Written by 13:16 HABERLER

Eine Verbindung zwischen dem Gezi Park und Lice

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Während in Cizre mit Bildern der „zentralen Verteidigungskräfte der PKK“ Ängste geschürt wurden, wurde das Dorf Kanoglu, in der Nähe von Dersim, angegriffen. Gerade als diskutiert wurde, dass diese Angriffe eine Provokation seien und welche dunklen Mächte (1) dahinter stünden, kam eine verheerende Nachricht aus Lice. Im Dorf Kayacik protestierten die Dorfbewohner gegen den Bau einer Polizeiwache. Die Gendarmerie schoss in die Menge. Dabei wurde der 18-jährige Medeni Yıldırım getötet, 9 Menschen verletzt, davon 3 schwer. Der Landrat von Lice erklärte daraufhin, dass die Gendarmerie in die Luft geschossen habe, so dass die Verletzten und der Tote nicht von der Gendarmerie, sondern sicher von Schüssen der Dorfbewohner getroffen worden sein müssten, die teilweise bewaffnet wären.

Das sind schon seit Jahren Bilder aus dem Alltag der Menschen. Es gibt jedoch auch noch eine staatliche Ebene in diesem Konflikt. Der Präsident Erdoğan beantwortete nach einer Sitzung mit dem „Weisenrat“(2), der bei der Lösung der Kurdenfrage beratende Funktion übernimmt, die Fragen zum weiteren Vorgehen. Er sagte, dass die „erste Phase des Lösungsprozesses nicht abgeschlossen“ sei. Dabei erwähnte er jedoch nicht mit einem Wort, was denn der Eigenanteil der Regierung an dieser Situation sei und wie genau diese erfüllt werden sollten. Lediglich ein Paar Erklärungen kamen dazu, was denn die Regierung nicht machen werde. Unter anderem das Heruntersetzen der 10% Wahlhürde oder die schulische Bildung in der Muttersprache wären nicht auf der Tagesordnung der Regierung. Auf der anderen Seite machte der Präsident mit seiner Ankündigung, dass der Bau von weiteren Polizeiwachen nicht gestoppt wird, klar, dass er die Ängste und Bedenken des Volkes gegen weitere Polizeiwachen und die Forderung der Abschaffung der paramilitärischen „Korucu“-Milizen nicht erst nimmt.

Während all dies passierte sahen die Regierungssprecher und Berater des Präsidenten, Bülent Arinc und Besir Atalay, kein Problem darin, zu erklären, dass „der Prozess problemlos voranschreitet“. Dass die Regierung offen zugibt, nichts zu tun und nichts Wesentliches zu verändern gedenkt, zeigt, dass sich zumindest aus ihrer Perspektive „der Prozess erfolgreich weiterentwickelt“. Bis hierhin ist das, was man beobachten kann, ein nicht wesentlich anderes Bild, als bis vor sechs Monaten. Das, was sich aber verändert hat, ist, dass sich das Bild mit den Entwicklungen bezüglich des Gezi Parks und den „Gezi Park Foren“ in das Gesamtbild eingefügt hat. Denn parallel zu den Foren hat sich eine Solidarität mit der Bevölkerung von Lice entwickelt. Ein großer Protestzug in Istanbul fand statt und vor allem die Transparente waren keine Ausnahmen: „Widerstand gegen Gewalt und Unterdrückung – überall“, „Weder Einkaufszentrum, noch Polizeiwache“, „Bevölkerung von Lice ist nicht allein“, „Es lebe die Brüderlichkeit der Völker“, „Halt durch Lice, die Menschen von Kadıköy sind mit dir“ und „Schulter an Schulter gegen Faschismus“. Damit kreuzten sich die Wege der „Gezi Park Protestler“ mit der kurdischen Bevölkerung um Freiheit nach nur einem Monat. Allein aus diesem Grund behauptete der AKP Sprecher Hüseyin Celik, dass die PKK die Bevölkerung provoziere. Im gleichen Atemzug verdrehte er die Ängste der Bevölkerung bezüglich der ungeklärten Angriffe auf Dörfer, dem Gendarmerie-Terror und der Haltung der Regierung und behauptete, dass „die eine ähnliche Situation in der Region schaffen wollen, wie im Gezi Park“. Diese Perversion trieb er so weit, dass er ein Slogan der Gezi Bewegung für sich vereinnahmte: „Halte durch Frieden“. Unzweifelhaft ist es wichtig, was sich in Istanbul entwickelt hat. Aber wenn der Gezi Park Protest einen wichtigen Anteil an der Demokratieentwicklung der Türkei haben soll, ist es unumgänglich, dass diese Bewegung sich über die große Schnittmenge der eigenen, mit den Forderungen der Kurden und Aleviten, klar wird.

İhsan Çaralan

(1)   Die PKK erklärte, dass sie mit dem Angriff in Dersim nichts zu tun habe und dass bei den Angriffen in Bitlis, Hizan und Tatvan Kontrguerillakräfte die Verantwortung tragen.

(2)   Dieser Weisenrat wurde von der AKP-Regierung trotz Vorschlägen der Oppositionsparteien und zivilen Demokratieorganisationen undemokratisch bestimmt.

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