Die seit Monaten angekündigten und medial angeheizten „Reformen“ im Sozialen nehmen immer deutlichere Züge an. Zuletzt verkündete Bundeskanzler Merz (CDU), dass sich die Union und SPD im Koalitionsausschuss auf „Reformen“ geeinigt hätten, de facto sind es Kürzungen und weitere Angriffe auf die Rechte der Bevölkerung.
„Es wird die neue Grundsicherung geben, so wie im Koalitionsvertrag verabredet. Wir werden die Mitwirkungspflichten deutlich verstärken, wir werden auch die Sanktionsmöglichkeiten deutlich erhöhen“, so Merz. Bestärkt wurde er dabei von Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD): „Wer nicht mitmacht, wird es schwer haben“. Bei zwei verpassten Terminen drohe eine Kürzung um 30 Prozent der Leistung. Fehlt man auch beim dritten Termin, wird das Geld vollständig gestrichen.
Kritisiert wird dieser Vorstoß von Sozialverbänden, anderen Parteien und auch von dem sonst mit Kritik an der SPD zurückhaltenden DGB: „Wir sind mitten in einer der größten wirtschaftlichen Stagnationsphasen seit Dekaden, aber wir diskutieren vor allem über Bürgergeld und Kürzungen im Sozialsystem“, kritisiert DGB Chefin Fahimi, selbst einst SPD Generalsekretärin. Die 0,6 Prozent Totalverweigerer seien keine Größe. Wo sie recht hat, dennoch wird seit Monaten über “Arbeitsverweigerung“ gesprochen. Die Wahrheit ist: Von den 5,5 Mio. Bürgergeldempfängern ist fast ein Drittel (1,7 Mio.) gar nicht im Stande z.B. aufgrund von Krankheit oder Minderjährigkeit einer Beschäftigung nachzugehen. Davon sind 1,8 Mio. also wieder ein Drittel als arbeitslos erfasst, der Rest steckt entweder in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen (Wiedereingliederung, Ein-Euro-Jobs usw.), studiert, erzieht Kinder oder pflegt Angehörige. Und von diesen 1,8 Mio. Menschen sind exakt 0,6 Prozent, also ca. 23.000 Menschen, 2024 von Leistungsminderungen betroffen gewesen, weil sie die Arbeitsvermittlung verweigert haben. Ist also eine Zahl von Menschen, die nicht mal so groß ist wie die Einwohnerzahl der brandenburgischen Stadt Senftenberg, Schuld an unserer Misere? Ist ihre „fehlende Mitwirkung“ Grund dafür, dass unsere Löhne nicht steigen, die Preise ins Unermessliche schießen, unsere Krankenhäuser schließen und unsere Schulen vor sich faulen? Oder vielleicht sind es ja doch die „Ausländer“, die ja ohnehin die größte Bürgergeldempfängergruppe sind, oder? Auch das: eine falsche Information, die uns immer wieder suggeriert wird. Tatsächlich sind 52 Prozent der Empfänger deutsche Staatsbürger. Erst danach kommen mit 13 Prozent die Ukrainer und anschließend die anderen Gruppen.
Wenn also gar nicht Migranten und Bürgergeldempfänger unsere Probleme vergrößern, sondern es eventuell doch Konzerne sein könnten, die sich an unserer Arbeitskraft bereichern, während sie uns in Kurzarbeit stecken, entlassen, unsere Löhne drücken und dabei noch staatliche Subventionen kassieren, warum behauptet die Politik all das, kennen sie die Zahlen nicht? Selbstverständlich, doch während Konzerne weiterhin mit Subventionen versorgt werden (auch für den Kauf von E-Autos soll es in Zukunft Prämien geben, während das Deutschlandticket wieder teurer wird) und künftig 82 Milliarden in die Bundeswehr gehen, darf sich kein Widerstand rühren. Diesen untergräbt man am einfachsten, indem man die Schuld auf Gruppen, wie Bürgergeldempfänger oder Migranten schiebt. Alte Strategie, die immer wieder funktioniert: allerdings nur wenn wir es zulassen.

