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Einer der größten „Verantwortlichen unserer Zeit“ ist tot

Yaşar-KemalAlev Bahadir
Yasar Kemal, einer der bekanntesten kurdischen Schriftsteller unserer Zeit, ist in Istanbul gestorben. Die türkische Regierung vergießt nun Krokodilstränen. Denn Kemal war Zeit seines Lebens ein überzeugter Sozialist, Kritiker, Menschenrechtsaktivist (vor allem setzte er sich für die Rechte der Kurden ein) und ein Dorn im Auge der Herrschenden.
Yasar Kemal wurde als Kemal Sadik Gökceli am 6. Oktober 1923 im Dorf Hemite (heute Gökcedam) in der Cukurova-Ebene geboren. Seine Eltern waren kurdische Einwanderer aus der Provinz Van. Seine Kindheit war von mehreren Schicksalsschlägen gekennzeichnet. So verlor er bei einem Unfall sein rechtes Auge und musste im Alter von 5 Jahren mit ansehen, wie sein Vater, während eines Gebetes, in einer Moschee erstochen wurde. Während und nach der Schule arbeitete Kemal auf Baumwollfeldern, als Traktorfahrer etc. In dieser Zeit begann er kritische Artikel über die feudalen Lebensbedingungen der Bauern, über deren Ausbeutung durch die herrschenden Feudalherren usw. zu schreiben. Und das auf Umgangssprache. Die Sprache der normalen Bevölkerung, zu dieser Zeit jedoch sehr unüblich. Auch später noch glaubte Kemal fest an die „Magie der Sprache“ und die wichtige Rolle der Schriftsteller, die er als „Verantwortliche unserer Zeit“ bezeichnete. Mit 17 Jahren wurde Kemal das erste Mal, aufgrund eines Gedichtes, verhaftet. Doch weiterhin schrieb er politische Gedichte und Artikel, was zu einer zweiten Inhaftierung führte. 1951 ging Kemal nach Istanbul, wo er dann als Journalist tätig war, seine jüdischstämmige Frau Tilda kennenlernte und den Künstlernamen Yasar Kemal annahm. 1955 veröffentliche Kemal dann sein bekanntestes Werk „Ince Memed“ (deutsch: „Memed mein Falke“), das in 40 Sprachen übersetzt wurde und das Kemal zu großer internationaler Bekanntheit verhalf. 1962 trat er in die Arbeiterpartei der Türkei (TIP) ein und übernahm dort viele Funktionen. Als Sozialist vertrat er die Ansicht, dass das Proletariat selbst den Sozialismus aufbauen müsse. Auch sein Engagement für die Freiheit und die Rechte des kurdischen Volkes bleiben unvergessen. Nach dem Militärputsch 1971 wurde er zum dritten Mal inhaftiert. Nach seinem Aufenthalt im Gefängnis floh er ins schwedische Exil, wo er mehrere Jahre verbrachte, bis er nach Istanbul zurückkehrte. 1972 wurde er für den Nobelpreis für Literatur nominiert, bekam die Auszeichnung jedoch nicht. In einem Spiegel-Artikel 1995 kritisierte Kemal die rassistische Politik der Regierung gegen die Kurden und den „niederträchtigen Krieg“. Dafür wurde er erneut zu 20 Monaten Gefängnis verurteilt. Die Strafe wurde jedoch ausgesetzt. 1997 wurde er mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet. 2008 wurde Kemal mit dem Kulturpreis des Staatspräsidenten Abdullah Gül ausgezeichnet. Als er davon erfuhr, wollte er den Preis zunächst ablehnen, entschied sich jedoch um. Am 14. Januar diesen Jahres wurde Kemal wegen Komplikationen nach einer Lungenentzündung und Herzrhythmusstörungen in ein Krankenhaus in Istanbul eingewiesen, wo er dann am 28. Februar, mit 91 Jahren, an multiplem Organversagen verstarb. So verlor die Welt an dem Tag nicht nur einen Menschenrechtler, Schriftsteller, Sozialisten, sondern einen Verantwortlichen unserer Zeit.

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