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Euro im Sinkflug

Martin Hantke

Auf dem EU-Gipfel am 16. und 17. Dezember 2010 konnte Bundeskanzlerin Angela Merkel wieder einmal ihre Vorstellungen durchsetzen. Gemeinsam beschlossen die Staats- und Regierungschefs, dass ab 2013 ein permanenter Euro-Rettungsschirm etabliert werden soll. Dazu sollen auch die Banken gebeten werden, sich an Umschuldungen zu beteiligen. Um das Ganze auch vertraglich abzusichern, soll eine Änderung des EU-Grundlagenvertrags von Lissabon auf den Weg gebracht werden. Die vorgeschlagene Vertragsänderung wurde mit Absicht gering gehalten, um Volksabstimmungen über die Ratifizierung zu vermeiden. Damit bleibt die EU auf Kürzungskurs. Bei den Rettungspakten geht es wie bisher darum, die wackligen Kredite vor allem der deutschen und französischen Banken zu retten. Im Frühjahr war bereits das Rettungspaket für Griechenland auf den Weg gebracht worden. Die Euroländer verbürgten sich zusammen mit dem IWF für neue Kredite an Griechenland. Bedingung war die Unterschrift der griechischen Regierung unter ein Memorandum, das soziale Einschnitte, sowie Haushalts- und Lohnkürzungen detailliert vorschrieb. In der Folge dieser Politik schrumpft die Wirtschaft Griechenlands in diesem Jahr um über 5%. Die Rückzahlung der Kredite wird immer unwahrscheinlicher. EU-Kommission und IWF regieren de facto das Land. Griechenland ist in eine Abwärtsspirale geraten, bei der kein Ende absehbar ist. Die Argumentation der deutschen Regierung für die Griechenlandhilfe war damals, dass der Euro stabilisiert werden könnte und keine weiteren Hilfen für weitere Wackelkandidaten, wie Spanien, Portugal, Irland oder Italien nötig seien, wenn diese Hilfen gezahlt würden. Keine zwei Wochen später, galt dies bereits nicht mehr. Die Euroländer, die EU-Kommission und der IWF waren gezwungen, einen Euro-Rettungsschirm von 750 Mrd. Euro aufzulegen. Auch jetzt wurde wieder argumentiert und zwar von allen im Bundestag vertretenen Parteien, mit Ausnahme der Linken, diese Maßnahme solle verhindern, dass ein Land gezwungen wäre, wirkliche Hilfe zu beanspruchen. So sollte der Euro vor Angriffen von Spekulanten geschützt werden. Kein halbes Jahr später musste Irland um Hilfe aus dem Euro-Rettungsschirm bitten. Das irische Modell, das vor wenigen Jahren vom FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle noch als beispielhaft für Deutschland gepriesen wurde, war am Ende. Irland hatte sich mit extrem niedrigen Unternehmenssteuern und einem völlig deregulierten Bankenplatz als „keltischer Tiger“ einen Namen gemacht. Dieses Modell endete im völligen Desaster. Der irische Staat übernahm die Schulden der irischen Pleitebanken. Die Staatsverschuldung explodierte dadurch geradezu. Letztendlich wurde Irland unter den Rettungsschirm gezwungen, weil die Kosten für die Kreditaufnahmen in astronomische Höhen getrieben wurden. Wie im Fall Griechenland, war Irland eine gigantische Rettungsaktion der deutschen und auch französischen Banken, die sich dort engagiert hatten. Eine Beteiligung an einer Umschuldung durch die Banken war in beiden Fällen nicht vorgesehen, so dass mit dem Geld der europäischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahler das dritte Bankenrettungspaket aufgelegt worden ist. Durch eine Verstaatlichung der privaten Schulden soll das marode Bankensystem auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gerettet werden. Und diese Bevölkerung zahlt gleich doppelt. Zum einen, indem sie die Bankenschulden übernimmt und zum anderen indem ihr harte soziale Kürzungsprogramme auferlegt werden. Im Memorandum zu Irland ist in diesem Sinne vorgesehen, dass der irische Mindestlohn gekürzt wird und es zu Sparmaßnahmen kommt, die vor allem Kinder treffen. Eigentlich ist allen Beteiligten klar, dass auch durch die jüngsten Gipfelbeschlüsse der Euro keineswegs gesichert ist. So kann im kommenden Jahr davon ausgegangen werden, dass auch Spanien und Portugal, vielleicht zudem Belgien und Italien Finanzhilfen beantragen werden. Deshalb wird bereits jetzt diskutiert, den Rettungsschirm auf 1,5 Billionen zu erhöhen. Angesichts der europaweiten Kürzungsprogramme ist eine Verschärfung der Krise zu erwarten. Bereits jetzt steigen in den betroffenen Ländern Arbeitslosigkeit und Massenarmut stark an. Die Binnennachfrage in der EU steht auf wackligen Füssen. Deshalb setzt das deutsche Kapital auf eine Verstärkung seiner Außenhandelsstrategie. Neue Absatzmärkte in China, Indien und Südostasien sollen den Einbruch in Europa kompensieren. Durch eine Fortsetzung der deutschen Niedriglohnstrategie gerät dabei ein Großteil der EU weiter ins Hintertreffen und wird regelrecht niederkonkurriert. Dies führt letztendlich auch zu weiteren Verwerfungen im Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten untereinander. Dem deutschen Kapital gelingt es immer mehr, der EU seinen Prägestempel aufdrücken, dabei wird billigend in Kauf genommen, dass ganze Volkswirtschaften in Europa kaputt zu gehen drohen. In Vertretung dieses Kapitals setzt die deutsche Bundesregierung ein hegemoniales Verhältnis mit den anderen EU-Mitgliedstaaten durch. Die Diskussion um Euro-Anleihen und direkte Kredite der Europäischen Zentralbank steht lediglich für ein kleines Pflaster, dass man auf die Euro-Wunde kleben will. Aber selbst dies wird von der deutschen Bundesregierung abgelehnt. Angesichts dessen scheint ein Szenario für die nächsten Jahrzehnte der wirtschaftlichen Stagnation und der permanenten Kürzungsprogramme immer wahrscheinlicher. Unklar ist, ob die Eurozone und EU dies werden überleben können. Für die Bevölkerungen wird dies jedenfalls immer mehr zu einem gigantischen Verlustgeschäft. Die Gleichung heißt dann nur noch: Europa= Bankenrettung+Kürzungsprogramme+Demokratieverlust.

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