İhsan Çaralan
Erdoğan und Obama haben sich bereits zum zweiten Mal getroffen, um „die Probleme der Türkei und ihrer Nachbarregionen“ zu besprechen. Das erste Treffen dauerte zwei Stunden und war ein „offizielles Treffen“. Das zweite war ein inoffizielles „1+2-Dinner“, d.h. Obama und Erdoğan mit je zwei engsten Vertrauten nahmen daran teil. Es ist sehr wahrscheinlich, dass während des zweiten Treffens „aufrichtige und offene“ Gedanken ausgetauscht wurden! Was genau an diesem Treffen besprochen wurde, werden wir mit der Zeit erfahren. Jedoch ist nicht unschwer zu erraten, dass die Themen des „informellen“ Treffens die gleichen waren, wie die des „offiziellen“. Auch wenn Erdoğan nach dem ersten Treffen auf Nachfragen zu bestimmten Themen antwortete, dass die Details beim „Dinner“ besprochen werden, stufte er das erste Gespräch als ein Gespräch „mit historischer Relevanz“ ein. Eigentlich war die Relevanz dieses „Treffens“ im Vorhinein klar. Und dass dieses Treffen eine „Klärung der Einzelheiten von bestimmten Anliegen“ war, wurde zuvor auch zwischen den Zeilen mitgeteilt. Wie sehr jedoch diese Gespräche zum Wohle der türkischen Bevölkerung und den benachbarten Regionen ist, ist höchst diskutabel. Denn der eine Gesprächspartner ist eine imperialistische Macht, die in jeden Winkel der Welt Ausbeutung, Krieg und Chaos bringt. Und wenn der andere Gesprächspartner als Handlanger des ersteren bekannt ist, können die Ergebnisse dieses Treffens, dem eine „historischen Relevanz“ zugesprochen wird, nur eine historische Relevanz zum Nachteil der hiesigen Bevölkerung haben. Wenn man sich nach dem Treffen, an der Presseversammlung, die Gelassenheit von Erdoğan anschaut, könnte das Gefühl aufkommen „Erdoğan hat bekommen, was er wollte“. Beim genaueren Hinsehen jedoch, weiß man, dass Obama bekommen hat, was er wollte. D.h. Obama und seine Leute konnten Erdoğan und seine Leute davon überzeugen, dass die Forderungen und Pläne der USA in ihrem Sinne, im Interesse der Türkei seien. Dies können wir aus den Erklärungen von Obama und Erdoğan in der Presseversammlung eindeutig herleiten! Aber, dass Erdoğan an irgendeinem wichtigen Punkt Obama von irgendetwas überzeugen konnte, dazu gab es keinen einzigen Satz, der als Hinweis interpretiert werden kann. Beispielsweise zum Thema Syrien; an dem Punkt, dass „Assad zu gehen hat“, waren sich beide Länder einig. Die Differenzen auf dem Weg dahin lagen nur bei methodischen und zeitlichen Vorstellungen. Als Obama in der Presseversammlung sagte, „je schneller Assad geht, umso besser“, schien es eher nach einer wohlwollenden Geste an Erdoğan. Die türkischen Medien schlagzeilten diese Aussage „Auch Obama möchte Assad nicht“. Aber, dass Obama seine Unterstützung der Opposition auf „humanitäre Hilfe“ und „politische Unterstützung“ reduziert, zeigt, dass er zurückrudert. Obama unterstrich stark die These eines „politischen Übergangsprozesses“ als „einzigen Weg zur Lösung“. Damit widersprach Obama eigentlich der türkischen Haltung „Sturz des Assad-Regimes“, „Flugverbotszonen“, „Waffenhilfe an die Opposition“ u.ä. Indem Erdoğan in der Syrienkrise erstmalig die Bereitschaft erklärte, mit Russland gemeinsam zu handeln und auf die Relevanz des Genfer Abkommens hinwies, zeigte er, dass er die USA-Russland Linie unterstützt.
Während Erdoğan auf der einen Seite von „Verhinderung von terroristischen Aktivitäten“ spricht, unterstützt er auf der anderen Seite Obamas Pläne, dass im neuen System Syriens alle ethnischen und religiösen Minderheiten einen Platz bekommen sollen. Damit akzeptiert Erdoğan gleichzeitig aber auch den Platz, die Assad-Regime-Anhänger im neuen Syrien bekommen sollen.
Auch im Iran-Problem hat Erdoğan bereits seine These „wenn Israel nukleare Waffen hat, kann auch der Iran welche haben“ geändert. Nun ist er dagegen, dass „ der Iran nukleare Waffen besitzt“. Damit zeigte er, dass zumindest eine große Annäherung an die Israel-USA Linie stattgefunden hat. Die Annäherung fand bereits auch in der Palästina Frage statt. Es wird sicherlich keine Übertreibung sein, zu behaupten, dass Erdoğan die Veränderungen in Bezug auf sein Verhältnis zu Syrien, Iran und Israel nach dem Gespräch mit Obama evaluieren und „Feineinstellungen“ machen wird. In diesem Zusammenhang ist zu erwarten, dass Erdoğan auf Wunsch der USA auch seine Beziehungen zur irakischen Regierungen überdenken wird. Dass eine Kommission gebildet wurde, welche einen „Vertrag zur ökonomischen Zusammenarbeit“ der USA und der EU vorbereiten soll, wird von der Türkei als Erfolg verbucht. Es sieht so aus, als ob sämtliche andere offene Fragen und Probleme von Zypern bis Afghanistan außenvor gelassen wurden. Konnte denn während der Gespräche für kein Anliegen der Türkei Akzeptanz erreicht werden? Überlassen wir diese Einschätzung einer „Expertin“, die in der letzten Zeit die Innen- und Außenpolitik der AKP verteidigt, wie ein Missionär, ehemalige Washington Korrespondentin der Milliyet, Asli Aydintasbas. In ihrem Artikel, den sie aus Washington schrieb, erwähnt sie keinen echten „Gewinn“. Im Verlauf des Artikels werden Aussagen benutzt wie „man weiß es nicht“, „dies wird sich mit der Zeit klären“ etc. Am Ende schließt sie ihren Artikel mit der Einschätzung „die Präsidenten zweier starker Länder, haben mit lauter Stimme ´Assad soll gehen` gerufen. Niemand kann mir sagen, dass dies unwichtig sei“. Daran erkennt man, dass Erdoğan anscheinend für keinen seiner Anliegen Akzeptanz erreichen konnte! Kurz gesagt, konnte Erdoğan bei diesem „historisch wichtigen“ Gespräch mit Obama nichts erreichen, was er sich vorgenommen hatte, aber trotzdem wird eingeschätzt, dass „die Gespräche in einem vollkommenen Einvernehmen abgeschlossen“ seien. Denn Erdoğan ist auf die richtige, auf Obamas Linie gebracht worden. „Feineinstellungen“ ist dann wohl der richtige Begriff für die Ergebnisse, die mit den nach Washington geladenen Gesprächspartnern, erreicht werden.