Ein Meme auf Instagram – und plötzlich steht ein Schüler im Fokus bundesweiter Diskussionen. Es geht um die Frage: Wie frei dürfen junge Menschen über Themen wie Bundeswehr, Krieg oder Politik sprechen, vor allem wenn sie dem Staatsräson nicht entsprechen? Wir haben mit dem Schüler Benetik gesprochen, der aktuell wegen eines Memes in der Kritik steht, über seine Gedanken, Erfahrungen und Wünsche.
Als an eurer Schule ein Jugendoffizier zu Besuch war, wurde das Thema Bundeswehr plötzlich ziemlich präsent. Wie hast du diese Veranstaltung erlebt – und wie haben deine Mitschüler darauf reagiert?
Wenn „Jugendoffiziere“ Schulen besuchen, dann wird die Bundeswehr natürlich verzerrt dargestellt. Über rechte Strukturen und sexualisierte Gewalt wird geschwiegen. Stattdessen wird behauptet, die Bundeswehr würde uns beschützen und es wäre in unserem Interesse, dieser beizutreten.
Der erste Bundeswehr-Besuch war eine Pflichtveranstaltung für die ganze Stufe. Da wurde dann am Anfang auch direkt gefragt, wer sich den vorstellen könnte, zur Bundeswehr zu gehen. Ich habe mich dann hingestellt und eine Protestrede gehalten – darauf wurde ich dann in den Tagen danach immer wieder von Mitschülerinnen und Mitschülern angesprochen und konnte viele gute Diskussionen führen.
Als die Bundeswehr dann zum zweiten Mal eingeladen wurde, hat man mich schon Tage vorher für unangekündigte Gespräche aus dem Unterricht geholt. Mir wurde gesagt, dass man mich notfalls aus dem Schulgebäude rauswirft, wenn es Protest gibt. Deshalb war ich bei dann bei dem Vortrag auch nicht selbst dabei, ein paar Tage später wurden aber einige Memes auf Insta gepostet.
Viele Jugendliche nutzen Memes, um mit Humor oder Ironie auf ernste Themen aufmerksam zu machen. Was reizt dich persönlich an dieser Art, dich auszudrücken?
Durch Memes ist es sehr leicht, seine Meinung mit wenigen Sätzen auf eine humorvolle Art zum Ausdruck zu bringen. Memes sind meist schnell erstellt, leicht verständlich und erreichen viele Jugendliche im Internet. Besonders politische Memes machen politische Themen zugänglich für die Jugend.
Nachdem das Meme online war, ist viel passiert – auch Dinge, die sicher belastend waren. Wie bist du mit der Situation umgegangen, und gab es Menschen, die dich dabei unterstützt haben?
Natürlich war die Aufmerksamkeit erst einmal ziemlich neu und überfordernd. Da ich in der Internationalen Jugend politisch organisiert bin, bin ich mit meinem Kampf und auch mit dem Prozess um das Meme jedoch nicht alleine. Ich konnte mich in den vergangenen Wochen immer wieder auf meine Genossinnen und Genossen stützen und werde dies auch in Zukunft weiterhin tun können.
Es ist eine enge Zusammenarbeit zwischen deiner Schule und der Bundeswehr. Wie siehst du grundsätzlich die Rolle des Militärs an Schulen oder in der Bildung?
Das Militär hat in den letzten Jahren die Schulen und die Bildung vermehrt genutzt. Das hauptsächliche Ziel dabei ist, die Bundeswehr bei uns Jugendlichen schon im jungen Alter zu normalisieren und attraktiv wirken zu lassen. In den kommenden Kriegen braucht es viele Soldaten als Kanonenfutter. Und die Bundeswehr nutzt unsere Schulen, um uns einzureden, es sei in unserem Interesse, unser Leben für diesen Staat zu riskieren, welcher sich null um uns Jugendliche kümmert.
Im Netz wird schnell diskutiert, was Satire darf und wo angeblich „Beleidigung“ anfängt. Wie siehst du das – wo sollte deiner Meinung nach die Grenze verlaufen?
Es ist einmal zu unterscheiden, wer von dieser Satire betroffen ist und welche Inhalte damit vermittelt werden. Wenn es um Politiker oder Jugendoffiziere der Bundeswehr geht, die an Kriegen und Leid auf der ganzen Welt profitieren, ist es, denke ich, viel legitimer, sich über diese lustig zu machen, als über Migranten zum Beispiel, die jeden Tag unterdrückt werden. Zudem war der Inhalt dieser Memes ja nicht, dass sich über eine Person lustig gemacht wurde, sondern diese Person wurde als Beispiel genutzt, um strukturelle Probleme in der Bundeswehr und die Realität von Kriegen aufzuzeigen.
Was hältst du von einer Einführung der Wehrpflicht ab 2027, zumindest, dass alle 18-jährigen „gemustert“ werden sollen?
Es wird immer viel davon gesprochen, dass wir „unser Land“ verteidigen müssen und deshalb eine Wehrpflicht gebraucht wird. Da Frage ich mich dann aber, was das überhaupt heißen soll.
Ich denke, hier in Deutschland wird Politik von Reichen für Reiche gemacht. Für uns Jugendliche bedeutete das marode Schulen, steigende Mieten und Angriffe auf unsere Grundrechte, während Milliarden für Kriegspolitik ausgegeben werden. Wo ist den währenddessen das Geld für die fehlenden Plätze in Frauenhäusern oder Entlastungen im Arbeitsalltag, frage ich mich.
Wir Jugendliche und Arbeiter sollen für die Interessen der Reichen in Kriege ziehen, in denen wir selbst überhaupt nichts zu Gewinnen haben. Wir sollen für einen Staat in den Krieg ziehen, der uns unterdrückt und ausbeutet. Und wenn wir uns dagegen wehren, landen wir vor Gericht. Es ist auch kein Zufall, dass die Wehrpflicht nur Stück für Stück eingeführt wird: Dadurch soll der Protest kleingehalten werden.
Wenn du dir etwas wünschen könntest: Was sollte sich an Schulen oder in der Gesellschaft ändern, damit junge Menschen Kritik äußern können, ohne Angst zu haben?
Ich denke, dass die Schülerinnen und Schüler viel mehr demokratische Mitbestimmung haben sollten, was die Schule angeht. Vom Lehrplan über die Infrastruktur bis hin zu der Gestaltung der Unterrichtsstunden. Es kann nicht sein, dass irgendein Schulleiter, der von niemandem gewählt wurde, irgendeinen Jugendoffizier einlädt, der auch von niemandem gewählt wurde. Und wenn man dann sagt, dass man nicht in einem sinnlosen Krieg sterben will, wird einem gedroht. Diese Mitbestimmung sollte es in der gesamten Gesellschaft geben. Auf der Arbeit, im Viertel und an der Uni.
Wie geht es jetzt weiter, sowohl juristisch als auch für dich persönlich?
Der Gerichtsprozess gegen mich wird wahrscheinlich noch dieses Jahr anfangen. Die Internationale Jugend wird den Prozess dann auch weiterhin begleiten und öffentlich machen. Wir lassen uns von diesen absurden Repressionen überhaupt nicht einschüchtern, sondern halten dagegen. Und wir werden auch weiter gegen die Militarisierung aktiv sein, ganz egal ob vor Gericht, auf der Straße oder in unseren Schulen. Das möchte ich auch allen mitgeben, die das Lesen – werdet aktiv! Organsiert selbst Widerstand gegen die Bundeswehr. Zusammen haben wir eine Schlagkraft, die wir nicht unterschätzen dürfen – das habe ich auch durch diese Anzeige nochmal richtig gemerkt.

