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FAZ provoziert mit Sozialismus

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist fast jedem Zeitungsleser bekannt. Vor allem ist sie aber f…

Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ist fast jedem Zeitungsleser bekannt. Vor allem ist sie aber für ihren Konservatismus und dabei insbesondere für ihre militanten Antisozialismus bekannt. Doch warum provoziert FAZ gerade mit Sozialismus?
Seit den letzten Wochen des Jahres 2009 findet nämlich in der FAZ eine interessante (!) Diskussion über den Sozialismus statt. Zunächst erschien am 21. Dezember 2009 ein Artikel von Rainer Hank in der FAZ mit der folgenden Überschrift: „Gleichheit, Freiheit und Gemeinschaftlichkeit: Der Sozialismus ist gar nicht so übel“! Dort schlägt Hank vor „einen Camping-Urlaub im Freundeskreis“ zu planen. Eine „sozialistische Idylle“ also, wo niemand sich „um Mein oder Dein kümmert“: „Gemeinsam teilen wir die Arbeiten – Einkaufen, Kochen, Abspülen –, jeder soll seinen Teil zum Gelingen des Ganzen beisteuern. Hierarchien unserer alltäglichen Arbeitswelt zählen während der Tage nicht. Unser Zeltlager ist eine Welt der Gleichheit und guten Gemeinschaft. … ein bisschen Sozialismus im Kleinen. … Privateigentum spielt hier keine Rolle… Das Zeltlager wie eine Marktwirtschaft zu organisieren käme niemandem in den Sinn. Sonst müssten wir untereinander ‚Gemüse einkaufen‘ mit ‚Teller abwaschen‘ oder ‚Fische fangen‘ verrechnen, was nicht nur ziemlich schwierig, sondern auch ziemlich schwachsinnig wäre.“
Rainer Hank stellt dann die folgende Frage an die Leser: „Warum können (oder wollen) wir unsere große Welt nicht wie ein Zeltlager organisieren? Dieses Gedankenexperiment lohnt selbst für jene, die (wie der Autor dieses Artikels) Zelten ziemlich doof finden, aber der sozialistischen Utopie von Gleichheit, Freiheit und Gemeinschaftlichkeit die Faszination nicht absprechen. … Zwar ist der Sozialismus vor zwanzig Jahren kläglich zugrunde gegangen. Der faktische Bankrott muss aber nicht die analytisch scharfe Idee falsifizieren.“
Eine ernst gemeinte Provokation!
Das alles war sicherlich für die Leser einer Zeitung wie die FAZ eine unerhörte Provokation. Hank bestätigt dies auch in seinem Artikel vom 3. Januar: „Es war eine Provokation, aber sie war ernst gemeint. ‚Der Sozialismus ist gar nicht so übel‘, hat die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 20. Dezember behauptet und daraufhin sehr viel Kritik von ihren Lesern erfahren. So war es gewollt, als Anstoß einer dem guten Argument verpflichteten Debatte, aber in keiner Weise als auch nur leise Rechtfertigung der Verbrechen aller früheren real existierenden Sozialismen und Planwirtschaften.“
Diese Provokation wurde auch ernst genommen! Über 450 Debattenbeiträge sind bei der FAZ eingegangen. Von einigen Wenigen abgesehen, handelte es sich aber bei diesen Beiträgen überraschender (!) Weise mitnichten um „einer dem guten Argument verpflichteten Debatte“, sondern meistens um Wiederholungen altbekannter vulgären Argumente gegen den Sozialismus: Wie diktatorisch er sei, wie viele Millionen Menschen er auf dem Gewissen habe, welche Unfreiheit dort geherrscht habe etc. etc..
Bevor wir uns „dem guten Argument“ verpflichtend einiges zur Debatte selbst sagen, sollte folgendes unterstrichen werden: Wenn eine Zeitung wie die FAZ solch eine Debatte über den Sozialismus zulässt, dann kann dies sicherlich nicht ohne politischen Eigennutz sein. Welchen politischen Eigennutz sollte die FAZ mit einer Sozialismus-Debatte haben?
Betrachtet man die Umstände (Weltwirtschaftskrise, verbreitete Kritik des Kapitalismus, Wiederentdeckung des Marxismus etc.), unter denen diese Debatte losgetreten wird, so liegt man nicht weit von der Wahrheit, wenn man diese organisierte Debatte in der FAZ als einen ideologischen Präventivkrieg bezeichnen würde! Im militärischen Präventivkrieg werden Länder besetzt. Beim ideologischen Präventivkrieg geht es um die Besetzung von Begriffen und Ideen.
Wie das Schwert des Damokles hängt der Sozialismus über den Kapitalismus. Er wird den Sozialismus historisch nicht los, obwohl er ihn unlängst faktisch los wurde! So ist es klüger sich dem Sozialismus präventiv zu stellen, bevor er sich einem wieder faktisch stellt!
Und wenn eine konservative, antisozialistische Zeitung sich dem Sozialismus stellt, so kann es sich bei dieser Stellung nur um eine Entstellung handeln!

Wenn Liberale dem Sozialismus Sinn geben!
Rainer Hank fragt und antwortet: „Ist der Sozialismus wünschenswert? Ja, lautet die Antwort.
Weiter: „Ist der Sozialismus machbar? Zunächst gilt es, ein Missverständnis auszuräumen. Mit Planwirtschaft hat unser aufgeklärter Sozialismus nichts zu tun.“
Da liegt also der Hund begraben! Sozialismus ja, aber bitte ohne „Planwirtschaft“! Nun ist das aber ein Problem, und zwar ein sehr großes. Das gibt auch Herr Hank zu, dem wir hier nichts Böses unterstellen. Er grübelt nämlich ernsthaft: „Woher soll die Gemeinschaft ihre Bedürfnisse kennen und wissen, welche Güter und Dienstleistungen sie braucht, wenn kein Plan sich anmaßen soll, die wahren Bedürfnisse zu oktroyieren und der Preismechanismus des Marktes außer Kraft gesetzt ist?“
“Dieser Punkt bleibt wund.” In der Tat! Ähnlich dem Spruch: Wasche mir den Pelz, aber mach es nicht nass! So ist auch Hanks Lösung kurios: „Marktsozialismus, der das Privateigentum abschafft und an alle Bürger Volksaktien austeilt: ein Kollektiveigentum, das die Menschen zwar handeln, aber niemals zu Geld machen dürfen.“
Es ist hier nicht der Ort für theoretische Diskussionen. Doch soviel kann gesagt werden, dass das Projekt „Marktsozialismus“ ziemlich alt ist. Mehr noch, Staaten, die eine „Planwirtschaft“ verwirklicht haben, haben eine Zeit lang große sozialistische Errungenschaften und Erfolge erzielt. Von diesem Pfad des Sozialismus und Erfolgs haben sie sich gerade dann entfernt, wo sie anfingen die historisch völlig neuartigen Probleme einer sozialistischen Gesellschaft mit dem liberalen Konzept des „Marktsozialismus“ zu lösen, was ja ihnen nicht geglückt ist! Auch der historischen Tatsache entsprechend müsste daher gesagt werden, dass nicht die sogenannte „Planwirtschaft“, sondern der Abkehr von ihr hin zu einem „Marktsozialismus“ u.a. zum Scheitern des ersten Anlaufs geführt hat.
Keine Projekte bitte!
Doch der eigentliche „wunde Punkt“ ist ein anderer. Es ist der Ansatz selbst: Sozialismus ist nicht eine Frage des Projektemachens, oder des „sag mal, wie wäre es, wenn…“. Wäre es dem so, so könnten wir ruhig sagen, bisher haben uns lediglich die genialen Köpfe gefehlt, die das richtige Projekt entwerfen. Auch die Lösung wäre in diesem Fall sehr einfach. Allein mit einer bundesweiten Wettbewerbsaktion um die besten sozialistischen Projekte wäre die Sache erledigt!
Andererseits: Was passiert, wenn die Geschichte sich aus unserem Projekt nichts macht? Wenn die Geschichte mit Bedingungen aufwartet, die mit unserem schönen Projekt überhaupt nicht kompatibel sind? Seit wann handelt die Geschichte nach unseren Moralvorstellungen? Würde sie es tun, so hätten wir wohl im Jahre 2010 keine Hungerkrise, die über eine Milliarde Menschen grausam quält!
Sei es der sozialistischer Kampf selbst und sei es sein Programm, beide müssen sich logischerweise nach dem Konkreten richten. Nun ist das Konkrete der Kapitalismus selbst. Ihm eigentümliche Widersprüche sind es, die uns zwingen nach einer Lösung zu suchen. Doch diese Lösung ist nicht eine Frage des Projektes entsprechend unserer Wunschvorstellungen (bisschen vom Markt, bisschen vom Sozialismus!) , sondern ist vorgegeben und bedingt in der bestimmten Eigenschaft des zu bekämpfenden und zu überwindenden Widerspruchs selbst. Die Diagnose der Krankheit bestimmt die einzuleitende Therapie. Oder kennen Sie einen Arzt, der es umgekehrt macht?
Der Sozialismus ist nicht daher irgendeine erwünschte, erdachte oder entworfene, sondern eine bestimmte Negation des Kapitalismus. Daher sind Aufhebung des Kapitalverhältnisses (Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln und Abschaffung der Lohnarbeit) und gesellschaftliche  Planung der Produktion unausweichliche und einheitliche „Therapiemaßnahmen“, die bedingt durch die bestehenden Produktionsverhältnisse im Kapitalismus eingeleitet werden müssen.

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