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Filmtrilogie „And Europe will be stunned“ – Yael Bartana

„Juden! Landsleute! Volk! Als ihr gegangen wart, waren wir insgeheim froh. Wir sagten uns: Endlich sind wir alleine zu Hause. Die Polen in Polen, und niemand, der uns stört“, ruft ein junger Redner mit ernsten Blicken in die Runden eines Stadions. Doch die Worte hallen von leeren Tribünen wider, auf denen Gräser wachsen – Metapher für ein gealtertes, obdachloses Europa. Nur ein paar Pfadfinder sprühen weiße Buchstaben auf den Rasen: „3,3 Millionen Juden können das Leben von 40 Millionen Polen verändern.“ Währenddessen verkündet der Redner eine ungeheure Forderung: Die Übersiedlung von 3,3 Millionen Juden nach Polen – so viele wie vor dem Holocaust dort lebten. „Heilt unsere Wunden, und ihr werdet Eure heilen“, ruft er, „und Europa wird überwältigt sein.“
Diese ist eines der beeindruckendsten Szenen bei Yael Bartanas Trilogie „And Europe will be stunned“.  Erstmals wurde die Trilogie auf der 54. Biennale in Venedig bekannt. Sie bildete den offiziellen Beitrag Polens auf dieser Weltausstellung der Kunst und sorgte für eine Sensation. Denn mit ihrer künstlerischen Bewegung für eine Rückkehr der Juden nach Polen unterlief die israelische Künstlerin Yael Bartana, die derzeit in Berlin lebt, alle Ideologien und Mythen, ob in Israel oder in Europa. Die beeindruckende Filmtrilogie handelt von dem Jewish Renaissance Movement in Polen (JRMiP), einer von der Künstlerin erfundenen politischen Bewegung. Sie fordert die Rückkehr von 3.000.000 Juden nach Polen und behilft sich der Ästhetik von Nationalbewegungen und Propaganda. Die drei Filme Mary Koszmary (Albträume, 2007), Mur i wieża (Mauer und Turm, 2009) and Zamach (Attentat, 2011) zeigen chronologisch aufbauend wie der Hauptaktivist Sławomir Sierakowski eine aufwühlende Rede im leeren Warschauer Nationalstadium hält, wie das archetypische zionistische Gebilde des Kibbutz im Warschauer Zentrum errichtet wird und letztendlich Sierakowski einem Attentat erliegt und sein Tod betrauert wird. Nationalismus, der zionistische Traum, polnischer Fremdenhass, Holocaust Gedenken und Utopien werden von Bartanas Arbeit thematisiert und zur Diskussion gestellt.

Yael Bartana, geboren 1970 in Afula, Israel, ist seit Jahren eine der international bekanntesten israelischen Künstlerinnen. Mit ihren Projekten und Ausstellungen auf der Documenta in Kassel (2007), im MOMA PS.1 Contemporary Art Center in New York (2008), oder bei der Biennale in Venedig (2011) stellt sie beunruhigende Fragen an die politische Kultur der Gegenwart.

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