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Ellenbogen

Vor kurzem ist die Verfilmung von Fatma Aydemirs Roman „Ellenbogen“ erschienen. Zu diesem Anlass möchten wir das Buch besprechen.

Zara Canbay

Hazal ist fast 18 Jahre alt, wütend, verwirrt, etwas verloren und irgendwie ist ihr doch bewusst, was abgeht. Das Leben scheint still zu stehen für sie, die Devise lautet: Überleben. Zuhause versucht sie die perfekte Tochter zu sein, arbeitet in der Bäckerei ihres Onkels und versucht den Schein zu bewahren, dass sie den Kurs der Bildungsmaßnahme zur Berufsvorbereitung wahrnimmt. Ein Kurs, in dem sie mittlerweile erfolglos 50 bis 60 Bewerbungen verschickt hat.

In den Augen ihrer Mutter ist die Bildungsmaßnahme eine reine Zeitverschwendung, Hazal nicht die klügste, ganz bestimmt nicht die perfekte türkische Tochter und das lässt sie sie auch regelmäßig spüren. Ihr Vater auf der anderen Seite ist entweder Taxi fahren, im Café oder desinteressiert vor dem Fernseher und zudem auch gewaltbereit.

Ihr 18. Geburtstag scheint ein Stück Freiheit für Hazal zu sein, auch wenn sie eigentlich weiß, dass die Volljährigkeit nichtssagend ist für ihre Eltern. Der Plan für den Abend ist, mit ihren Freundinnen Elma und Gül in den Klub zu gehen und Spaß zu haben. Die Vorfreude hält jedoch nicht lange. Während die anderen Leute in der Schlange durchgelassen werden, kriegen die drei jungen Frauen zu hören, dass der Klub schon voll ist und sie nicht reinkommen. Betrunken, wütend und auch gedemütigt begeben sich die Freundinnen zurück zur U-Bahn. Der Ort, an dem Hazals Wut sich so stark in Gewalt äußert, dass sie über Nacht die Entscheidung fällt, die ihr Leben und das eines anderen Menschen für immer verändert und dazu führt, dass sie schließlich nach Istanbul flieht.

Aydemir beleuchtet mit ihrem Debütroman ehrlich die Gefühlswelt und die inneren Konflikte einer migrantischen Jugendlichen und zeigt hierbei die gesellschaftlichen Zustände auf. Dabei befasst sich der Roman mit Themen, wie der Perspektivlosigkeit von Jugendlichen, Gewalt psychischer und physischer Form, Rassismus, Identitätskonflikten, sexuellen Übergriffe und auch staatliche Repression. Obwohl Aydemir sich sehr gut darauf versteht, die Gefühlslage von türkeistämmigen Jugendlichen so wiederzugeben, dass sich viele bis zu einem bestimmten Grad wiedererkennen, fehlen ihr die Lösungen. Statt gesellschaftlicher und organisierter Kämpfe gegen die Probleme, die Hazal mit tausenden anderen Jugendlichen verbindet, bleibt nur der Individualismus. Deshalb verliert sich das Buch leider zum Schluss hin in immer unwahrscheinlichere Szenarien. Spannend ist, inwiefern der Film sich an die Buchvorlage hält.

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