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Ein Jahr Minderheitsregierung in NRW

RHEINBLICK

Özlem Alev Demirel *

Mittlerweile ist die Minderheitsregierung in NRW nun ein Jahr alt. Zeit für eine kleine Bilanz. Im Juli vergangenen Jahres wurde Hannelore Kraft mit der Stimme der SPD und Grünen und bei Enthaltung der Linken zur Ministerpräsidentin gewählt. SPD und Grüne stellten seitdem die Regierung, doch zur Mehrheit fehlt ihnen eine Stimme.

Eine eher ungewöhnliche Konstellation für eine Regierung in Deutschland. Durch die Konstellation der Minderheitsregierung haben wir es insgesamt mit einer eher schwachen Regierung und einem starken Parlament zu tun.

Zudem ist die Minderheitsregierung auch deshalb schwach, weil sie sich sowohl durch das Diktat der Finanzmärkte, als auch des Verfassungsgerichts beeindrucken lässt. Die letzten Ereignisse rund um die West LB verdeutlichen dies. Als es darum ging, möglichst schnell die Landesbank zu zerschlagen, hatte die Minderheitsregierung zunächst keine Mehrheit im Parlament. Daraufhin lief die Ministerpräsidentin, Hannelore Kraft, während einer Sitzungsunterbrechung durch die Reihen und erzählte, dass die Kreditlinie der West LB zusammengebrochen sei und damit die Landesbank pleite ist und deshalb schnell gehandelt werden müsse. Diese völlig überzogene Reaktion zeigt die Nervosität der Regierung und dass im Sinne der Banken schnell gehandelt wird.

Im Sinne der Bevölkerung gibt es allerdings höchstens mal Trippelschritte und wenn dann, nur aufgrund von erheblichen Druck. Im Haushalt gab es eine leichte Akzentverschiebung, weg von der sozialen Kahlschlagpolitik und hin zu sozialen Projekten, wie der Abschaffung der Studiengebühren und der Einstellung neuer Lehrerinnen und Lehrer. Aber ein wirklicher Politikwechsel im Sinne der Mehrheit der Bevölkerung ist entgegen der Versprechungen von SPD und Grünen im Wahlkampf nicht eingeleitet worden. So müssen SPD und Grüne bei jedem

Antrag wieder an ihre Wahlversprechen erinnert werden, die sie ohne unser Zutun der mit einer eigenen Parlamentsmehrheit längst vergessen hätte.

Die Konstellation einer Minderheitsregierung bietet auch in einem ganz engen Rahmen die Möglichkeit stärkeren Druck auf SPD und Grüne für positive Reformen und Veränderungen aufzubauen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Studiengebühren. Hannelore Kraft selber hatte erklärt, sie wollen die Studiengebühren schrittweise bis zum Ende der Legislaturperiode abschaffen. Durch den Druck der Landtagsfraktion der Linken gelang dies nun schon wesentlich früher.

Allerdings sind dies nur kleine Akzentverschiebungen. Die WestLB hat gezeigt, dass zwar kleine soziale Projekte aufgrund der Steuermehreinnahmen möglich sind, aber die grundsätzliche Linie kann von SPD und Grünen nicht geändert werden. Sie sind zu eng mit den Interessen des Kapitals verstrickt und würden sich niemals gegen dieses Wenden. Sie müssten den Superreichen, Banken und Konzernen etwas wegnehmen und damit ein sozialeres Land finanzieren. Ein solcher „Politikwechsel“ ist aber auch von einer starken Linkspartei im Parlament nicht zu erreichen. Parlamentarisches Handeln von „links“ stößt immer an seine Grenzen, wenn sie nicht auch von einer außerparlamentarischen Bewegung stark begleitet und vor allen Dingen getragen wird. Deshalb wird es auch niemals reichen, sich lediglich auf parlamentarisches Handeln zu beschränken. Das sieht man aktuell auch in der Frage der AKWs.

Im kommenden Jahr heißt es also noch stärker mit außerparlamentarischen Initiativen zusammenzuarbeiten. Mit ihnen werden wir mehr Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst fordern. Wir wollen zudem kleinere Schulklassen, was auch mehr LehrerInnenstellen bedeutet. Gegen Armut und für Mobilität und Teilhabe fordern wir gemeinsam mit dem DGB und zahlreichen Initiativen ein landesweites Sozialticket für 15 Euro. Und auch die Wohnungssituation in NRW muss verbessert werden und gegen den stärker ansteigenden Mietspiegel müssen verstärkt gute und bezahlbare Wohnungen durch öffentliche Wohnungsunternehmen angeboten werden.

Dies alles bedeutet aber auch, den Focus wieder auf klare zugespitzte Forderungen zu richten und verstärkt Präsenz auf der Straße zu zeigen.

* Mitglied des Landtages NRW

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