelungen, mit 2.16 Prozent Stimmenanteil einen Sitz im Stadtrat zu sichern. Der Wandel der Wirtschafts- und Sozialstruktur hat seine Spuren hinterlassen.
Wie sieht das Zusammenleben in Hückelhoven aus? Welche Hilfe und Beratung bietet das Interkulturelle Zentrum? Wie werden diese Angebote und Unterstützung angenommen? Wir haben uns mit Lea P. vom Interkulturellen Zentrum  unterhalten.
Kannst du dich uns bitte vorstellen?
Mein Name ist Lea P. Ich bin 20 Jahre alt, komme aus der Nähe von Erkelenz, Heinsberg und studiere Soziale Arbeit. Ich bin christlich erzogen und arbeitete früher ehrenamtlich in der Kirchengemeinde mit. Zur Arbeit im IKZ bin ich durch meine Praxisphase während des Studiums gekommen. Diese habe ich bei der Migrations- und Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werkes gemacht.
Wie funktioniert das Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen in Hückelhoven?
Ich finde es schwierig, zu sagen, dass das Zusammenleben perfekt aber auch schlecht läuft. Es gibt viele verschiedene Beispiele in denen es super läuft, wie z.B. im Gymnasium Hückelhoven, wo die Schüler nicht nebeneinander, sondern miteinander lernen oder bei den türkischen Geschäften in der Einkaufsstraße. Andererseits gelingt die Integration darin nicht, dass auf der Straße nicht miteinander gesprochen wird. Und damit meine ich nicht ausgedehnte Unterhaltungen, sondern einfache Gesten wie, eine Frage, ob man vorbei dürfte, wenn zu wenig Platz da ist. Ich denke da fängt es ja schon mit der Integration an. Eine große Hürde ist vor allem die Sprache, denn dadurch funktioniert nur die Integration. Also durch Verständigung findet Integration und Zusammenleben statt.
Obwohl das IKZ, seit genau einem Jahr existiert, wissen viele Anwohner und anliegende Geschäfte immer noch nicht, was für Dienste und Hilfe dass IKZ bietet. Was könnte der Grund dafür sein?
Ich denke die Leute wissen erst darüber Bescheid, wenn sie es brauchen. Oder erfahren erst davon, wenn sie in eine solche Situation geraten, aus der sie alleine nicht mehr herauskommen. Es gibt viele Bratungsstellen, die erst dann zur Kenntnis genommen werden, wenn man sie selber braucht. Und so ist es, denke ich, auch mit dem IKZ. Man versucht zuerst, es alleine zu schaffen. Wenn es dann nicht klappt, sucht man nach etwas, das einem weiterhelfen kann und wenn es nicht die Familie oder die Verwandtschaft ist, dann eine Beratungsstelle. Vielleicht schämen sich auch die Migranten, die zu uns kommen, dass sie es alleine nicht geschafft haben. Denn es ist immer eine große Überwindung in jedem Bereich der sozialarbeiterischen Beratung, sich fremden Personen anzuvertrauen und sich helfen zu lassen. Und das finde ich, ist ganz normal auch in der Migrationsberatung.
Wie stehst du zu den Aussagen von Thilo Sarrazin? Liegt die Ursache für Probleme wirklich in den Genen oder gar in ihrer ethnischen Herkunft?
Die Integration oder besser gesagt, keine Integration wird nicht in den Genen und auch nicht in der ethnischen Herkunft festgelegt, sondern darin, in was für einer Gesellschaft und Familie man aufwächst.
Integration klappt nicht, in dem man das Land, in dem man lebt, als etwas ansieht, was schlecht ist oder Angst hat, in diesem Land zu leben, weil die Eltern und Großeltern schon schlechte Erfahrungen gemacht haben oder sich nicht mit dem Land beschäftigt haben. Auf der anderen Seite sollte sich die „deutsche Gesellschaft“ öffnen und sich mit ihren Einwanderern beschäftigen und sie nicht erst in der dritten Generation dazu bringen wollen, sich zu integrieren, denn wäre die erste Generation gut integriert worden und hätte keine „Angst“ oder „keine Vorurteile vor den Deutschen“, dann wäre die Diskussion über Integration heute nicht mehr so extrem.

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